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Nach Umfragenskandal: Österreichs Behörden sollen Auftragsforschung offenlegen. Eigentlich. Vielleicht.

Ein Skandal um gefälschte Umfragen, die mit Staatsgeld bezahlt wurden, brachte Sebastian Kurz als Kanzler zum Fall. Nun soll eine Gesetzesänderung in Österreich Behörden zwingen, öffentlich finanzierte Studien und Umfragen offenzulegen. Die Transparenzmaßnahme hat aber einen Pferdefuß.

Amtsgeheimnis in Österreich
CC0 Montage netzpolitik.org

Es waren massive Vorwürfe, die Österreich im vorigen Herbst erschütterten – und eine Regierungskrise bescherten: Das Bundesfinanzministerium in Wien soll manipulierte Umfragen in Auftrag gegeben haben, die es dann in gekauften Zeitungsberichten in einem Boulevardblatt platzierte. Also öffentliches Geld für positive Presse. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seither, kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe trat Sebastian Kurz als Bundeskanzler zurück.

Die sogenannte Inseratenaffäre bot Anlass für eine Gesetzesänderung, die das österreichische Parlament – medial kaum beachtet – im Juli verabschiedete. Demnach müssen Behörden auf allen Ebenen ab dem 1. Januar 2023 „Studien, Gutachten und Umfragen, die sie in Auftrag gegeben haben, samt deren Kosten in einer für jedermann zugänglichen Art und Weise … veröffentlichen“. (Hier der Beschluss im Volltext.) Die Reform ist Teil eines Gesetzespakets, das die Finanzierung politischer Parteien transparenter gestalten soll.

Dass die neue Veröffentlichungspflicht für Studien und Umfragen bislang kaum Aufmerksamkeit in Österreich erfahren hat, hat vermutlich vor allem einen Grund: Sie war – auf Druck von SPÖ und NEOS – erst kurz vor Beschluss in das Gesetz aufgenommen worden, das knapp vor der parlamentarischen Sommerpause verabschiedet wurde. Die Regierung aus ÖVP und Grünen war auf die Stimmen der Opposition angewiesen, um die nötige Verfassungsmehrheit zu erhalten. Die Bestimmung ist künftig im Bundes-Verfassungsgesetz festgeschrieben.

„Sollte eine Selbstverständlichkeit sein“

Dass österreichische Behörden ihre Auftragsforschung nicht mehr geheim halten dürfen, wertet der NEOS-Abgeordnete Niki Scherak gegenüber netzpolitik.org grundsätzlich als Fortschritt gegenüber dem Status quo. „Es sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass der Staat Gutachten, Umfragen und Studien, die er mit Steuergeld in Auftrag gibt, zu veröffentlichen hat“, so Scherak.

Niki Scherak im österreichischen Parlament

Bislang haben österreichische Behörden Studienergebnisse gerne zurückgehalten, wenn diese nicht der Agenda der Regierungsparteien entsprachen. So verheimlichte die Landesregierung in Tirol 2019 die detaillierten Ergebnisse einer Studie, die die Sorgen der Bevölkerung über die negativen Folgen des Massentourismus belegen. Erst nach Monaten wurde die Studie auf Druck der Opposition veröffentlicht. In anderen Bundesländern sehe es ähnlich aus, sagt Scherak. Selbst rund 20 bis 30 Prozent der von der österreichischen Bundesregierung in Auftrag gegebenen Studien blieben bislang geheim, schätzt er gegenüber dem Magazin „Profil“.

Doch auch die neue Veröffentlichungspflicht hat einen Pferdefuß: Denn sie wird vom Amtsgeheimnis beschränkt, das der selbe Artikel des Bundes-Verfassungsgesetz festlegt. Die schwarz-grüne Koalition wollte das Amtsgeheimnis laut ihrem Regierungsprogramm eigentlich durch ein Informationsfreiheitsgesetz ersetzen. Dieses lässt bislang jedoch noch auf sich warten. Ein erster Gesetzesentwurf, den die Regierung im Februar 2021 vorgelegt hat, sieht immerhin die Pflichtveröffentlichung von Studien bei einem Auftragswert von über 100.000 Euro vor.

