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Gerichtsbeschluss: Polizei darf Fingerabdrücke nehmen, um Handy zu entsperren

Ein Mann aus Bayern wehrte sich beim Landgericht Ravensburg dagegen, dass die Polizei seinen Fingerabdruck genommen hatte, um sein Mobiltelefon zu entsperren. Doch das Gericht sieht das Vorgehen als verhäĺtnismäßig an.

Fingerabdruck schwarz/weiß
Eine Fingerabdruck-Sperre schützt Smartphones nicht vor polizeilichem Zugriff. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Design Pics

Wer sich mit Sicherheit auskennt, weiß es schon lange: Fingerabdrücke und Gesichtsbiometrie mögen zwar praktisch sein um ein Smartphones zu entsperren. Aber sicher sind sie nicht. Denn man kann einfach dazu gezwungen werden, das Gerät mit seinem Gesicht oder Finger zu entsperren. Die Polizei darf das allerdings nicht direkt auf dem Gerät.

Deswegen hat sie in Bayern offenbar den Umweg über eine erkennungsdienstliche Behandlung genommen. Ein wegen Betäubungsmitteln Beschuldigter hatte sich bei der Polizei geweigert, sein Handy zu entsperren. Er war nicht bereit seinen Finger auf den Sensor des Handys zu legen. Ein Ermittlungsrichter ordnete dann nach § 81b Abs. 1 StPO an, dass dem Beschuldigten Fingerabdrücke abgenommen werden. Mit diesen entsperrte die Polizei selbst das Handy, um an die Daten zu gelangen.

Der Mann wehrte sich mit einer Beschwerde vor dem Landgericht Ravensburg. Doch dieses erklärte die Maßnahme des Amtsgerichts für zulässig, weil das Gesetz „technikoffen“ formuliert sei. In dem auf einem Anwaltsblog dokumentierten Beschluss des Gerichts heißt es:

Bei dieser Maßnahme handelt es sich sicherlich nicht um den klassischen Fall, welcher dem Erlass des § 81b Abs. 1 StPO zugrunde lag. Dem historischen Gesetzgeber lag vielmehr die Vorstellung zugrunde, die festgestellten Fingerabdrücke mit den Tatortspuren oder den Abdrücken einer Kartei zu vergleichen, um damit einen Tatnachweis führen zu können (Bäumerich, NJW 2017, S. 2718 (2721), m.w.N.). Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber dies nicht in der Deutlichkeit in den Gesetzeswortlaut aufgenommen hat. Vielmehr formulierte er den Gesetzeswortlaut offen, in dem er als Auffangterminus „ähnliche Maßnahmen“ verwendet. [..] Durch die offene Formulierung wird erreicht, dass sich der statische Gesetzeswortlaut an den jeweiligen Stand der Technik anpasst (vgl. Rottmeier/Eckel, NStZ 2020, S. 193 (194)).

Das Gericht hält die Abnahme des Fingerabdrucks zum Entsperren eines Mobiltelefons in Strafverfahren für notwendig und verhältnismäßig. Das Grundrecht des Beschuldigten auf informationelle Selbstbestimmung bleibe hinter dem Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Strafrechtspflege zurück.

Rechtsanwalt Udo Vetter kommentiert in seinem Lawblog: „Natürlich war die Vorschrift nie und nimmer dafür gedacht, biometrische Sperren zu umgehen. Als sie in Kraft trat, war das Leben noch 100 % analog, und es ging um den Vergleich von Tatortspuren oder Identifizierung von Personen.“

Vetter geht davon aus, dass das Urteil schnell die Runde machen wird und empfiehlt schon einmal: „Wer vorausschauend denkt, deaktiviert die Fingerabdrucksperre. Ein Passwort muss man in Deutschland bislang nicht herausgeben. Auch kann man nicht gezwungen werden, ein Entsperrmuster zu zeichnen.“


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