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Irgendwas mit Internet: Computerspiele sind ein Kulturgut – aber nicht immer

Die Gamescom lädt aktuell wieder nach Köln. Das ist ein lauter Werbespielplatz für die junge Generation. Aber es geht auch um Politik.

Besucher:innen spielen an Spielkonsolen auf der Messe Gamescom in Köln am 24.08.2023
– Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Sven Simon

Einmal im Jahr findet die Gamescom in Köln statt, die nach eigenen Angaben „weltweit größte Messe für Computer- und Videospiele“. Und alle Jahre wieder schaue ich mir das gerne an, nicht nur weil mich Computerspiele seit 40 Jahren faszinieren. Es geht dort auch um Politik. Also auf nach Köln.

Schon im überfüllten Regionalexpress nach Köln-Deutz bekomme ich einen ersten Eindruck, was mich erwarten wird: Zwei Cosplayer:innen sitzen vor mir und sind bereits seit vier Stunden in Zügen unterwegs. Ihre größte Herausforderung für die kommenden vielen Stunden wird es sein, „in character“ zu bleiben. Eine Wortkombination, die ich an dem Tag noch häufiger hören und vor allem live erleben werde.

In Köln Deutz erlebe ich aber erst einmal einen überfüllten Bahnhof. Von allen Seiten strömen Menschen Richtung Messe. Wegen der vielen Kostüme hat das was von Kölner Karneval – nur ohne Alkohol und ohne die dazugehörige Musik. Die Menschenmasse wälzt sich Richtung Eingang, aber der ist verwinkelt auf dem Messegelände. Es geht immer wieder um Ecken und durch Hallen, mal hoch und mal runter. Ab und an kommt es zu Nadelöhren, wo einem das Gefühl vermittelt wird, das nächste Level zu erreichen. Möglicherweise ist das alles als heimlicher Fitness-Parkour geplant, um Gamer:innen zumindest einmal im Jahr zu mehr Bewegung zu motivieren?

Campingstühle und Computerspiele

Nach einer halben Stunde bin ich drin. Für einen kurzen Moment bereue ich meine Anfahrt, denn an den Lärm und die Menschenmassen muss man sich erst mal gewöhnen.

Vor allem aber komme ich mir plötzlich recht alt vor, was mir zum Glück bislang selten passiert. Gamer:innen sind jung, was ich nachvollziehen kann, weil ich auch etwas neidisch auf meine Jugend zurückblicke, als ich noch Zeit und Lust hatte, viel zu viel Zeit mit Computerspielen zu verbringen.

Viele tragen Cosplay-Kostüme, wobei ich mich irgendwann frage, wer das denn aus Eigenmotivation macht und dafür auch noch bezahlt hat und wer zu den Menschen gehört, die wiederum als Werbefiguren in Form von „Walking Acts“ von Unternehmen dafür bezahlt werden, fotokompatibel durch die Gegend zu marschieren. Mittendrin quatscht jede zehnte Person in einen Livestream und es gibt mehr Streamer:innen als eine große Querdenker:innen-Demo aufzubieten hat.

Ich bin auch nicht richtig vorbereitet. Profi-Gamescom-Besucher:innen erkennt man an ihren Campingstühlen. Überall können Games getestet werden und dort bilden sich teils lange Schlangen. Bei früheren Besuchen faszinierten mich Schilder „Ab hier nur noch vier Stunden Wartezeit“, aber die sehe ich diesmal nicht. Die einen stehen, die anderen sitzen auf dem Boden. Aber dazwischen bekommt man die gesamte Produktpalette an tragbaren Campingstühlen zu bewundern. Und das Angebot ist vielfältiger als auf dem Chaos Communication Camp, wo ich erst vergangene Woche eine Auswahl sehen konnte.

Zwischendurch viel Recruiting durch Bundesbehörden

Zusammen mit Menschenmassen wälzt man sich dann von Halle zu Halle. Zwischen Merchandise-Ständen und Hardware-Unternehmen finden sich auch staatliche Behörden, die hier Recruiting machen.

Die Bundeswehr hat diesmal keinen Panzer, sondern nur ein Wüstenfahrzeug dabei. Der Bundesnachrichtendienst zeigt irgendwas mit VR-Brillen und beim Zoll kann man sich mit bekannten Multiplayer-Games duellieren. Die haben zwar nichts mit dem Zoll zu tun, aber es generiert Aufmerksamkeit und das notwendige Publikum. Im Gegensatz zum Stand des Bundeskriminalamts, da gibt es nichts zu sehen und damit auch keine Menschentraube.

