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Linksklick: Willkommen im Sexismus-Sommer

Mit den großen Vor-Ort-Events der Gamesbranche taucht auch Sexismus wieder bei den Offline-Treffen auf. Wir reden zu wenig darüber. So bleiben muss das aber nicht.

Symboldbild - Verschiedene alte Computer
CC-BY-NC-SA 4.0 owieole

Wenn du diesen Text hier liest, ist die gamescom schon wieder vorbei: die größte Spielemesse Europas, die nach zwei Jahren pandemiebedingter Offline-Pause erstmals wieder zehntausende Menschen zum Spielen und Kennenlernen nach Köln eingeladen hat.

Wenn du diesen Text hier liest, haben vermutlich wieder viele Menschen bei Vor-Ort-Events Sexismus erfahren müssen. Gegen einen Fall sexueller Belästigung auf der gamescom-EntwicklerInnen-Konferenz devcom ging die Veranstaltung konsequent vor, die gamescom formuliert eine Safe-Space-Policy. Sexismus ist ein prominentes Thema bei Diskussionen.

Doch hier wie an anderen Orten in der digitalen und analogen Welt müssen wir fürchten, dass viele schweigen, wenn sie selbst belästigt, beleidigt oder bedrängt werden. Das ist eine unbequeme Wahrheit, die gerade die deutsche Spielebranche endlich akzeptieren muss. Denn nur ein Problem, das auch als solches erkannt wird, kann schließlich gelöst werden.

„Kenn ich nicht, gibt es nicht!“

Ich kann das Augenrollen als Reaktion auf die beiden vorigen Absätze bereits hören: Ich übertreibe, ich überdramatisiere, ich beschwöre Probleme, die es nicht gibt, ich verderbe den Spaß anderer. Und das sind keine ausgedachten Phrasen, sondern Kommentare und Nachrichten, die jeden Artikel über Sexismus und andere Missstände in der deutschen Spielebranche begleiten.

Die Angst vor einem gewaltigen Image-Schaden ist groß. Dabei ist in EntwicklerInnenkreisen weithin bekannt, dass natürlich – und leider – auch die Branche hierzulande seit Jahrzehnten ein Sexismusproblem mit sich herumschleppt. Das weiß, wer auf Events wie der gamescom oder auch in Podcasts aufmerksam zuhört. Das Problem ist nicht exklusiv für die Branche in den USA.

Einflussreiche Männer aus der Industrie, die junge Frauen in ihre Hotelzimmer locken. Gespräche über die „Fickbarkeit“ von Kolleginnen. Schlechtere Bezahlung für Frauen. Sexistische Kommentare im Arbeitsalltag. Körperliche Übergriffigkeiten auf Branchen-Events. Immer wieder Panels und Diskussionsrunden, bei denen ausschließlich Männer mit maximal einer Frau sitzen, die so tragischerweise eher zum Symbol des guten Willens verkommen.

In meinem Interview-Podcast „OK COOL trifft“ hatte ich erst kürzlich die Künstlerin Jasmin Habezai-Fekri zu Gast, die heute in London lebt und beeindruckende Artworks für Spiele zeichnet. Ihre Kunst ist mehrfach ausgezeichnet worden, ihre Karriere aber begann mit einer Sexismus-Erfahrung: Sie erzählt, wie sie als Teenagerin mit Freunden auf der gamescom am Stand von World of Tanks anstand, einer Panzersimulation. Als sie endlich an Reihe war, fragte sie der Standmitarbeiter mehrfach irritiert, ob sie als Mädchen hier wirklich richtig sei.

Nach einer längeren Diskussion durfte sie dann endlich spielen, wurde allerdings nach einer Runde wieder vom Stand geschickt. Ihre männlichen Freunde nicht. Aus Trotz schlug Jasmin ihre heutige Karriere ein, sagt sie. Ein glückliches Ende für eine traurige Geschichte.

Eine andere Gästin meines Podcasts führte jahrelang einen Nerdshop in München und erzählte mir, dass sie sich am Telefon bei Geschäftsgesprächen als Mann ausgab, um ernstgenommen zu werden. Als Frau, so hatte sie erfahren müssen, wurde ihr die Geschäftsführung nie zugetraut.

Diese und mehr Geschichten kursieren seit Jahrzehnten, werden herumgereicht mit einem „darüber müsste man eigentlich mal sprechen“. Ja, die Branche ist heute viel diverser, bunter, offener, transparenter als noch vor zwei Jahren, aber die alten Probleme haben es in die neue Ära hinüber geschafft. Das #MeToo der deutschen Spielebranche blieb trotzdem bisher aus. Warum?

Ein Grund: Weil die deutsche Spielebranche im internationalen Vergleich klein ist. Wichtige, große Auftraggeber kann man an zwei Händen abzählen und jeder kennt irgendwie jeden. So trauen sich Betroffene nicht, über ihre Erfahrungen zu sprechen. Organisierte, vertrauenswürdige Anlaufstellen fehlten bisher.

Mehr offene Augen und Ohren!

Sieben Menschen aus der deutschen Spielebranche wollen das nun ändern. Gemeinsam haben sie game:in gegründet, eine Initiative gegen Sexismus und Ungleichbehandlung in der Welt der Spieleentwicklung. Das Kollektiv hat auf seiner Website ein Werte-Manifest veröffentlicht, baut eine Datenbank für Speakerinnen aus der Branche auf und bietet via Discord Möglichkeiten zum Austausch, zur Vernetzung und auch zum direkten Gespräch für Betroffene.

Ein später, aber umso wichtigerer Meilenstein für die deutsche Branche. In den sozialen Netzwerken wird der erste Tweet des Kollektiv mit Kommentaren wie „Überfällig“ und „wichtiges Projekt“ geteilt. Kommentare, die erneut zeigen, wie dringend eine solche Anlaufstelle offensichtlich benötigt wird.

Trotzdem und weiterhin: Alle Menschen der Branche haben die Aufgabe, gegen Sexismus einzutreten. Das kann nicht alleine auf Initiativen wie game:in abgeschoben werden. Es gilt hinzuhören, aufmerksam zu sein, sein eigenes und das Verhalten der KollegInnen zu reflektieren.

Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis der Damm des Schweigens endlich bricht. Das Thema wird in der Berichterstattung häufiger aufgegriffen, Initiativen wie game:in oder auch die FemDevsMeetup gewinnen an Momentum. Was dann über die deutsche Branche hereinbricht, wird wahrscheinlich schmerzen, irritieren, bestürzen.

Sobald diese Flut aber vorüber ist, besteht die Hoffnung auf eine neue deutsche Branche, die alle ihre Mitglieder fair und respektvoll behandelt. Und wenn das schiefläuft, dann werden wir davon erfahren.


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