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Wie umgehen mit Klimalügen?: Löschen ist keine gute Lösung

Vereinfachte Pixabay Lizenz Tumisu/Bearbeitung netzpolitik.org

In einem Kommentar fordert mein geschätzter Kollege Alexander Fanta, dass Facebook und YouTube nicht nur russische Propaganda löschen sollten, sondern auch Inhalte, die den Klimawandel leugnen. Nun sind Desinformation, Wissenschaftsfeindlichkeit und Verschwörungsideologien tatsächlich ernstzunehmende Probleme in der digitalen Gesellschaft, auf die diese Antworten finden muss. Da sind wir uns einig. Denn Desinformation wirkt, und sie wirkt schädlich auf Gesellschaften. 

Doch die Lösung kann nicht sein, dass wir immer mehr unerwünschte Inhalte definieren und diese löschen. Denn hier wird gefordert, dass Inhalte von Facebook und YouTube entfernt werden, die nicht strafbar sind.

Die Meinungsfreiheit wird aber wirksam begrenzt durch Gesetze. Ich darf keine Lügen über andere Personen verbreiten, keine falschen Tatsachenbehauptungen über Firmen. Ich darf keine Hakenkreuze in meinem Profil führen und keine Menschen bedrohen. Ich darf nicht zu Straftaten aufrufen und keine Bilder von Kindesmissbrauch versenden. Die Gesetze halten viele Einschränkungen bereit, was nicht erlaubt ist. Das ist die Grundlage für die Meinungsfreiheit in einer Gesellschaft. Auch wenn es in manchen Ländern viel zu viele Einschränkungen gibt.

Wer soll die Wahrheit denn definieren?

In Deutschland gibt es kein Gesetz, das grundsätzlich das Schreiben von Bullshit, politischer Irrläuferei und Lügen verbietet. Und das ist auch gut so. Denn wer soll eigentlich definieren, was Desinformation ist? Ausgerechnet die großen sozialen Netzwerke mit ihrer illegitimen monopolartigen Macht über die Öffentlichkeit? Der Staat oder die Regierung mit einer Institution, die dann über Wahrheit entscheidet? Beides klingt gar nicht gut.

Und wer garantiert dann, dass die Definitionen von Wahrheit auch wirklich an Wissenschaft orientiert sind – und nicht einem anderen politischen oder ökonomischen Ziel entspringen? Diese Antwort bleibt Alexander in seinem Kommentar schuldig. Vermutlich, weil es keine gute Antwort darauf gibt.

Vielleicht müssen wir weg von der Idee der Löschung kommen. Je mehr Felder wir als unerwünscht definieren, desto mehr Begehrlichkeiten wird es geben. Wenn man russische Propaganda löscht, muss man dann nicht auch iranische Propaganda löschen? Und wer bestimmt, was eigentlich Propaganda und was politische Information ist? Wo beginnt die unerwünschte Desinformation und was ist noch wissenschaftliche Mindermeinung? Kann das, was heute als falsch angesehen wird, sich manchmal nicht auch morgen als richtig herausstellen?

Geltende Gesetze statt unerwünschter Meinung

Ich habe zu viele Fragen. Aber klar ist: Wenn wir die Meinungsfreiheit über die geltenden Gesetze hinaus beschneiden, kommen wir in Teufels Küche. Wir treten einen Wettbewerb darüber los, was erlaubt ist, sichtbar im Internet zu sagen und was nicht. Denn für alle möglichen Themenfelder stehen Interessensgruppen in den Startlöchern, die bestimmte Informationen für unerwünscht halten. Wir lösen auch aus, dass Informationskontrolle und damit letztlich Zensur immer weiter salonfähig werden. Am Ende könnte der Demokratie diese Haltung mehr schaden als die Desinformation, die wir eigentlich und aus gutem Grund bekämpfen wollten.

Statt abwegige Meinungen und Desinformation zu löschen, sollten wir uns Gedanken machen, wie man diese wirksam als Bullshit kennzeichnet. Wir sollten uns Gedanken machen, wie wir die großen Plattformen dahin bekommen, dass sie solche Inhalte nicht extra mit ihren Algorithmen verstärken, sondern von Factcheckern als Desinformation markiert irgendwo unter Ferner liefen weiterexistieren lassen. Wir brauchen Mechanismen, mit denen Menschen solche irreführenden Informationen melden und selbstbestimmt wegfiltern können. Und wir brauchen viel mehr Medienkompetenz, damit Menschen seriöse Quellen von Dreck unterscheiden können. Da bin ich mir mit meinem Kollegen einig. 

Nur das Löschen sollte immer die letzte Option sein.


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