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KW 8: Die Woche, in der Ungarn uns fertig macht

Die 8. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 16 neue Texte mit insgesamt 417.695 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.

CC-BY 4.0 Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Leser:innen,

wenn ich an Ungarn denke, fällt mir Weihnachten ein. Mit der Familie geht die Reise nach Budapest, irgendwann um den 20. Dezember. Wir kaufen in der Konditorei Szamos acht Stangen Bejgli, das traditionelle Weihnachtsgebäck, besuchen Freund:innen und Familie, spazieren auf den Hügeln von Buda und fahren vielleicht noch eine Runde mit dem Kinderzug – eine Ausflugslocation, wie sie sich Wes Anderson nicht besser hätte ausdenken können.

Das ist mein Ungarn. Es ist schön dort. Und es ist zunehmend schwer zusammenzubringen mit dem anderen Ungarn, über das ich in den Medien lese und selbst immer ungläubiger berichte.

In diesem anderen Ungarn hat die Fidesz-Regierung von Viktor Orbán inzwischen verboten, dass an öffentlichen Universitäten Gender Studies gelehrt werden. Rassistische und antisemitische Verschwörungstheorien wie die um den jüdisch-ungarischen Milliardär George Soros gehören dort zur Regierungspolitik. Die Regeln für Asyl sind so hart, sie verstoßen gegen die Gesetze der EU. Und wenn Journalist:innen und politisch Aktive – von denen gibt es inzwischen zum Glück viele – vom Staat abgehört werden, haben sie keinerlei rechtliche Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren.

Dieses andere Ungarn ist in meinen Augen ein Horror-Staat. Ein dystopischer Ort, von dem ich kaum fassen kann, dass er zur Europäischen Union gehört (oder dass man dort so gute Torte essen kann). Und in dieses andere Ungarn gab es diese Woche wieder mal drastische Einblicke. Eine Delegation aus dem EU-Parlament war nach Budapest gereist, um die erwähnten Abhörskandale zu untersuchen. Die EU-Abgeordneten hatten auch die Justizministerin Judit Varga um ein Treffen gebeten. Doch statt eines Terminvorschlags schickte sie wüste Beschimpfungen. Auf Facebook nannte sie die Untersuchung eine Farce und den Besuch „eine von Soros finanzierte Aufführungen der Linken“.

Ungarn war nicht das einzige Land, aus dem die Delegation eine Abfuhr bekam. Auch in Polen, wo ebenfalls Pegasus gegen Kritiker:innen zum Einsatz kam, wollten sich keine Regierungsvertreter:innen mit den Abgeordneten treffen. Doch immerhin verkniffen sich die Politiker:innen dort eine direkte Beleidigung. Die hetzerische Verschwörungserzählung der ungarischen Ministerin zeigt, wie weit sich Ungarns Regierung von den Werten der EU inzwischen entfernt hat.

Wie ist aus dem Land meiner Kindheit nur dieses „hybride System der Wahlautokratie“ geworden, in dem Grundlagen der Rechtsstaatlichkeit abgeschafft werden? Und wie ist das für die Menschen, die dort täglich damit leben?

Inzwischen verbringen wir unsere Weihnachten nicht mehr in Ungarn, aber ich fahre immer noch gerne dorthin. Ich schätze die hervorragenden Süßspeisen und die Budapester Kneipen. Und nichts freut mich mehr als zu sehen, wie sich überall Widerstand formiert. Die Menschenrechtsorganisationen, die weiter für die Grundrechte kämpfen, die verbleibenden unabhängigen Redaktionen wie Direkt36 oder Telex, die der Regierung weiter die Stirn bieten (beide sind wie auch netzpolitik.org spendenfinanziert). Sie sorgen dafür, dass ich mein Ungarn und dieses andere Ungarn noch halbwegs zusammen bekomme.

Das Rezept für Bejgli findet ihr übrigens in diesem Internet. Ein gutes Wochenende mit gutem Gebäck wünscht euch

Chris


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