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EU-Bürgerbeauftragte: EU-Überwachungshilfen gefährden Menschenrechte

Fördergelder aus einem EU-Nothilfe-Fonds fließen unter anderem in Überwachungstechnologien für repressive Regime und Institutionen, die Menschen an der Flucht nach Europa hindern. Die EU prüft die Folgen für die Menschenrechte nicht genau genug, hat die EU-Bürgerbeauftragte jetzt entschieden.

Migrant*innen auf einem Boot der libyschen Küstenwache
Auch die libysche Küstenwache erhielt Fördergelder von der EU (Symbolbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Xinhua

Die Europäische Union stellt den Schutz der Menschenrechte bei der Ausfuhr von Überwachungstechnologie nach Afrika nicht ausreichend sicher. Das hat die Europäische Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly nach einer einjährigen Untersuchung festgestellt. Die Entscheidung folgte auf eine Beschwerde, die sechs Menschenrechts- und Flüchtlingshilfeorganisationen letztes Jahr eingelegt hatten.

Es geht um Projekte, die durch den Nothilfe-Treuhandfonds der EU für Afrika (EUTFA) unterstützt werden. Zu den offiziellen Zielen des Fonds zählt es, Fluchtursachen zu bekämpfen und für mehr Stabilität in Regionen zu sorgen, die etwa unter extremer Armut, schwacher sozialer und wirtschaftlicher Infrastruktur oder Umweltkatastrophen leiden. So unterstützt der Fond unter anderem Schulen im Sudan oder nachhaltige Landwirtschaft in Ghana.

Weniger sichtbar ist der Aufbau von Überwachungsinfrastrukturen, die der Fond finanziert. Denn viele der vom EUTFA geförderten Projekte haben mit der Bekämpfung von Fluchtursachen wenig zu tun, sondern zielen darauf ab, Menschen an der Flucht zu hindern.

EU finanziert Überwachungstechnologien in Afrika

Eine Recherche der britischen Menschenrechtsorganisation Privacy International ergab, dass 11,5 Millionen Euro aus dem Fond für die Anschaffung von Überwachungstechnologien wie Drohnen, Videokameras und IMSI-Catcher in den Niger flossen. Die dortigen Gesetze geben der Regierung sehr weitreichende Befugnisse zur Überwachung der nigerischen Einwohner*innen.
Das westafrikanische Land gilt als Knotenpunkt für Migrationsbewegungen in Afrika.

Libyen erhielt mehr als 42 Millionen Euro für Patrouillenboote, SUV-Fahrzeuge und Funk-Satelliten-Kommunikationsgeräte zur Bekämpfung illegaler Migration. Das Geld fließt auch in Training und materielle Unterstützung für die sogenannte libysche Küstenwache. Diese fängt Boote mit Menschen ab, die versuchen, über das Mittelmeer nach Europa zu flüchten, und arbeitet dabei mit der EU-Grenzschutzbehörde Frontex zusammen. Zurück in Libyen landen die Geflüchteten oft in Gefängnissen, in denen ihnen Folter und Tod drohen.

Insgesamt 75 Projekte für „verbessertes Migrationsmanagement“ werden durch den EUTFA gefördert, mit einem Budget von fast 1,5 Milliarden Euro. Etwa die Hälfte der Gelder floss in nordafrikanische Länder, der Rest hauptsächlich in das Horn von Afrika und in die Sahelzone.

EU-Kommission vernachlässigt Menschenrechte

Die EU-Bürgerbeauftragte stellt sich in ihrer Entscheidung nicht grundsätzlich gegen die Förderung von Überwachungstechnologien. Allerdings bemängelt sie, wie die EU-Kommission die Folgen der Projekte für die Menschenrechte bewertet. Die Projekte würden in Staaten umgesetzt, die große Probleme mit der Staatsführung und in vielen Fällen eine schlechte Menschenrechtsbilanz hätten.

Zwar gibt es einen mehrstufigen Genehmigungsprozess, in diesem würden die Menschenrechte aber oft kaum behandelt. O’Reilly empfiehlt daher, in Zukunft für jedes Projekt eine Bewertung der menschenrechtlichen Folgen verpflichtend zu machen. Dazu könnte das Antragsformular für neue Projekte überarbeitet werden. Sollten Gefahren für die Menschenrechte bestehen, müsse die Kommission auch Maßnahmen vorschlagen, um diese zu minimieren.

Für die Organisationen, die die Beschwerde eingelegt hatten, sind das gute Nachrichten: „Die laufenden Überwachungstransfers der EU an autoritäre Regime in Afrika und anderswo können nicht so weitergehen wie bisher“, kommentiert Marwa Fatafta von Access Now die Entscheidung. Homo Digitalis fordert zusätzlich konkrete Mechanismen von der Kommission, um auf Menschenrechtsverstöße im Rahmen von EUTFA-Projekten zu reagieren. Nur Formulare zu überarbeiten reiche dafür nicht aus.

Ob die EU-Kommission die Empfehlungen aufgreifen wird, bleibt abzuwarten. Vorschläge der Bürgerbeauftragten sind nicht verpflichtend, allerdings muss die Kommission innerhalb von drei Monaten Stellung nehmen. Zwei ähnliche Beschwerden der selben Organisationen gegen Frontex und den Europäischen Auswärtigen Dienst laufen aktuell noch.


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