Der Erfolg des dezentralen Fediverse weckt finanzielle Begehrlichkeiten. Der Mastodon-Erfinder Eugen Rochko hat schon mehrere Investoren abgelehnt. Doch auch woanders versuchen Player mit Geldinteressen in das alternative soziale Netzwerk vorzudringen.
Der Mastodon-Gründer Eugen Rochko hat laut einem Bericht der Financial Times (FT) mehr als fünf Avancen von Investoren in letzter Zeit abgelehnt. Laut Rochko soll es sich jeweils um Angebote in Höhe von „mehreren Hunderttausend Dollar“ gehandelt haben. Mastodon ist Teil des dezentralen Fediverse und hat als alternatives soziales Netzwerk seit der Übernahme von Twitter durch Elon Musk enormen Zulauf erfahren.
Rochko sagt gegenüber der FT, dass der gemeinnützige Status der Plattform „unantastbar“ sei. Der Programmierer ist Geschäftsführer der gemeinnützigen Mastodon gGmbH, die sich laut Handelsregister „die Förderung von Wissenschaft und Forschung, insbesondere auf dem Gebiet der Informatik“ sowie „die Förderung der Volks- und Berufsbildung, insbesondere auf dem Gebiet der Digitalisierung und Anwendung moderner Software“ auf die Fahnen geschrieben hat. Dem Unternehmen gehört die Wortmarke Mastodon, Rochko betreibt zudem die große Instanz Mastodon.social. Die Software selbst steht unter einer Open-Source-Lizenz.
Im Bericht sagt er, dass die Unabhängigkeit von Mastodon und die Auswahl an Moderationsstilen auf den verschiedenen Instanzen einen Teil der Attraktivität ausmache. „Mastodon wird sich nicht in all das verwandeln, was man an Twitter hasst“, so Rochko. „Die Tatsache, dass es an einen umstrittenen Milliardär verkauft werden kann, die Tatsache, dass es abgeschaltet werden kann, in Konkurs gehen kann und so weiter. Das ist der Unterschied in den Paradigmen.“
Derzeit finanziert sich die Mastodon gGmbH über ein Patreon-Unterstützungsmodell, mit dem von 8.500 Nutzer:innen derzeit knapp 30.000 Euro im Monat zusammen kommen. Andere Instanzen sammeln bei ihren Nutzer:innen Geld ein, um laufende Kosten wie Server, aber auch in Zukunft Moderationskräfte zu bezahlen. Hält der Erfolg an, dürfte sich allmählich ein heterogenes Finanzierungsmodell von Vereinen über öffentlich-rechtliche Träger bis hin zu Unternehmen entwickeln. Hinzu könnten Institutionen und Firmen kommen, die mit Apps und ähnlichem ihr Geld verdienen.
Die K-Frage
Tatsächlich scheint die grundsätzlich offene und dezentrale Struktur des Fediverse als Ganzes schwierig angreifbar zu sein, denn es gibt aufgrund der Architektur immer die Möglichkeit, einen eigenen Server aufzusetzen. Damit löst es das lange herbeigesehnte Versprechen ein, eine gemeinwohlorientierte Alternative zu kommerziellen Diensten zu bieten.
Dass mit dem zunehmenden Erfolg auch kommerzielle Interessen im Fediverse eine Rolle spielen, ist aber auch klar. Zuletzt hatten Investoren zum Beispiel die große umstrittene japanische Mastodon-Instanz Pawoo gekauft, berichtete der Guardian. Auch andere kommerzielle Player drängen in den Markt. So will das mittlerweile zu Automattic gehörende Tumblr sich an das Fediverse „anschließen“.
Der US-Techblogger Mike Masnick, der sich seit Jahren für internetprotokollbasierte soziale Netzwerke stark macht, bewertet den Einstieg von finanzkräftigen Institutionen ins Fediverse nicht als grundsätzlich schlecht. So könnten die Pläne des Firefox-Entwicklers Mozilla, bald selbst eine Instanz anzubieten und auch die Anbindung von Tumblr an das Fediverse dort zu einer Art „GMail-Moment“ führen. Masnick meint damit, dass der Zugang und der Komfort zu einer Technologie einfacher werden könnte.
Derzeit gebe es noch die initiale Hürde, sich eine Instanz zu suchen, was manche Menschen abschreckt: „Ein paar ‚Mainstream‘-Instanzen zu haben, an die neue Benutzer verwiesen werden können, scheint wirklich nützlich zu sein“, so Masnick weiter. Es sei auch gut, wenn größere Firmen rund um das von Mastodon genutzte Protokoll ActivityPub mitentwickeln würden.
Derzeit hat Mastodon etwa 2,5 Millionen monatliche Nutzer:innen, Tendenz steigend.
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