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Digitalstrategie: Zivilgesellschaft mal wieder außen vor

Mit wem führten die Ministerien Gespräche zur Digitalstrategie? Eine vollständige Antwort fällt der Regierung schwer. Doch klar wird: Die digitale Zivilgesellschaft sucht man lange. Dafür gab es mehrere Treffen mit Wirtschaftsakteuren.

Volker Wissing (FDP), bei der Kabinettsklausur der Bundesregierung
Die Zivilgesellschaft muss draußen bleiben. (Symbolbild) – Alle Rechte vorbehalten MAGO / photothek

„Die Zivilgesellschaft binden wir besser in digitalpolitische Vorhaben ein“ – das hatten sich SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen. Der Grundstein für diese Vorhaben der Ampel-Regierung ist die Digitalstrategie. Sie wurde Ende August im Rahmen der Kabinettsklausur vorgestellt, Kritik folgte prompt: Es stünde zu sehr Wirtschaftliches im Fokus und zu wenig gesellschaftliche Visionen.

Doch wie viel Zivilgesellschaft – und wer sonst – war an der Digitalstrategie eigentlich beteiligt? Das wollte die linke Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg wissen und fragte nach entsprechenden Terminen des Kanzleramts sowie von Digital-, Justiz, Innen- und Wirtschaftsministerium mit Interessensvertreter:innen.

Industrieverbände und Automobilbranche

Eine Antwort darauf fällt dem Digitalministerium offensichtlich schwer. Es nennt 19 entsprechende Kontakte für das eigene Haus und jeweils einen für die Häuser von Wirtschaftsminister Robert Habeck und Innenministerin Nancy Faeser. Das müsse jedoch nicht vollständig sein, schränkt das BMDV ein: „Es kann insbesondere nicht ausgeschlossen werden, dass es am Rande von Veranstaltungen oder sonstigen Terminen zu weiteren Kontakten gekommen ist“, heißt es in der Antwort.

Interessensvertretung kann vieles heißen: Das können Wirtschaftsverbände sein ebenso wie zivilgesellschaftliche Initiativen oder Einzelpersonen. Domscheit-Berg hakte nach und fragte, mit wem die Termine stattgefunden hätten. Die Aufzählung, die sie erhält, dominieren eindeutig Wirtschaftsvertretungen. Drei Termine mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) stehen zum Beispiel auf der Liste, zwei Gespräche mit dem Beratungskonzern Oliver Wyman, einer mit dem Autoteilezulieferer ZF Group.

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Fragestellerin Domscheit-Berg ist enttäuscht: „Nach der Veröffentlichung des Koalitionsvertrages der Ampel-Regierung hatte ich Hoffnung, dass der Lobbykratie der Großen Koalition Grenzen gesetzt werden und die Zivilgesellschaft mehr Einfluss auf die politische Willensbildung erhält“, sagt die Digitalpolitikerin gegenüber netzpolitik.org. Aber bei der Digitalstrategie habe fast nur die Wirtschaft mitreden können. Zumindest laut dem, was man der Auflistung entnehmen kann.

„18 Mal durften BDI, Einzelunternehmen wie Automobilzulieferer und diverse Industrieverbände dem BMDV ihre Wünsche zur Digitalstrategie mitteilen und nur ein einziges Mal hatte mit der Initiative D21 ein Verein dazu die Möglichkeit“, so Domscheit-Berg. Der sei zumindest „partiell mit der Zivilgesellschaft verbunden“, auch wenn vor allem Unternehmen oder Beratungsfirmen Mitglieder seien.

„Beteiligungshomöopathie“

Die Digitalexpertin für die Linken nennt das „ Beteiligungshomöopathie“. „Kein einziger Verein der digitalen Zivilgesellschaft wurde auch nur einmal angehört, null Mal: CCC, F5, D64, Digiges, Wikimedia, Open Knowledge Foundation, FIfF, EDRi, und Co.“ Daneben fehlen ihr weitere Stimmen, etwa von Sozial-, Senioren-, Behinderten- und Patientenverbänden.

Beim Blick in die Liste fällt auch auf, dass das Digitalministerium offenbar seine Beteiligung an Veranstaltungen als Termine mit Interessensvertretungen auflistet. So veranstaltete die Lebensmittelzeitung einen Strategietag „Digitale Zukunft“, auf dem ein Staatssekretär des BMDV eine Keynote hielt. Der Titel: „Deutschland braucht Tempo bei der Digitalisierung. Worauf sich Handel und Industrie einstellen können“.

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Eine weitere Keynote auf der clean-IT-Konferenz des Hasso-Plattner-Instituts ist ebenso aufgeführt, ebenso wie die Diskussionsteilnahme beim D21-Webkongress. Thema dort: „Beziehungsstatus Digitalisierung und Umwelt – es ist kompliziert“.

Kompliziert ist wohl auch die Beziehung des Digitalministeriums zur Zivilgesellschaft. Doch in der Digitalstrategie nimmt sich die Regierung erneut vor, sie besser einzubinden. Das muss sie nun tun. Denn Digitalvorhaben, bei denen das sinnvoll wäre, gibt es genug.


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