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Transparenz: Digitalauschluss im Bundestag

Der Digitalausschuss wird auch unter der Ampel-Koalition nicht standardmäßig öffentlich tagen. Weil zu wenig technische Kapazitäten im Bundestag vorhanden sind, könnte der Livestream sogar ausfallen, wenn der Ausschuss doch mal Öffentlichkeit will. Kritik am Beschluss kommt von der Linken.

Tür, die mit einer Kette und einem Vorhängeschloss gesichert ist.
Die Ampel will die Tür zum Digitalausschuss nur manchmal öffnen. (Symbolbild) Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Sheldon Kennedy

Der Digitalausschuss hat in der vergangenen Woche mit den Stimmen aller Fraktionen – außer der Linkspartei – beschlossen, dass der Ausschuss standardmäßig hinter verschlossenen Türen tagt und öffentliche Sitzungen nur auf Antrag stattfinden. Das ist die restriktivste Variante, die laut der neuen Geschäftsordnung des Bundestages möglich ist. Die offenste wäre gewesen, dass man standardmäßig öffentlich tagt, aber für einzelne Sitzungen oder Themen jeweils abstimmt, dass sie nicht-öffentlich sind. Andere Ausschüsse wie die für Familie oder Medien sind in den grundsätzlich öffentlichen Modus übergegangen.

Anke Domscheit-Berg, die für die Linken im Ausschuss sitzt, ist empört: „Nicht einmal eine Debatte über so ein wichtiges Thema zu führen, ist eine Verhöhnung demokratischer und parlamentarischer Prozesse. Dafür sollten sich alle Bundestagsabgeordneten schämen, die an dieser Sitzung teilgenommen und diesen Vorgang widerspruchslos toleriert und dabei mitgemacht haben“, so Domscheit-Berg.

„Geopolitisch herausfordernde Situation“

Die anderen Fraktionen versuchen abzuwiegeln. Volker Redder von der FDP begründet die Entscheidung unter anderem mit der „geopolitisch herausfordernden Situation“, man habe es im Digitalausschuss zunehmend mit sicherheitspolitisch hochsensiblen Themen zu tun. Redder verweist zudem darauf, dass die Ampel ja in anderen Ausschüssen grundsätzlich Livestreams anbiete, diese könne man als „Feldversuche“ sehen.

Die oppositionellen Union hat dem Modus zugestimmt, schiebt die Sache aber der Ampel zu. Sie halte mehr Öffentlichkeit gerade beim Ausschuss für Digitales für einen guten Ansatz, sagt Ronja Kemmer von der CDU. Der Wunsch nach mehr Öffentlichkeit sei unter den Fraktionen zum Ende der letzten Legislaturperiode weitgehend Konsens gewesen. „Offensichtlich haben aber die Fraktionen der Ampel-Regierung, die damals noch nach mehr Öffentlichkeit des Ausschusses gerufen hatten, ihre Meinung geändert, seit sie die Bundesregierung stellen“, so Kemmer weiter.

Jens Zimmermann von der SPD ist der Meinung, dass man sich „nicht gegen Öffentlichkeit oder Transparenz ausgesprochen“ habe. Für den Austausch und die Suche nach Kompromissen sei aber der geschützte Raum notwendig. Man habe außerdem beschlossen, dass in deutlich größerem Umfang als bisher einzelne Tagesordnungspunkte öffentlich beraten werden. Über diese wird in jedem Einzelfall entschieden.

Begrenzte Kapazitäten für Livestreams

Ähnlich äußert sich auch die Ausschussvorsitzende Tabea Rößner. Sie sagt gegenüber netzpolitik.org, dass sie sich persönlich einen grundsätzlich öffentlich tagenden Ausschuss gewünscht hätte. Man habe sich „mehrheitlich darauf verständigt, künftig für mehr Tagesordnungspunkte die Öffentlichkeit zuzulassen“, so Rößner.

Doch das könnte organisatorisch schwierig werden, denn hinzu kommt laut Domscheit-Berg ein weiteres Problem: Die technischen Ressourcen für Livestreams im Bundestag sind begrenzt. Wer standardmäßig öffentlich tagt, der wird auch für einen Livestream eingeplant. Entscheidet sich ein nicht-öffentlicher Ausschuss ausnahmsweise öffentlich zu tagen, könnte es zu Engpässen kommen.

Tabea Rößner sagt dazu: „Die Bereitschaft, einzelne Tagesordnungspunkte öffentlich zu stellen, steht und fällt aber auch mit der technischen Ausstattung des Bundestags. Im Moment sind nur begrenzte Kapazitäten für die Übertragung der Ausschusssitzungen im Internet vorhanden.“ Man habe dazu den zuständigen Stellen die Bitte angetragen, „mehr Kapazitäten für die Übertragung zu schaffen, damit wir auch kurzfristig Sitzungen oder einzelne Tagesordnungspunkte öffentlich beraten und per Livestream im Internet übertragen können.“

„Parteigrenzen aus Beton“

Domscheit-Berg sagt, dass sie „grenzenlos enttäuscht“ sei: „Die Ampel schottet sich ab und spottet damit ihrer eigenen großspurigen Ankündigungen Hohn, die mir selbst einmal Hoffnung waren“. Mehrfach habe die Ausschussvorsitzende Tabea Rößner von den Grünen angekündigt, dass der Digitalausschuss besonders öffentlich sein solle. Sie sieht die Entscheidung im Widerspruch zum Koalitionsvertrag und der Digitalstrategie der Bundesregierung, in der von einer Einbindung der digitalen Zivilgesellschaft die Rede ist.

„Partizipation unter Ausschluss von Informationen geht aber nicht und findet ja auch sonst mit der Ampel nur in homöopathischen Dosen statt“, so Domscheit-Berg. Sie habe gedacht, der Digitalausschuss sei irgendwie anders, die Partei- und Regierungsgrenzen nicht so aus Beton und ein gemeinsames Streiten für eine fortschrittliche und offenere Politik möglich.

Für Rößner ist hingegen auch die Geschäftsordnungskommission verantwortlich dafür, dass ausgerechnet der Digitalausschuss nicht standardmäßig öffentlich tage. Sie sei in dessen Entscheidung nicht „unmittelbar“ einbezogen worden. „Im Ergebnis haben sich die Parlamentarischen Geschäftsführungen der Fraktionen von SPD, FDP und Grünen, auf andere Ausschüsse geeinigt“, sagt Rößner. „Aus grüner Sicht muss die jetzige Entscheidung nicht für den Rest der Wahlperiode in Stein gemeißelt sein.“

„Peinlich und feige“

Domscheit-Berg sieht noch andere Gründe. Sie fragt sich, warum gerade digitale Themen, an denen das öffentliche Interesse besonders hoch ist, weil sie so viele Menschen betreffen, bei einer „Fortschrittskoalition“ hinter verschlossenen Türen verhandelt werden sollen. „Das ist peinlich und offensichtlich einfach feige, denn als Grund kann ich mir nur vorstellen, dass man fürchtet, die Öffentlichkeit könnte mehr mitbekommen vom digitalpolitischen Versagen der Koalition.“


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