Mindestens 26 Staaten haben bislang bewaffnete Drohnen beschafft oder stellen diese selbst her. Elf von ihnen haben die Systeme bereits in grenzüberschreitenden Konflikten eingesetzt, neun Regierungen fliegen damit sogar Angriffe innerhalb ihrer eigenen Grenzen. Das berichtet die in London ansässige Organisation Drone Wars UK in ihrem jetzt erschienenen Jahresbericht.
Die Zählung enthält ausschließlich bewaffnete Drohnen mittlerer Höhe und langer Flugdauer (Medium Altitude Long Endurance – MALE), darunter etwa die die „MQ-9 Reaper“ aus den USA oder die türkische „Bayraktar TB2“. Nicht aufgeführt sind Staaten, die sogenannte Kamikazedrohnen (Loitering Munition) einsetzen. Diese auch bei NATO-Staaten immer beliebtere „herumlungernde Munition“ ähnelt einer Rakete, die vor dem Einschlag über ihrem Ziel kreisen kann und sich in einem günstigen Moment darauf hinabstürzt. Das gesamte System wird dabei zerstört.
Russland und die Ukraine neu auf der Liste
Gezählt werden auch Länder, die Kampfdrohnen besitzen, ohne dass es Belege für deren Einsatzfähigkeit gibt. Hierzu gehören etwa Jordanien, Kasachstan und jetzt auch Kirgisistan und Turkmenistan. Vergleichsweise neu auf der Liste sind neben den beiden letztgenannten Ländern auch Russland, die Ukraine, Äthiopien und Marokko.
Von den neu hinzugekommenen Drohnenmächten sticht besonders Äthiopien hervor. Fotos und Satellitenbilder belegen den Einsatz von chinesischen „Wing Loong“, türkischen „Bayraktar TB2“ und iranischen „Mohajer-6“, die im vergangenen Jahr gegen die Unabhängigkeitsbewegung aus der abtrünnigen Provinz Tigray zum Einsatz kamen. Die Drohnenangriffe auch auf zivile Konvois sollen zum Rückzug der Rebellen aus der Hauptstadt geführt haben.
Russland hat im Mai 2020 seine selbst entwickelte bewaffnete Drohne „Orion“ in den Dienst gestellt. Vor zwei Monaten veröffentlichte das russische Verteidigungsministerium erstmals Aufnahmen von Angriffen, die aus der Ukraine stammen sollen. Mindestens eine „Orion“ wurde von ukrainischen Streitkräften abgeschossen. Das russische Militär fliegt in der Ukraine auch die „Forpost“, die einer israelischen Aufklärungsdrohne in Lizenz nachgebaut wird.
Viele Staaten kaufen türkische Systeme
Über mindestens ein Jahrzehnt waren US-amerikanische und israelische Firmen unbestrittene Marktführer für Kampfdrohnen. Das US-Militär flog damit anfangs Angriffe in Afghanistan und Pakistan, während Israel Einsätze in Gaza durchführte. Neun Länder, die zwischen 2013 und 2018 bewaffnete Systeme angeschafft haben, bezogen diese jedoch aus China.
Nun hat die Türkei in diesem Segment aufgeholt; nach Angaben von Drone Wars UK haben in den letzten drei Jahren sieben Länder „Bayraktar TB2“-Drohnen importiert. Auch Saudi-Arabien, Ägypten und Äthiopien, die auf chinesische Drohnen gesetzt haben, kaufen nun türkische Systeme.
Mehrere Länder warten auf die Lieferung aus der Türkei oder führen entsprechende Gespräche, darunter Polen, Irak, Pakistan und Kasachstan.
Ukraine-Krieg sorgt für neue Lust auf Kampfdrohnen
Auf einer weiteren Liste nennt Drone Wars UK insgesamt sechs Länder, die zwar noch keine Kampfdrohnen besitzen, deren Anschaffung aber beschlossen haben. Hierzu gehört nun auch Deutschland, das nach einer jahrelangen „Drohnendebatte“ seine bereits ausgelieferten „Heron TP“ bewaffnen will. Als Übergangslösung sollen sie bis mindestens 2028 bei der Luftwaffe bleiben, bis Deutschland, Frankreich und Italien die „Eurodrohne“ serienreif entwickelt haben.
Neben Deutschland treiben auch die Niederlande die Bewaffnung ihrer Aufklärungsdrohnen voran. Drone Wars UK führt dies auf den Krieg in der Ukraine zurück, wo die Verbreitung von Videos bewaffneter Drohneneinsätze für neue Aufmerksamkeit gesorgt haben. Kurz nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine stimmte das niederländische Parlament für eine Resolution zur Bewaffnung, eine endgültige Entscheidung soll aber das Kabinett treffen.
Großbritannien ist eine der ältesten Drohnenmächte und modernisiert seine derzeitige Flotte von zehn Reaper-Drohnen mit einem Nachfolgemodell des Herstellers aus den USA. Die Luftwaffe will bis zu 26 „SkyGuardian“ anschaffen, die auch im Inland bewaffnet fliegen dürfen. Damit würde das Vereinigte Königreich zum Testgebiet für Kampfdrohnen, das auch für die Ausbildung von Besatzungen ausländischer Streitkräfte dienen könnte, fürchtet Drone Wars UK.
Schwache internationale Abkommen
Während der Markt für bewaffnete Drohnen weiter wächst, werden internationale Abkommen zu deren Nichtverbreitung geschwächt. Die US-Regierung ist bereits unter dem Präsidenten Donald Trump von dem 1987 gegründeten Raketentechnologie-Kontrollregime (Missile Technology Control Regime – MTCR) abgewichen, um Exporte von Reaper-Drohnen zu erleichtern.
Die damals in Deutschland regierende schwarz-rote Koalition hatte in der „Drohnendebatte“ 2020 versprochen, den Einsatz von Kampfdrohnen „im internationalen Rahmen [durch] verbindliche Regeln für den Einsatz bewaffneter Drohnen“ einhegen zu wollen. Auch daraus ist bislang nichts Konkretes geworden, jedenfalls möchte die amtierende Ampel-Koalition nichts dazu verlautbaren.
Die Bundesregierung habe „einen Abstimmungsprozess im Kreis wichtiger internationaler Partner angestoßen“. Zu dessen Inhalten äußert sie sich aber „grundsätzlich nicht“.
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