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Innenministerkonferenz: Für die Vorratsdatenspeicherung, gegen „radikale“ Klima-Aktivist:innen

Die Innenminister:innen von Bund und Ländern fordern unisono die anlasslose Vorratsdatenspeicherung. Außerdem wollen sie härter gegen Klima-Aktivist:innen vorgehen. Die Sicherheitsbehörden des Bundes sollen dazu ein umfassendes Lagebild erstellen.

Bundesinnenministerin Nancy Faser (SPD) und der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei der Pressekonferenz am 2. Dezember 2022 in München
Seit an Seit: Bundesinnenministerin Nancy Faser (SPD) und der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU). – Alle Rechte vorbehalten Sebastian Widmann

Zum Abschluss ihrer dreitägigen Konferenz in München haben die Innenminister:innen von Bund und Ländern ihre konservative Linie bekräftigt. Auf der Agenda standen unter anderem die Neuregelung der Speicherung von IP-Adressen und die Proteste „radikaler Klima-Aktivisten“ – also jener Menschen, die mithilfe von zivilem Ungehorsam mehr Maßnahmen gegen die Klimakatastrophe einfordern.

Bei der abschließenden Presse-Konferenz am Mittag zeigte sich Bundesministerin Nancy Faeser (SPD) erfreut, dass sich die Innenministerkonferenz (IMK) einstimmig für die Speicherung von IP-Adressen ausgesprochen hat. Das wird den Konflikt um die anlasslose Vorratsdatenspeicherung innerhalb der Ampel-Koalition weiter anheizen.

Die Ministerin verwies auf das von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) präferierte Quick-Freeze-Verfahren. Dieses stelle aus Sicht Faesers nur eine „Methodik“ dar, die jedoch notwendigerweise auf die Speicherung von IP-Adressen angewiesen sei, um Täter:innen schwerer Verbrechen zu ermitteln. Einige Provider würden hierzulande derzeit „gar nichts mehr“ speichern, was sich daher ändern müsse. Die Sozialdemokratin ist nach eigenen Angaben optimistisch, dass sich die Bundesregierung „bald“ einigen werde. Wie ein Kompromiss aussehen könnte, ließ sie allerdings offen.

Faeser vs. Buschmann

Der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) erteilte dem Quick-Freeze-Verfahren ebenfalls eine Absage, weil es „keinen Erfolg“ verspreche. Stünden den Behörden hingegen IP-Adressen zur Verfügung, erhöhe sich der Ermittlungserfolg, so Beuth. Daher seien die Länder übereingekommen, dass sie die Bundesministerin „sehr unterstützen in ihren Bemühungen, gegenüber dem Justizminister zum Erfolg zu kommen“.

Damit dürften sich die Fronten in der Ampel-Koalition bei diesem Thema weiter verhärten. Erst vor gut drei Wochen hatten sich die Justizminister:innen der Länder noch gegen eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen und damit Buschmann den Rücken gestärkt.

Wenige Tage zuvor hatte der Bundesjustizminister einen Entwurf für das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren vorgelegt, das der vom Europäischen Gerichtshof abgelehnten Vorratsdatenspeicherung nachfolgen soll. Der Entwurf sieht vor, dass Telekommunikationsanbieter künftig Verkehrsdaten mit möglichem Bezug zu Straftaten einen Monat lang speichern müssen, damit Ermittlungsbehörden sie nutzen können.

Bundesinnenministerin Faeser spricht sich hingegen schon seit längerem für die massenhafte, anlasslose Speicherung von IP-Adressen aus – ungeachtet klarer Absagen durch den Europäischen Gerichtshof und obwohl der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP eine solche Speicherung für die Zukunft dezidiert ausschließt.

Klima-Aktivist:innen als „kriminelle Vereinigung“ im Visier

Ähnlich geeint wie bei der Vorratsdatenspeicherung zeigte sich die IMK bei der Bewertung „radikaler“ Klima-Aktivist:innen. Die Innenminister:innen von Bund und Länder entschieden, die Aktivist:innen stärker beobachten zu lassen. Sie forderten die Sicherheitsbehörden des Bundes auf, ein bundesweites Lagebild zu deren Blockade-Aktionen zu erstellen.

Beuth sagte, die Gesellschaft werde durch die „politischen Erpressungsversuche“ der „radikalen, sogenannten Aktivisten […] gegängelt und genötigt“. Weil dies kein friedlicher Protest mehr sei, müssten die Sicherheitsbehörden prüfen, ob es sich bei den Aktivist:innen um eine „kriminelle Vereinigung“ handele, „die arbeitsteilig und bundesweit organisiert vorgeht“.

Im Fadenkreuz der Verdrängungsgesellschaft

Dafür setzt sich auch Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) ein. Er sagte bereits gestern der Leipziger Volkszeitung, dass die Strafverfolgungsbehörden klären müssten, ob bei den Klimaprotesten „netzwerk- oder gruppenartige Strukturen“ vorlägen und „wer die Steuerung“ innehabe. „Wenn sich sogenannte Aktivisten an Kunstschätze oder auf Straßen oder auch auf Landebahnen kleben […], sind das schwerwiegende Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit.“ Die Politik müsse daher „vor die Lage“ kommen.

Ins gleiche Horn stieß Schusters bayerischer Amtskollege Joachim Hermann. Er bezeichnete die Letzte Generation als „straffe Organisation“ und verteidigte zudem die Präventivhaft, auch wenn diese „die Ausnahme“ bleiben werde, wie er auf der heutigen Pressekonferenz sagte, etwa wenn Leib und Leben gefährdet seien.

Bayern geht im bundesweiten Vergleich massiv gegen den zivilen Ungehorsam der Klima-Aktivist:innen vor. Zuletzt waren 19 von ihnen ohne Gerichtsverfahren für fast zwei Wochen in Präventivhaft genommen worden, um weitere Straßenblockaden zu verhindern. Möglich macht dies das umstrittene Polizeiaufgabengesetz, das härteste Polizeigesetz seit 1945. Die letzten der inhaftierten Aktivist:innen kamen am vergangenen Wochenende frei.


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