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Fachgespräch im Familienausschuss: Immer wieder Vorratsdatenspeicherung

Im Familienausschuss des Deutschen Bundestages erhob das BKA einmal mehr die Forderung nach einer anlasslosen Speicherung von IP-Adressen. Der Deutsche Kinderschutzbund widersprach und forderte stattdessen mehr Prävention und Bildungsarbeit.

Martina Link und Kerstin Claus im Familienausschuss
Martina Link (BKA) und Kerstin Claus (UBSKM) stellen sich im Fachgespräch den Fragen der Bundestagsabgeordneten

Am vergangenen Mittwoch hat der Familienausschuss des Deutschen Bundestages über Ansätze zum Kinderschutz beraten. Während sich Joachim Türk, Vizepräsident des Kinderschutzbundes, vor allem für mehr Prävention, Bildung und Zusammenarbeit aussprach, forderte das Bundeskriminalamt (BKA) einmal mehr die anlasslose Massenüberwachung via Vorratsdatenspeicherung.

Martina Link, Vizepräsidentin des BKA, plädierte dafür, Internetprovider zu einer 14-tägigen Speicherung von IP-Adressen inklusive Ports zu verpflichten. Damit könne die Erfolgsquote der digitalen Strafverfolgung „massiv gesteigert“ werden. Link stützte sich dabei auf eine Präsentation, die netzpolitik.org bereits am Vortag analysiert hatte. Einige Provider speichern unter anderem die IP-Adressen ihrer Kund:innen schon freiwillig für die Dauer von bis zu sieben Tagen.

Vorratsdatenspeicherung versus Quick-Freeze

Im September des vergangenen Jahres hatte der Europäische Gerichtshof eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung (VDS) von IP-Adressen für rechtswidrig erklärt und nur unter bestimmten Bedingungen eine Speicherung erlaubt. Innenpolitiker:innen von CDU und SPD, aber auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser erkannten darin die Möglichkeit, die VDS wieder einzuführen. FDP und Grüne stellen sich gegen solche Pläne, sie präferieren stattdessen das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren. Eine Wiedereinführung der anlasslosen Massenüberwachung würde mit einem Bruch des Koalitionsvertrages einhergehen, der eine Speicherung solcher Daten nur anlassbezogen und mit richterlichem Beschluss vorsieht.

Für die Meldung von Verdachtsfällen verlässt sich das BKA bislang vor allem auf die gemeinnützige US-Organisation NCMEC. Diese sammelt Hinweise zu Darstellungen sexualisierter Gewalt und gibt diese an Strafverfolgungsbehörden wie das BKA weiter. Die Hinweise von NCMEC sind laut Link jedoch nur in etwa zwei Drittel aller Fälle strafrechtlich relevant und beziehen sich zum größten Teil auf Dienstangebote des Meta-Konzerns. Die Teilnehmenden des Fachgespräches setzen daher Hoffnungen in eine – noch zu gründende – Anlaufstelle für die Meldung und Speicherung von Missbrauchsdaten auf EU-Ebene.

KI-Nutzung bei Ermittlung umstritten

Die Debatte war auch durch die Hoffnung geprägt, dass sogenannte Künstliche Intelligenz (KI) bislang unbekannte Darstellungen sexualisierter Gewalt oder Grooming-Verhalten vermehrt in Chats identifizieren könne. Die Beauftragte des Bundes für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Kerstin Claus, forderte, „gerade vor dem Hintergrund der Künstlichen Intelligenz technologieoffen in der Strafverfolgung und Strafermittlung zu denken“. Dem widersprach die BKA-Vizepräsidentin Link. Demnach sei KI noch nicht in der Lage, unbekannte Inhalte zuverlässig zu erkennen: „Hier gibt es das Risiko für false-positive Meldungen, und bei Grooming gilt das erst recht.“ Aktuell sei KI daher noch nicht für einen breiten und sicheren Einsatz geeignet, so Link.

Claus merkte an, dass Täter sich beim Grooming ihren Opfern häufig in Chats von Videospielen annäherten. Sie versuchten so an Telefonnummern zu gelangen, um ihre Annäherungsversuche etwa über WhatsApp fortzusetzen. Claus schlug vor, in den Chats Sperren einzurichten, “ die wir in anderen Plattformen haben – wo wir sagen: Es steht nicht zur Verfügung, dass man hier Telefonnummern austauscht.“ Claus verband dies mit der Forderung nach Chaträumen, die ausschließlich Kindern vorbehalten sind, und die man „natürlich ganz anders kontrollieren“ könne.

Datensparsame Lösungsansätze vom Kinderschutzbund

Joachim Türk vom Deutschen Kinderschutzbund legte den Fokus stattdessen auf die Prävention von sexualisierter Gewalt an Kindern. Er betonte die Rolle der Bildungspolitik. Außerdem schlug er vor, Plattformbetreiber dazu zu verpflichten, sichere Räume für Kinder zu schaffen, zum Beispiel durch Moderation. Bei der Verfolgung und Aufarbeitung von Fällen setzt Türk nach eigenen Angaben große Hoffnung auf eine engere Zusammenarbeit zwischen Jugendämtern, Staatsanwaltschaft, Polizei und Trägern der Jugendhilfe.

In der Debatte sprach sich Türk außerdem entschieden gegen Vorratsdatenspeicherung und Chatkontrolle sowie für Einsatz von Verschlüsselungstechnologien aus: „Selbstverständlich müssen Scans von Bild und Videodateien auf öffentlichen Plattformen sein, solange die Verschlüsselung intakt bleibt“, so Türck. Allerdings würde der Kinderschutzbund andere Lösungen vorziehen wie das Quick-Freeze-Verfahren oder sogenannte Login-Fallen. „Wir können uns mit einer anlassbezogenen Speicherung anfreunden“, sagte Türck, „allerdings nur unter der Bedingung: so wenig Daten wie möglich, so lange wie absolut nötig.“ In dieser andauernden Debatte scheint weiterhin eine gewaltige Lücke zwischen den Forderungen der Polizeibehörden und denen der Kinderschützer zu klaffen.


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