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Bossware: Gewerkschaften warnen vor KI-Überwachung am Arbeitsplatz

Arbeitest du noch?

Als die Beschäftigte Reddit ansurft, öffnet sich ein Pop-up-Fenster. „Hallo, es scheint irgendwie ruhig zu sein. Arbeitest du noch“? Ein ähnliches Fenster ploppt auch auf, wenn ihre Tastatur und Maus zu lange stillstehen. Regelmäßig landen Screenshots ihres Bildschirms beim Chef, der immer weiß, ob sie gerade arbeitet oder nicht.

Mit diesem gruseligen Szenario wirbt die App „Time Doctor“ für sich. Was sie offeriert, ist leider nicht ungewöhnlich – zahlreiche Firmen bieten Software, mit denen Chefs ihre Mitarbeiter bei der Arbeit überwachen können. Solche Programme werden in den USA „Bossware“ genannt, in Anlehnung an schädliche Malware.

Screenshot
Die Überwachungssoftware „Time Doctor“ zeigt, welche mutmaßlich unproduktiven Dinge die Arbeitnehmer:in gemacht hat. - Alle Rechte vorbehalten Time Doctor

Zumindest elf solcher Angebote fand das Europäische Gewerkschaftsinstitut (ETUI) bei der Recherche für eine Studie, die nun erschienen ist. Die Lockdowns während der Covid-Pandemie haben die Nachfrage nach Spähsoftware verstärkt, heißt es darin.

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen die Gefahr, die vom Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und automatisierter Überwachungssoftware für Beschäftigte ausgeht. Sie zeichnet das Bild einer Arbeitswelt, in der Firmen ihre Mitarbeiter:innen auf Schritt und Tritt beobachten, um bedingungslos Produktivität einzufordern und Menschen automatisiert zu beurteilen.

Solche Überwachung sei klar rechtswidrig, sagt ETUI-Forscherin Aída Ponce Del Castillo. „Mit der Zunahme der Telearbeit setzen immer mehr Firmen penetrante Überwachungssoftware ein. Einige riskieren dies sogar ohne Rücksprache mit den Arbeitnehmern.“ Allerdings sei klar, dass dies im Widerspruch zur Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) stehe.

Gewerkschaften wollen „strengere Regeln“

Während Überwachung durch Arbeitgeber:innen rechtlich zumindest fragwürdig ist, fehlt es den zuständigen Behörden oft an Ressourcen und Expertise für den Beschäftigtendatenschutz. Dabei gibt es immer wieder spektakuläre Fälle. Etwa erhielt die deutsche H&M-Niederlassung für systematische Aufzeichnungen über das Privatleben ihrer Beschäftigten rund 35 Millionen Euro Strafe von der Hamburger Datenschutzbehörde. Überlegungen für ein eigenes Beschäftigtendatenschutzgesetz wurden in Deutschland aber immer wieder auf die lange Bank geschoben.

Die Studie des Gewerkschaftsinstituts spricht sich angesichts der Bedrohung speziell durch algorithmische Überwachung für eine Richtlinie für die Verwendung von KI in der Arbeitswelt aus. Auch der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) fordert „stärkere Regeln“ in diesem Bereich.

Enttäuscht zeigen sich die Gewerkschaften von einem Vorschlag der EU-Kommission zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz. Der Vorschlag der Kommission öffne den Missbrauch für anhaltenden Missbrauch von KI auf Kosten der Rechte der Beschäftigten, sagte EGB-Geschäftsführerin Isabelle Schömann. Das EU-Parlament müsse höhere Hürden für den Einsatz von KI am Arbeitsplatz setzen und die Einbindung der Beschäftigten verpflichtend machen.


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