Ticker

6/recent/ticker-posts

Ad Code

Responsive Advertisement

Squid Game: Streaming-Hype führt zu Attacke auf Netzneutralität

Der Protagonist von Squid Game blickt erwartungsvoll in die Kamera.

Um die südkoreanische Netflix-Serie Squid Game ist in den vergangenen Wochen ein unglaublicher Hype entstanden. Sie liegt in über 90 Ländern auf Platz Nummer eins der Netflix-Charts und ist bislang die erfolgreichsten Serie des Streamingdienstes überhaupt. Viele feiern die Erzählung über einen spielerischen Wettbewerb mit tödlichem Ausgang für ihre schonungslose Brutalität und die dahinter versteckte Gesellschaftskritik. Doch der überraschende Erfolg hat für Netflix auch seine Schattenseiten. So möchte ein südkoreanischer Breitbandanbieter das Unternehmen rechtlich dazu zwingen, für den anschwellenden Datenverkehr aufzukommen. Schließlich müssten lokale Internetprovider mit dem Streaming-Boom zurechtkommen.

Squid Game heißt übersetzt „Tintenfisch-Spiel“. Das Tintenfisch-Spiel ist eines der sechs Kinderspiele, durch die sich die Spieler:innen in der Serie kämpfen. Wer einen Fehler macht wird, scheidet von den Spielen aus – und stirbt. Die Serie bringt brutale Szenen auf den Bildschirm. Insgesamt nehmen 456 Menschen an den tödlichen Spielen teil. Manche von ihnen entscheiden sich nach einem vorzeitigen Abbruch sogar freiwillig dafür, zu den Spielen zurückzukehren – so groß ist die Verlockung durch das Preisgeld von 45,6 Milliarden Won, circa 33 Millionen Euro.

Denn die Spieler:innen sind allesamt verschuldet, in den Spielen versuchen sie sich freizukämpfen. Die Serie reiht sich mit ihrer Prämisse in das sogenannte „Death-Game-Genre“ ein und ist mit der Spielfilmreihe Tribute von Panem oder dem japanischen Genreklassiker Battle Royale vergleichbar. Laut dem Kulturwissenschaftler Mark Johnson, der das Genre beforscht, kritisieren diese Filme die kapitalistische Welt, die fälschlicherweise behauptet, dass das individuelle Schicksal allein von der eigenen Arbeit abhängig sei. 

Auch Drehbuchautor und Regisseur Hwang Dong-hyuk schließt sich dieser Kapitalismuskritik an. Er möchte mit seiner Produktion auf die ungleiche Gesellschaft in Südkorea und die große Spanne zwischen Arm und Reich hinweisen. Hwang sagt, sein Werk zeige verschiedene Aspekte der wettbewerbsorientierten Gesellschaft von heute. Squid Game solle die Fragen stellen: „Warum müssen wir die ganze Zeit konkurrieren? Wo hat das alles angefangen und wohin führt es uns?“

Südkoreanischer Provider fordert „angemessene“ Entschädigung

Mit den steigen Zuschauerzahlen steigt auch die Rechnung der lokalen Breitbandanbieter. Schließlich müssen sie für den enormen Datenverkehr ausreichend Infrastruktur bieten. Damit entflammt die Debatte erneut, wer für die Datenkosten des Streaming-Booms zahlen soll. Netflix zahlt in Südkorea, ähnlich wie in der EU, keine Netznutzungsgebühren. Nun leitet der südkoreanische Breitbandanbieter SK Broadband rechtliche Schritte ein. Mit einer Klage möchte den Provider Netflix zwingen, finanziell für den Datenverkehr aufzukommen. Das sagte ein Sprecher des Anbieters kürzlich gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

Netflix argumentiert, dass es mit seinem weltweiten Netz aus Servern dafür sorge, die Serie so nah wie möglich an den Internetanbieter zu liefern. Das verkürze für die Anbieter den Weg bis zu den Verbraucher:innen, argumentiert der Streamingdienst laut dem Guardian. Netflix hatte schon im Vorjahr gerichtlich überprüfen lassen, ob es verpflichtet ist, SK Broadband für die Netznutzung zu bezahlen. Doch ein Gericht in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul entschied im Juni, Netflix müsse den Provider „angemessen“ für die Auslastung seiner Netze entschädigen.

Auch in der EU diskutieren Industrie und Politiker:innen immer wieder, wie mit solchen „Over-The-Top-Anbietern“ (OTT) umzugehen ist. Auch hier verursachen vor allem Video-Dienste einen guten Teil des Datenverkehrs, ohne eigene Leitungen zu besitzen. Bislang konnte sich die Industrie mit ihren Maximalforderungen nicht durchsetzen, hat inzwischen aber einen Fuß in der Tür: Im zuletzt überarbeiteten deutschen Telekommunikationsgesetz ist die Möglichkeit vorhanden, Messengerdienste zur Kasse zu bitten, um den heimischen Breitbandausbau mitzufinanzieren.

Das Gesetz schließt zwar vorerst Videostreaming-Plattformen von der Regelung aus, vom Tisch ist das Thema jedoch nicht. So sagte etwa der jüngst aus dem Bundestag ausgeschiedene SPD-Politiker Gustav Herzog eine gesetzliche Änderung auf EU-Ebene voraus, die „in den nächsten Jahren“ kommen werde.

Videospiele und Warnungen 

Dem Erfolg der Serie tut der Rechtsstreit keinen Abbruch. Den ersten Entwurf für das Drehbuch hatte Hwang Dong-hyuk bereits 2008 geschrieben. Nun schreibt er weltweit Geschichte. Auf der Plattform TikTok gehen Videos zu Squid Game viral, in denen Fans die Kinderspiele kommentieren oder selbst nachspielen. Der Hype hat sogar ein Squid Game-Videospiel auf Roblox hervorgebracht. Roblox ist ein Online-Spiel, dessen stilvoll verpixelte Grafik stark an „Minecraft“ erinnert.

Spieler:innen können sich auf Roblox kostenlos registrieren und mit einer relativ einfachen Programmiersprache selbst Spiele kreieren. Roblox ist zwar freundlich in der Bedienung, aber unfreundlich beim Datenschutz. Bereits im Jahr 2019 hatte Stiftung Warentest datenschutzrechtliche Bedenken geäußert. Neben dem Datenschutz bemängelte Stiftung Warentest, dass auf der Plattform Inhalte zu finden sind, die nicht kindergerecht seien. 

Ebenso sorgen sich Eltern, welchen Einfluss der Squid-Game-Hype auf ihre Kinder habe. Zwar ist die Serie in Deutschland wegen gewalttätigen Szenen erst ab 16 Jahren freigeben, daran scheinen sich aber nicht alle zu halten. In Großbritannien und Belgien warnen Schulen vor der Serie. Eine Grundschule im britischen Ort Ilford verschickt etwa Elternbriefe, laut denen Schüler:innen Szenen aus der Serie unerlaubt auf dem Spielplatz nachspielten. Selbst die thailändische Polizei warnt inzwischen vor Squid Game

Noch ist offen, ob es eine zweite Staffel geben wird. Ohne zu spoileren kann bereits jetzt verraten werden, dass die Dramaserie nicht nur ein spannendes Seherlebnis bietet, sondern auch die netzpolitische Debatte vorantreibt.


Hilf mit! Mit Deiner finanziellen Hilfe unterstützt Du unabhängigen Journalismus.

Enregistrer un commentaire

0 Commentaires