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Digitale Gewalt: Google macht weiter Werbung für Spionage-Apps

Frau schaut auf ihr Handy

Eigentlich sind Googles Regeln für Werbung klar: Anzeigen für Produkte, die nur dazu dienen, andere ohne deren Zustimmung zu tracken und auszuspionieren, sind in den Suchergebnissen verboten. Ob GPS-Tracker, versteckte Kameras oder Spähprogramme für das Handy – Google verbietet Werbung für diese Produkte und Dienste. Dieses Update seiner Werberegeln hatte der Konzern mit der reichweitenstärksten Suchmaschine der Welt im vergangenen August bekannt gegeben, seither gilt die Regel weltweit.

Trotzdem werben nach wie vor mehrere notorische Hersteller von Spähsoftware offen auf Google. Wer von Deutschland aus etwa nach den Stichworten „Handy Freundin überwachen“ oder „Handy Freund ausspionieren“ sucht, bekommt  eine entsprechend prominente Anzeige für eine bekannte Branchengröße präsentiert: „Egal wo du bist. Updates in Echtzeit. 5-Minuten-Installation.“

Screenshot Anzeige für Spähsoftware auf Google
Wer nach Möglichkeiten zum Ausspähen sucht, findet Werbung für eine entsprechende App auf Google.

Verräterische AdWords

Spähsoftware für den Privatgebrauch bietet für einen geringen Preis Funktionalitäten, die es teils mit staatlicher Spionagesoftware wie Pegasus aufnehmen können. Ist so ein Programm einmal installiert, hat es Zugriff auf der gesamte Handy: Es kann Fotos sehen, Anrufe mithören, Nachrichten lesen noch bevor sie verschlüsselt werden. Es kann den Standort verfolgen und teils sogar heimlich das Mikrofon oder die Kamera aktivieren. Ein mächtiges Überwachungswerkzeug für wenige Euro.

Die Hersteller bewerben ihre Produkte vordergründig als „Monitoring-Apps“ für Eltern minderjähriger Kinder oder Arbeitgeber*innen – eine ethisch umstrittene, aber in vielen Fällen legale Praxis. Ihr verdecktes Marketing richtet sich jedoch gezielt an Menschen, die Mobiltelefone von Beziehungspartner*innen oder Bekannten anzapfen wollen. In vielen Ländern ist das eine Straftat, auch in Deutschland.

Forscher*innen des Citizen Lab, ein IT-Labor der kanadischen University of Toronto, hatten bereits vor zwei Jahren davor gewarnt, dass viele Hersteller von Spionagesoftware einschlägige Begriffe bei Google buchen, um ihre Produkte zu platzieren, so genannte Ad Words. Wer in einer bestimmten Region nach diesen Stichworten sucht, bekommt die gebuchte Anzeige zu sehen.

Die gekauften AdWords sind verräterisch – denn sie offenbaren, wo eine Firma ihre wahren Kund*innen vermuten. Im Fall der Firma, die weiterhin Werbung auf Google schaltet, war die Anzeige zu sehen, nachdem man etwa „Handy Freundin ausspionieren“, „Handy Freund hacken“ oder „Handy Ehefrau überwachen“ suchte. Auch allgemein gehaltene Suchen wie „Handy überwachen“ oder „Spionage für Handy“ spielten die Anzeige aus.

Drei weitere Konkurrenten werben ebenfalls auf Google. Allerdings scheinen sie jeweils nur ein einziges Ad Word gekauft zu haben: ihren Produktnamen. Das heißt die Anzeigen sind erst zu sehen, wenn man gezielt nach dem Produkt sucht.

Eine Anfrage dazu, warum die Firmen nach wie vor werben können, ließ Google bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung unbeantwortet.

Hintertür steht weiter offen

Einige der Firmen nutzen womöglich eine Hintertür, die Google in der neuen Regelung explizit offen gelassen hat: Das Verbot gilt nicht für Produkte und Dienstleistungen, die an Eltern zur Überwachung ihrer minderjährigen Kinder vermarktet werden.

Die Ausnahme hatten Fachleute bereits nach Veröffentlichung der neuen Regeln kritisiert. Das Verbot sei damit nutzlos, denn die meisten der Apps würden heute schon mit dem Eltern-Narrativ vermarktet, um juristischen Ärger zu vermeiden. Als „Monitoring-Apps“ für besorgte Eltern sind sie ein legales Produkt, als Spähsoftware für Partner*innen bewegen sie sich in einer Grauzone.

