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Pornografie-Verbot: OnlyFans macht Schluss mit selbstbestimmter Sexarbeit

Verschiedenes buntes Sexspielzeug liegt auf mit Blumen verziertem Untergrund.

Sexarbeiter:innen kämpfen schon lange um eine Online-Plattform, auf der sie erotische bis pornografische Inhalte gegen Bezahlung teilen können. Seit ein paar Jahren macht die Webseite OnlyFans genau das mit einem Bezahlmodell möglich. Nun verkündete der Anbieter „anstößiges“ und „sexuell explizites Verhalten“ in wenigen Monaten von seiner Plattform zu verbannen. Ab dem 1. Oktober 2021 tritt das Pornografie-Verbot mit den neuen Richtlinien in Kraft – und trifft damit die selbstbestimmte Sexarbeit.  

OnlyFans wurde 2016 gegründet und verzeichnet nach eigenen Angaben über 130 Millionen Nutzer:innen. Letztes Jahr gewann der Content-Sharing-Anbieter durch die Corona-Pandemie schlagartig an Popularität – insbesondere für seine nicht jugendfreien Inhalte, die rund die Hälfte des Angebots ausmachen. Auf OnlyFans teilen Menschen Fotos und vorrangig Videos mit ihrer Fangemeinschaft, die die Urheber:innen durch ein monatliches Abonnement finanziell unterstützt. Dabei gehen 80 Prozent der Einnahmen an die Darsteller:innen selbst. Angehende OnlyFans-Nutzer:innen benötigen nur ihren Personalausweis und ihre Kreditkarte, um einen Account zu erstellen und künftige Zahlungen abzuwickeln.

Mastercard sperrt sich gegen Sexarbeit

Doch genau dieser bürokratische Prozess ist nun offenbar die Ursache des Sexarbeit-Verbotes. Aus einer Mail von OnlyFans, die dem Spiegel vorliegt, geht hervor, die Zahlungsabwicklung zwischen Fans und den Urheber:innen sei zu aufwändig. Wenn die Zahlung über Mastercard abgewickelt wird, muss OnlyFans nun die Inhalte überprüfen, bevor sie diese freigeben. Das Kreditkarten-Unternehmen zeigt mit seinen kürzlich verschärften „Bedingungen zu nicht jugendfreien Inhalten“ keine Toleranz für Sexarbeit. Auf Twitter begründet OnlyFans seine Entscheidung mit den Worten, die veränderten Richtlinien seien notwendig, um sichere Bank- und Zahlungsdienste zu garantieren. Im selben Tweet versichert die Plattform, an einer Lösung für das kommende Verbot zu arbeiten.

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Sexarbeiter:innen sehen in den neuen Richtlinien von OnlyFans einen weiteren Schritt in der grundlegenden Stigmatisierung ihrer Arbeit. So verwehrten Mastercard und Visa schon im vergangenen Jahr ihren Zahlungsservice für die Plattform Pornhub, eine der meistgenutzten Pornowebseiten weltweit. Die Autorin und Sexarbeiterin Victoria Gagliardo-Silver sieht diese Entwicklung kritisch. Denn dadurch, so lautet ihre Argumentation, würden Kreditkarten-Unternehmen und Banken die Entscheidungsmacht darüber erlangen, welche Art von Pornografie anstößig und welche gesellschaftlich akzeptiert sei.

Ist das Erotik oder muss das weg?

Auch aus den neuen Richtlinien von OnlyFans geht nicht hervor, welche Darstellungen nun erlaubt und welche verboten sind. Klar ist, dass Nutzer:innen in Zukunft weder Geschlechtsverkehr, noch Masturbation, Genitalien oder andere „anstößige“ Bilder zeigen dürfen. Darunter fallen auch Darstellungen von Körperflüssigkeiten und des Anus, sowie die bloße Simulation von Geschlechtsverkehr. Allerdings sollen laut Spiegel erotische Inhalte und Nacktfotos vorerst erlaubt bleiben.

Doch wo genau die Trennungslinie zwischen Erotik und Pornografie verläuft, bleibt unklar. Und wie handhabt OnlyFans die auf anderen Plattformen selbstverständliche Zensur von weiblichen Nippeln? Der intransparente Definitionsspielraum führte schon in der Vergangenheit zu Problemen und Account-Sperrungen.

Für viele Nutzer:innen ist es unverständlich, warum OnlyFans Mastercard klein beigibt. Schließlich sei die Plattform erst durch sexuelle und erotische Inhalte so groß geworden. Auf den Tweet von OnlyFans reagierte die Nutzerin RealMiro_xo mit den Worten:  

Sie haben NIEMALS für uns geworben, sondern nur für irgendwelche Fitnesstrainer und Prominente. WIR haben den Traffic gebracht. Und ihr habt uns auf die Straße gesetzt, anstatt uns gegen die Bezahldienste zu verteidigen. 

Sexarbeit ist „moderner Feminismus“ 

Mehrere Jahre füllte OnlyFans eine willkommene Nische, die sich sowohl von der konventionellen Pornoindustrie mit ausbeuterischen Verträgen als auch von den strengen Nutzungsrichtlinien anderer Plattformen abgrenzte. Im Gegensatz zu diskriminierenden Kategorisierungen in der Pornoindustrie, bestimmen die Sexarbeiter:innen selbst, wie sie ihre Inhalte bewerben. Das kann auch zu einer freien und authentischen Sexualität führen, in der auch Kinks ihren Platz haben. Die Sexarbeiterin Yma Louisa Nowak sieht nichts Verwerfliches daran, ihren Körper und ihre Sexualität darzustellen. Sie sagt gegenüber dem Spiegel:“Für mich ist das moderner Feminismus“. 

Doch spätestens ab Oktober werden die Anbieter:innen von sexuellen Inhalten auf andere Plattformen ausweichen müssen, etwa Konkurrenten wie BestFans oder JustForFans. Letztere wirbt derzeit sogar explizit Sexarbeiter:innen an. Auf Twitter veröffentlichte JustForFans ein Statement, in dem sich die Webseite selbst als Porno-Seite darstellt und die Nutzer:innen von OnlyFans willkommen heißt. 

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Allerdings verlieren Sexarbeiter:innen mit dem Umzug auf eine neue Plattform erstmal ihre hohen Abonnementzahlen und müssen diese wieder von Null aufbauen. Menschen, die mit der Darstellung von sexuellen Handlungen Geld verdienen, sind somit auf stabile und sichere Online-Räume angewiesen. Doch diese verengen sich zunehmend. Betroffene und Organisationen kritisieren, dass Plattformen ihre Inhalte verdrängen und sie damit ihre Lebensgrundlage verlieren. Andi Land, die zu den Bestverdiener:innen auf OnlyFans gehört, meint, der Verlust eines sicheren Online-Raumes würde Sexarbeiter:innen in ein weniger sicheres und ausbeutenderes Umfeld treiben.  

Die Entscheidung von OnlyFans, sexuelle Inhalte auf ihrer Webseite zu verbieten, hat damit folgenschwere Konsequenzen für Sexarbeiter:innen, für die die Plattform eine sichere Einnahmequelle darstellt. 


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