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Frontex und Europol: Wie Geflüchtete digital verfolgt werden

Das Bild zeigt die Hände von vier Personen, die Mobiltelefone mit zerstörten Displays in der Hand halten.

Oftmals sind die mitgeführten Handys die einzige Verbindung von Geflüchteten zu Angehörigen und Freund:innen im Herkunftsland oder anderswo. Sie enthalten Kontakte, persönliche Kommunikation wie auch Fotos und Videos zur Erinnerung an die Heimatländer. Nur innerhalb der Europäischen Union ist es möglich, Asyl in ihren Mitgliedstaaten zu beantragen. Deshalb sind die Telefone zudem eine unverzichtbare Hilfe, um in Aufnahmeländer zu navigieren und sich über dortige Bedingungen und Unterstützung zu informieren.

Auch für Behörden sind die Handys von Asylsuchenden von immer größerem Interesse. Als Strafe für die irreguläre Einreise werden sie durch Grenztruppen in Griechenland und Kroatien und jüngst an der EU-Außengrenze zu Belarus zerstört, bevor sie deren Besitzer:innen auf offenem Meer aussetzen oder mit Gewalt zurücktreiben. Polizeien hingegen beschlagnahmen die Telefone, um auf diese Weise Informationen über genutzte Routen und Fluchthelfer:innen zu gewinnen.

Gegen „Verstecken, Verbergen und Verschleiern“

Das Bild zeigt eine Karte des Westbalkan mit dick dargestellten Fragmenten von bestimmten Routen.
Fluchtrouten im Westbalkan, wie sie Frontex auf Mapping-Apps entdeckt haben will. - Alle Rechte vorbehalten Europol und Frontex

Eigentlich ist Frontex für die Verhinderung irregulärer Migration zuständig. Der „Menschenschmuggel“ gilt als grenzüberschreitende, organisierte Kriminalität, deshalb fällt dessen Verfolgung auch in die Zuständigkeit von Europol. Vor fünf Jahren hat Europol dazu in Den Haag ein Zentrum zur Bekämpfung der Migrantenschleusung (EMSC) in Betrieb genommen. Europol hat außerdem zwei Analyseprojekte „Phoenix“ und „Migrantenschmuggel“ eingerichtet, in dem alle interessierten und beteiligten Mitgliedstaaten Informationen speichern und abrufen können.

Beide Agenturen beobachten das Internet und Soziale Medien und suchen dort nach etwaigen Hinweisen zu „Menschenschmuggel“. Erkenntnisse stammen außerdem von einem „Joint Operational Office“ in Wien, an dem auch Europol und die deutsche Bundespolizei beteiligt sind. Eine „Meldestelle für Internetinhalte“ bei Europol meldet Onlineauftritte von Fluchthelfer:innen zur Entfernung an die Internetdienstleister.

Frontex und Europol haben jetzt einen Bericht zur „Digitalisierung des Menschenschmuggels“ veröffentlicht. Allerdings geht es darin weniger um die Werkzeuge von „Schleusern“, sondern vornehmlich um die Telefone der Geflüchteten. In dem Leitfaden geben die beiden EU-Agenturen Handreichungen zu den am häufigsten genutzten Messengern und wie die Behörden Zugang zu den dort gespeicherten Inhalten erhalten.

Doch keine Apps zur „Schleusung von Migranten“ entdeckt

Das Bild zeigt eine Liste von Apps von A-Z.
Angebliche Apps zur Erleichterung von „Migrantenschleusung“. - Alle Rechte vorbehalten Europol und Frontex

Über mehrere Seiten stellt der Bericht verschiedene Apps und Dienste vor, darunter Facebook, Instagram, Signal, Skvpe, Telegram, Viber, WhatsApp. Darin enthalten sind außerdem populäre VPN-Dienste oder Anwendungen zur Verschlüsselung. Sie werden als „Gegenmaßnahmen“ zu der polizeilichen Überwachung bezeichnet. Als weitere Apps zum „Verstecken, Verbergen und Verschleiern“ nennen Frontex und Europol auch Werkzeuge, mit denen GPS-Positionen oder Telefonnummern beim Anruf verschleiert werden können.

Ebenfalls aufgeführt werden verschiedene Mapping-Applikationen und offene geografische Datenquellen, darunter Maps.me und Google Maps, mit denen Karten, Koordinaten, Routen und andere Informationen geteilt werden können. Dies betreffe etwa Einreisemöglichkeiten über das östliche Mittelmeer und die sogenannten Balkanrouten. Laut dem Bericht werden diese Anwendungen in weitaus geringerem Umfang für Routen aus Russland und der Ukraine oder über Polen genutzt. Die Inhalte richteten sich vornehmlich an Asylsuchende aus dem Nahen Osten, Nordafrika und südostasiatischen Ländern.

Immer wieder behauptete Frontex in den letzten Jahren, es gebe speziell für die „Schleusung von Migranten“ entwickelte Apps. Auch die Bundesregierung will davon gehört haben, „dass sogenannte Apps von Schleusern existieren, mit denen Angebote von Booten und Informationen über Bedingungen in verschiedenen Zielländern abgerufen werden können“. Frontex und Europol zufolge wurden derartige digitale Werkzeuge jedoch bislang nicht entdeckt.

„Besondere Taktik“ zur Erlangung von Passwort oder Pincode

Am Ende des Berichts geben die Agenturen Tipps zur Beschlagnahme und zum Auslesen von mobilen Kommunikationsgeräten. Sie stammen demnach von „Spezialisten“ und „Experten“ des Zentrums für Cyberkriminalität und des Zentrums zur Bekämpfung der Migrantenschleusung bei Europol. Herangezogen wurden außerdem „Empfehlungen aus anderen Quellen“.

Laut der „Checkliste zur Erleichterung der forensischen Extraktion“ sollen die Geräte an eine Powerbank angeschlossen und in einem Faraday-Beutel aufbewahrt werden, damit sie keine Verbindung zum Internet aufnehmen. So wollen die Behörden vermeiden, dass deren Besitzer:innen Inhalte aus der Ferne löschen. Sollte die Polizei über die PIN verfügen, soll das Telefon in den Flugmodus versetzt werden.

Die Behörden sollen „idealerweise“ auch Ladekabel, Speicherkarten und weitere SIM-Karten im Besitz der Geflüchteten beschlagnahmen. Alle Gegenstände sollen versiegelt und mit den persönlichen Daten ihrer Besitzer:innen versehen werden. Um ihre Auswertung zu erleichtern, sollen „wann immer möglich“ Gerätepasswort oder PIN-Code für die forensische Auswertung mitgeliefert werden. Das kann den Agenturen zufolge entweder durch „Ansprache des Benutzers“ oder durch eine „besondere Taktik“ erfolgen. Ob dies auch das Ausüben von Druck oder Zwang auf die Asylsuchenden oder eher technische Maßnahmen umfasst, lässt der Bericht offen.


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