Eine Einschränkung des Amtsgeheimnisses wäre überfällig. Dieses genießt in Österreich Verfassungsrang und verhindert damit in den meisten Fällen, dass Behörden amtliche Informationen und Dokumente öffentlich verfügbar machen. Kein anderes Land Europas bietet so schwache rechtliche Rahmenbedingungen für den Zugang zu öffentlichen Informationen wie Österreich – das geht aus dem Global Right to Information Rating hervor, das jährlich von Transparenz-NGOs durchgeführt wird.

„Behörden bleibt viel Spielraum für Geheimhaltung“

Was bringt also eine Veröffentlichungspflicht für Studien und Gutachten, solange weiterhin das Amtsgeheimnis gilt? „Es bleibt den Behörden wohl relativ viel Spielraum, ob und wie sie etwaige Geheimhaltungsgründe auslegen“, sagt Mathias Huter vom Forum Informationsfreiheit. Huter und seine NGO kämpfen seit Jahren für die Abschaffung des Amtsgeheimnisses. Erfolge vor Gericht, die Huter und seine Mitstreiter:innen in den vergangenen Jahren einfuhren, schränkten die Wirkung des Amtsgeheimnis zwar in einigen Fällen ein. Doch an dem Prinzip, dass bislang in Österreich die meisten behördliche Informationen grundsätzlich geheim sind, konnten sie bislang nichts ändern.

Huter zweifelt daran, dass die neue Veröffentlichungspflicht tatsächlich mehr Transparenz bringt. Denn das Amtsgeheimnis böte weiterhin ausreichend viele Gründe, um eine Studie unter Verschluss zu halten. Dafür reiche etwa schon aus, dass sie die Handynummer des Studienautors nennt. Eine Behörde könne sich dann problemlos auf „den Datenschutz“ berufen, klagt Huter. Auch gebe es kein zentrales Register, in dem Behörden ihre Gutachten und Studien aufführen müssten. In vielen Fällen erfahre die Öffentlichkeit daher nicht einmal von deren Existenz. Außerdem müssten Behörden, die ihrer Veröffentlichtungspflicht nicht nachkommen, keinerlei Konsequenzen fürchten – denn das Gesetz sieht keine Sanktionen vor.

„Was wir brauchen ist ein Informationsfreiheitsgesetz nach internationalen Standards, keine faulen Kompromisse“, sagt Huter. Doch seit dem Frühjahr 2021 ruhen die Verhandlungen über das Gesetz und eine Abschaffung des Amtsgeheimnisses. „Trotz zahlreichen Ankündigungen ist seit eineinhalb Jahren nichts mehr passiert“, kritisiert der liberale Abgeordnete Scherak.

Fortschritte bei der Abschaffung des Amtsgeheimnisses sind in der Tat nicht in Sicht: Die zuständige Verfassungsministerin Karoline Edtstadtler von der konservativen Regierungspartei ÖVP verweigert weitere Gespräche zu dem Thema mit dem Verweis, die österreichischen Bundesländer würden eine Einigung blockieren.

Deren Bedenken gegen mehr Transparenz stärkte zuletzt auch Karl Nehammer, Edtstadtlers Parteikollege und Nachfolger von Sebastian Kurz im Bundeskanzleramt. Nehammer erklärte in seiner Rede auf dem ÖVP-Parteitag, Transparenz sei zwar wünschenswert, aber die Verwaltung dürfe „nicht durch Querulanten lahmgelegt werden“. Dass er seine Parteikolleg:innen in den Bundesländern überredet, ihren Widerstand gegen die Abschaffung des Amtsgeheimnisses aufzugeben, darf damit als unwahrscheinlich gelten.


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