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Massenspeicherung von Telekommunikationsdaten: Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten wünscht weiterhin die Vorratsdatenspeicherung

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Anlasslose Vorratsdatenspeicherung bleibt auf der politischen Agenda. Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com rishi

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union wollen von der Vorratsdatenspeicherung nicht lassen. Zwar sollen die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) noch abgewartet werden, die aktuell zur Vorratsdatenspeicherung noch anhängig sind, doch danach soll das anlasslose Speichern von Kommunikations- und Bewegungsdaten erneut europaweit vorgeschrieben werden. Das geht aus einem Dokument aus Brüssel hervor.

Kurz vor dem Jahreswechsel berichtete SPIEGEL-online über das Diplomaten-Papier, in dem zusammengefasst ist, was sich 24 von 27 EU-Mitgliedstaaten in Sachen Vorratsdatenspeicherung wünschen. Nach dem Drahtbericht an das Auswärtige Amt, der dem SPIEGEL vorlag, erklärt auch nach Jahren des politischen Streits und vielen höchstrichterlichen Urteilen aus den EU-Staaten und vom EuGH noch immer eine Mehrheit der Regierungen der Mitgliedstaaten, am erzwungenen Massenspeichern von Telekommunikationsdaten festhalten zu wollen. Im November erst hatten sich auch die EU-Innenminister (pdf) für die anlasslose Vorratsdatenspeicherung starkgemacht und „appropriate and feasible solutions“ (geeignete und praktikable Lösungen) gefordert.

Im Weg steht allerdings der EuGH, der zuletzt am 13. September 2021 mündlich darüber verhandelte, ob die flächendeckende Speicherpflicht von Telekommunikations- und Standortdaten mit der EU-Grundrechte-Charta vereinbar ist. Die Anhörung betraf eine Klage des deutschen Internetproviders SpaceNet. Das EuGH-Urteil dazu steht noch aus, wird aber in diesem Jahr erwartet. Zwei weitere Klagen aus anderen EU-Staaten sind in Luxemburg ebenfalls noch ausstehend.

Die abgelöste schwarz-rote Bundesregierung hatte sich in Brüssel für eine europaweite Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen. Vor allem die Union setzte sich auf europäischer Ebene dafür ein, neue rechtliche Voraussetzungen für die anlasslose Massenspeicherung zu schaffen. Die neue Ampel-Regierung hingegen will an der Vorratsdatenspeicherung nicht mehr festhalten, erklärte der neue Justizminister Marco Buschmann (FDP): Nicht das anlasslose Festhalten der Daten aller, sondern eine gezielte schnelle Speicherung ist nun das Ziel.

Das jedoch hält eine Mehrheit der EU-Regierungen nicht für praktikabel, wie dem Bericht des SPIEGEL zu entnehmen ist. Es sollen demnach Bedenken vorherrschen, wie die technische Umsetzung überhaupt möglich sein kann. Die Umsetzung in die Praxis sei auch kostspielig und langwierig. Das mutet angesichts der Alternative zu der schnellen gezielten Speicherung, nämlich der Verpflichtung zum Festhalten aller Telekommunikations- und Begleitdaten, wenig überzeugend an.

Gleiches gilt für die rechtlichen Bedenken, die von EU-Mitgliedsstaaten gegen das gezielte Speichern vorgebracht wurden. Dazu sind zwar kaum Details benannt. Da eine anlasslose Massenspeicherung, die alle Menschen betrifft, aber mit Sicherheit einen stärkeren Eingriff in Grund- und Menschenrechte bedeutet als ein gezieltes Festhalten von vergleichsweise wenigen Daten, ist nur schwer vorstellbar, was gegen das mildere Mittel rechtlich sprechen sollte.

Nicht nur IP-Adressen

Der EuGH hatte die anlasslose Speicherung von personenbezogenen Daten aus Telekommunikationsnetzen 2014 EU-weit aufgehoben und auch danach mehrfach als grundrechtswidrig erkannt. Die meisten EU-Regierungen streben die Massenüberwachung dennoch weiter an, fasst das Diplomaten-Papier zusammen. Neben der anlasslosen Speicherung der IP-Adressen soll demnach auch das verpflichtende Festhalten von weiteren technischen Parametern erzwungen werden. Dazu könnten laut des SPIEGEL-Artikels die Port-Nummern, die IP-Adressen der Adressaten und die Zeitstempel gehören.

Kommt politisch keine europaweite Regelung zustande, so wollen einige Regierungen in Europa nationale Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung schaffen, heißt es im Diplomaten-Bericht weiter. Da sich aber jedes einzelne Mitglied der EU an die Vorgaben des EuGH zu halten hat und die rechtlichen Grenzen der anlasslosen Massenspeicherung schon jetzt eng gezogen sind, wäre wohl erneute juristische Gegenwehr vorprogrammiert.


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