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Sondierungspapier: Ampel will Bürgerrechte stärken und neue Digitalstrategie

Pressekonferenz Habeck, Baerbock, Scholz und Lindner

Die Parteispitzen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP haben heute mit einem zwölfseitigem Papier ihre Sondierungsgespräche abgeschlossen und wollen jetzt Parteigremien um die Eröffnung von Koalitionsgesprächen entscheiden lassen.

Der Anteil von Digital-relevanten Themen in dem Papier ist groß. Man sieht die Digitalisierung als eine der großen Herausforderungen, als „Fortschrittskoalition“ könne man „die Weichen für ein Jahrzehnt“ u.a. der „digitalen und gesellschaftlichen Erneuerung stellen“.

Gleich das erste Kapitel wird mit „Moderner Staat und digitaler Aufbruch“ überschrieben. Die Ampel will „einen grundlegenden Wandel hin zu einem ermöglichenden, lernenden und digitalen Staat, der vorausschauend für die Bürgerinnen und Bürger arbeitet.“ Im hinteren Teil werden viele Investitionen ins Digitale versprochen, aber auch explizit „eine europäische digitale Infrastruktur“, wobei offen gelassen wird, was man konkret darunter definiert.

Eine neue digitalpolitische Strategie

Spannend könnte werden, dass man „eine neue Kultur der Zusammenarbeit etablieren [will], die auch aus der Kraft der Zivilgesellschaft heraus gespeist wird“. Das ist auch eine Forderung der digitalen Zivilgesellschaft, die bisher meist von außen zuschauen dürfte, wenn sie nicht zum Katzentisch eingeladen wurde.

Die möglichen Koalitionsparteien möchten „die digitalpolitische Strategie der Bundesregierung“ neu aufsetzten (u.a. KI-Strategie, Datenstrategie, Blockchain-Strategie), was schon mal dahingehend sinnvoll sein könnte, wenn man daraus tatsächlich mal eine Strategie machen würde und nicht das nächste Buzzword-Bingo-Papier. Die Kompetenzen in der Bundesregierung sollen neu geordnet und gebündelt werden. Das lässt explizit offen, ob dafür am Ende ein neues Digitalministerium, eine bessere Koordination im Kanzleramt oder eine Art von Digitalagentur kommen könnte.

Alle Überwachungsgesetze auf den Prüfstand?!

Eine der Höhepunkte ist das Versprechen, „Freiheit und Sicherheit [zu] gewährleisten und die Bürgerrechte stärken“. Man merkt, dass die Union nicht mit am Tisch sitzt. Versprochen wird auch endlich eine Überwachungsgesamtrechnung: „Gemeinsam mit den Ländern werden wir die auch vom Bundesverfassungsgericht geforderte gesamtheitliche Betrachtung der Eingriffsbefugnisse des Staates vornehmen und eine Generalrevision der Sicherheitsarchitektur durchführen.“

Das ist das erste Mal seit langer Zeit, dass in einem solchen Papier keine neue Überwachungsmaßnahmen festgeschrieben werden. Aber der Teufel könnte allerdings im Detail stecken: „Wir werden die Fähigkeiten und Strukturen für die Abwehr von Cyberrisiken verbessern und auf eine gesetzliche Grundlage stellen.“ Ob damit Hackback-Strategien oder anderes gemeint ist, werden wir erst im Koalitionsvertrag sehen.

Zur Plattformregulierung gibt es eher wenig, was auch daran liegen könnte, dass das mit dem Digitale-Dienste-Paket vor allem auf EU-Ebene abläuft. Zwei Sätze gibt es zu Wettbewerb und Desinformation: Man bemühe sich „weiter um fairen Wettbewerb zwischen Geschäftsmodellen digitaler Großunternehmen und dem lokal verwurzelten Unternehmen“. Und man will „die liberalen Demokratien Europas dazu [befähigen], Desinformation, Fake-News-Kampagnen, Propaganda sowie Manipulationen aus dem In- und Ausland besser abwehren zu können.“ Was das genau heißt, ist unklar.

Teilweise Plattitüden

Weiter wollen die Ampelparteien mit einem Digitalpakt 2.0 „Länder und Kommunen dauerhaft bei der Digitalisierung des Bildungswesens unterstützen“. Die Gelder aus dem ersten Digitalpakt sind wegen viel Bürokratie längst noch nicht ausgezahlt. Hierbei wäre bei einem weiteren Digitalpakt auf jeden Fall zu achten.

Selbstverständlich dürfen auch die Klassiker aus früheren Koalitionsverträgen nicht fehlen, die als Plattitüden immer von allen versprochen werden und wo man später im Detail drauf schauen muss, wie man die Herausforderungen denn jetzt konkret lösen möchte. Dazu zählen Sätze wie „Die Verwaltung soll agiler und digitaler werden“ oder „Den Gigabit-Ausbau treiben wir engagiert voran“ genauso wie die Aussage, mehr Geld in Digitalisierung und Forschung und Bildung zu investieren. Mehr Open-Data soll es auch geben, denn „wir streben einen besseren Zugang zu Daten an, insbesondere um StartUps sowie kleinen und mittelständischen Unternehmen neue innovative Geschäftsmodelle in der Digitalisierung zu ermöglichen“. Dazu gibt es viele Punkte für Startup-Förderungen und Innovationsförderungen, die offen lassen, ob damit auch gemeinwohlorientierte Infrastrukturen gezielt besser gefördert werden sollen.

Sonderierungspapier lässt auf Koalitionsvertrag hoffen

Das Sondierungspapier legt einen Schwerpunkt auf Digitalisierung, darunter können alle drei beteiligten Parteien ihre Programmatik zumindest in Teilen vereinigen und gemeinsame Projekte heraus entwickeln. Das klingt teilweise ambitioniert, lässt aber durch die Kürze noch häufig alles offen, wohin es sich entwickelt. Aber alleine dadurch, dass endlich mal keine neuen Überwachungsgesetze versprochen werden, liest es sich wie ein möglicher Aufbruch. Das deuten auch viele andere Ziele wie ein Wahlalter ab 16 Jahren an.

Ich bin gespannt, wie aus diesen Eckpunkten ein detaillierterer Koalitionsvertrag verhandelt wird und was am Ende dabei heraus kommt. Die Latte liegt ja nach 16 Jahren unionsgeführter Bundesregierung recht tief, da muss der Anspruch sein, endlich mal etwas Gutes zu liefern.


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