Zugleich reicht oft schon ein Blick auf die verlinkten Webseiten der Apps, um zu erkennen, an wen sich die Produkte richten. Auf der Seite der App ClevGuard steht etwa, die Anwendung sei für „verschiedenste Bedürfnisse“ geeignet: „ClevGuard kann die Wahrheit aufdecken und Informationen ausgraben, die dir helfen Zweifel in der Beziehung auszuräumen“, preist der Hersteller das Produkt an. „Du willst es verdeckt tun? Absolut.“

Forscher*innen haben in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass solche Apps eingesetzt werden, um Partner*innen auszuspionieren. Sie flankieren dort die physische und psychische Kontrolle in der Partnerschaft, die Forschung nennt dies daher „technologiegestützte Gewalt“. Auch der Dachverband der Frauenberatungsstellen in Deutschland bff spricht in diesem Zusammenhang von geschlechtsspezifischer Digitaler Gewalt.

Spionage als Suchvorschlag

Google macht es zudem über ein weiteres Feature besonders einfach, bei den genannten Suchanfragen – und den Anzeigen für Spionageapps – zu landen. Über die so genannte Autocomplete-Funktion schlägt Google Nutzer*innen vor, wie sie eine Suchanfrage vervollständigen können.

Die Vorschläge generiert Googles Software automatisch, sie basieren auf der Gesamtheit aller Google-Suchen in der Vergangenheit und sollen Nutzer*innen Zeit beim Tippen sparen. Allerdings griff Google in der Vergangenheit durchaus auch in die Autocomplete-Vorhersagen ein, etwa um gefährliche, rassistische oder sonstwie verletzende Vorschläge zu unterdrücken.

Im Fall von drohender Partnerschaftsgewalt scheint dies nicht der Fall zu sein. Wer zum Beispiel „Handy Freundin“ ins Suchfenster tippt, erhält eine lange Liste von Vorschlägen – von „Handy Freundin orten“ und „überwachen“ bis „Handy Freundin hacken“.

Die Suche in Kombination mit „Freund“, „Ehefrau“ oder „Ehemann“ bietet ähnliche Ergebnisse, wenn auch nicht ganz so zahlreich.

Dabei schreibt Google selbst, dass laut der eigenen Regeln alle Vorhersagen entfernt werden, die gewalttätig sind oder gefährliche und schädliche Aktivitäten vorschlagen. Es ist unklar, warum der Konzern nach dieser Logik weiterhin Suchanfragen vorschlägt, die klar auf Stalking oder andere illegale Handlungen im Kontext von Partnerschaftsgewalt hindeuten.

Eine Anfrage hierzu hat Google bislang nicht beantwortet. Unter einschlägigen Abfragen waren bei Suchen aus Deutschland und Österreich bis kurz vor Erscheinen dieses Artikels Anzeigen von Spywarefirmen sichtbar.

Ausspähen auch ohne Software

Spähsoftware für den Privatgebrauch, auch Stalkerware genannt, stand in den vergangenen Jahren immer mehr im Fokus. Angestoßen von der Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) läuft seit einigen Jahren eine internationale Kampagne, die dieser Branche die Geschäfte schwer machen soll. Die Coalition Against Stalkerware hat viel Aufklärungsarbeit geleistet und setzt das Thema auf die politische Agenda. In Deutschland hat es der Begriff sogar bis in das neue verschärfte Anti-Stalking-Gesetz geschafft – es fasst jetzt auch den Einsatz solcher Programme explizit als Stalking.

Fachleute weisen jedoch darauf hin, dass Stalkerware womöglich nur ein Teil des Problems ist. Digital ausspähen lässt sich eine andere Person auch mit wesentlich banaleren Methoden: Partner*innen erraten etwa Passwörter zu E-Mail- oder Social-Media-Konten oder kennen diese ohnehin schon. Teils haben sie über alte Geräte Zugriff auf Google-Drive- und iCloud-Konten. Beratungsstellen haben daher eine ganze Checkliste von Möglichkeiten entwickelt, die Betroffene von Cyberstalking durchgehen sollten. Stalkerware ist nur eine unter vielen Punkten darauf.

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Vermutest du, digital überwacht zu werden? Die Coalition Against Stalkerware bietet Informationen und Anleitungen für Betroffene. In Deutschland findest du über den Bundesverband Frauenberatungsstellen bff Informationen zu Digitaler Gewalt und eine Beratungsstelle in deiner Nähe. In Berlin berät das Anti-Stalking-Projekt im FRIEDA-Frauenzentrum Betroffene von Stalking.

Falls du glaubst von digitaler Spionage betroffen zu sein und in der Lage bist darüber zu sprechen, würden wir gerne deine Geschichte hören. Schreib Chris Köver eine verschlüsselte E-Mail an chris@netzpolitik.org.


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