Die Organisator:innen der diesjährigen Konferenz „Bits & Bäume“ beschreiben, wie sich Digitalisierung aus ihrer Sicht „zukunftsfähig und nachhaltig“ gestalten lässt. Ihr Forderungskatalog liest sich wie der zivilgesellschaftliche Gegenentwurf zur Digitalstrategie der Bundesregierung.
Gleich im ersten Absatz ihres Forderungskatalogs formulieren 13 Organisationen ihren zentralen Anspruch: „Es braucht politische Veränderungen, damit die Digitalisierung besser zum drängenden sozialen und ökologischen Wandel beiträgt.“
Fünf Kernforderungen mit insgesamt 18 Einzelforderungen sollen diesen Wandel einleiten. Sie lesen sich wie ein Gegenentwurf zu den ebenfalls 18 „Leuchtturmprojekten“ in der Digitalstrategie der Ampel-Regierung.
Fünf Kernforderungen
Die fünf Kernforderungen sehen erstens vor, technologische Entwicklungen ökologisch und nachhaltig auszurichten. Dazu gehört unter anderem ein Recht auf Reparatur und eine Recyclingpflicht für Endgeräte, um Elektromüll zu reduzieren. Zudem brauche es verbindliche Umweltstandards, um etwa Betreiber:innen von Rechenzentren zu Klimaneutralität zu verpflichten.
Zweitens fordern die Organisationen, ein gerechtes und nachhaltiges Wirtschaftssystem einzuführen – in globaler wie regionaler Hinsicht. Ein Fokus liegt dabei auf der Landwirtschaft: Gerade hier müsse sich die Digitalisierung an ökologischen Zielen und den Bedürfnissen kleinbäuerlicher Landwirtschaft orientieren, statt an den Profitinteressen der Konzerne.
Drittens verlangen die Organisationen, die „Informations- und Datenmacht der Konzerne“ einzuschränken. Dafür sollen unter anderem Geschäftsmodelle verboten werden, die auf detailliertes Tracking oder auf Microtargeting aufbauen. Öffentliche Daten seien hingegen als Gemeingüter zu verstehen, nicht-kommerzielle Alternativangebote gezielt zu fördern.
Viertens soll sich die Digitalisierung an Gerechtigkeit und Frieden ausrichten. Frieden definiert das Bündnis weit: Zum einen will es bewaffnete Drohnen und digitale Waffen ächten, mit denen sich Menschen ausspähen oder digitale Infrastrukturen angreifen lassen. Zum anderen sei innergesellschaftlicher Friede ohne arbeitsrechtliche Mindeststandards und den entschiedenen Kampf gegen gesellschaftliche Diskriminierung nicht denkbar.
Fünftens müssten digitale Infrastrukturen „zuverlässig, sicher und vertrauenswürdig“ gestaltet sein. Dazu zählten unter anderem eine transparente digitale Verwaltung, verbindliche Mindeststandards für IT-Sicherheit sowie ein Recht auf Anonymität.
Digitalisierung am Gemeinwohl ausrichten
Der Forderungskatalog geht inhaltlich in vielerlei Hinsicht weit über die Digitalstrategie der Bundesregierung hinaus. Zwar überschneiden sich beide Papiere an einigen Stellen – etwa hinsichtlich einer verbesserten IT-Sicherheit, des Rechts auf Reparatur oder des Ausbaus des E-Governments. Vor allem aber die Forderungen der „Bits & Bäume“-Veranstalter:innen nach sozialer Gerechtigkeit, Ökologie und Teilhabe erweisen sich als kohärenter und weitsichtiger.
So wollen die Organisationen weit mehr, als „gemeinsam digitale Werte zu schöpfen“. Vielmehr verstehen sie Digitalisierung durchweg als gesamtgesellschaftlichen Prozess, der sich über wirtschaftspolitische Maßnahmen hinaus am Gemeinwohl orientiert – also an Menschenrechten, den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens und den Sustainable Development Goals – und dabei alle Betroffenen auf Augenhöhe aktiv einbezieht.
Kurzum: Der Forderungskatalog zeigt, wie eine „transformative, nachhaltige Digitalisierung“ aussehen könnte. Dabei ist den beteiligten Organisationen durchaus bewusst, dass ihr Papier nicht alle dafür erforderlichen Schritte abdeckt. Weitere Maßnahmen müsse man „gemeinsam mit der Expertise der Zivilgesellschaft“ entwickeln.
Die nächstbeste Gelegenheit dafür bietet die Konferenz „Bits & Bäume“ 2022, die vom 30. September bis 2. Oktober in Berlin stattfindet.
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