Etwas verloren wirkt der Gemeinschaftsstand der Ministerien für Ernährung und Landwirtschaft sowie Gesundheit. Dort ist man auf die Idee gekommen, einen Koch etwas Gesundes kochen zu lassen. Das ist aber wiederum zu viel Cosplay, der Koch steht da ohne Publikum. Mit mir teilen wollte er sein Essen auch nicht.

Es geht hier auch um Politik

Eigentlich ist mein Ziel der Gamescom-Congress, denn es geht hier auch um Politik. Aber mich interessiert eben auch die Kultur und der Markt drumherum. Denn Computerspiele sind zwar endlich als Kulturgut anerkannt, was ein Generationenkampf war. Aber vor allem ist das alles ein riesiges Geschäft. Das merkt man an den gewaltigen Messeständen und noch deutlicher wird das in der Cosplay-Area, die ein riesiger Merchandising-Markt für die jeweilige Gamer-Identität ist.

Die Diskussionen auf dem Gamescom-Congress drehen sich dann auch sehr viel um die wirtschaftlichen Aspekte der Games-Branche. Eine Diskussion sucht Spillover-Effekte zwischen Games(-tech) und Industrie und findet sehr viele Anknüpfungspunkte, aber auch Herausforderungen. Es sei zwar cool, dass Mittelständler und große Industrieunternehmen jetzt auch Game-Engines und andere Technologien einsetzen würden, um Personal zum Schweißen auszubilden oder Motoren bzw. Häuser zu gestalten. Aber die werben auch erfolgreich die Games-Designer:innen und -Entwickler:innen ab, die vorher von kleinen Spiele-Unternehmen antrainiert werden. Und die denen dann fehlen.

Auch hier gibt es also das bekannte Problem des Fachkräftemangels. Und noch nicht ausreichend viele Ausbildungsmöglichkeiten, um mehr Menschen für den Einstieg in die Gamesbranche zu qualifizieren.

Das wurde zum Schluss nochmal in der Battle-Royal-Debatte thematisiert. Das ist die Gamescom-Elefantenrunde, in die ursprünglich die Generalsekretär:innen der großen demokratischen Parteien zur Diskussion eingeladen wurden. CDU/CSU schickte diesmal aber den NRW-Medienminister Nathanael Liminski ins Rennen und die SPD konterte mit der Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey. Insofern drehte sich viel in der Diskussion dann auch um die Frage, ob NRW oder Berlin die besseren Ansiedelungs- und Fördermöglichkeiten für die Games-Branche anzubieten hat.

Dazwischen spielen die Politiker:innen immer eine Runde, um ihre Games-Credibility unter Beweis zu stellen. In diesem Jahr war es mal nicht Mario Cart, sondern ein Tetris-Derivat.

Alle versprechen mehr Geld

Vor allem wurde über Geld geredet. Das ist seit Jahren der Dauerbrenner in jeder Debatte über Games. Spieleproduktionen sind aufwändig und müssen vorfinanziert werden. Das funktioniert ähnlich wie in der Filmbranche, die selbstverständlich schon lange entsprechende Fördertöpfe hat und diese mit allen Mitteln verteidigt. Für Computerspiele gibt es immer noch nicht die richtige und angemessene Förderstruktur, zumindest sind da andere Staaten wie Kanada oder selbst Polen viel weiter und motivierter. Seit 2019 gibt es Förderinstrumente des Bundes, aber die reichen nicht für den wachsenden Bedarf aus. Vielmehr gelten sie nur als der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein.

Das ist allen Politiker:innen bewusst, alle versprachen mehr Geld. Aber das kenne ich aus vielen früheren Debatten. In der abschließenden Fragerunde wurde dann wiederum klar, welch weiten Weg die Computerspiele noch zu gehen haben. Die anwesenden Politiker:innen wurden gefragt, warum der neue Kulturpass Games ausschließt. Der Pass schenkt allen 18-Jährigen einen 200-Euro-Gutschein für den Erwerb von CDs, Konzert-Tickets, Museums- oder Kinobesuchen. Computerspiele sind jedoch nicht dabei.

Deren Fehlen war niemanden auf dem Panel bewusst. Das zeigte dann doch noch recht anschaulich, dass Games zwar schon irgendwie Kulturgut sind, aber noch nicht von allen als solches gesehen werden.


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