Der Verein Solidarité sans frontières (SOSF) mit Sitz in Bern arbeitet mit Asylsuchenden und Migrant:innen zusammen und setzt sich für deren Rechte ein. Kürzlich veröffentlichte die Organisation, dass der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) schon seit 2006 Informationen über ihre Aktivitäten sammelt und speichert.
Der Geheimdienst NDB ist in der Schweiz für die Beschaffung von sicherheitspolitischen Informationen zuständig, um frühzeitig „gewalttätigen Extremismus“ und andere Bedrohungen zu erkennen. Die Enthüllung, dass der NDB seit 15 Jahren eine demokratisch agierende Menschenrechtsorganisation bespitzelt, ist nicht nur für die betroffene Organisation alarmierend.
Ein paar wenige geschwärzte Kopien
Schon im Mai 2019 offenbarte der Verein grundrechte.ch, der NDB habe die von den Grundrechten gedeckten, politischen Tätigkeiten von mehreren Organisationen illegal überwacht. Aus den Veröffentlichungen des Vereins geht hervor, dass der Nachrichtendienst des Bundes ein Flugblatt für eine Demonstration der Solidarité sans frontières gespeichert hat. Daraufhin forderte die SOSF bei dem Nachrichtendienst Auskunft über die gespeicherten Daten.
Ein gutes Jahr nach der Anfrage erhielt die Organisation eine unvollständige Antwort: eine Übersicht der 77 Einträge, aber keine Kopien der tatsächlichen Dokumente. Erst als sie dagegen Beschwerde einlegte, bekam SOSF zumindest ein paar wenige geschwärzte Kopien zu einzelnen Punkten.
Die gesammelten Dokumente geben detaillierte Informationen zu den politischen Aktivitäten der Organisation preis, etwa zu bewilligten Demonstrationen, Flugblättern, Mahnwachen und Solidaritätserklärungen. All diese Tätigkeiten bewegen sich im Rahmen der Gesetze. Viel mehr noch: Der Verein engagiert sich für die Sicherung der demokratischen Grundrechte für alle Menschen. Solidarité sans frontières arbeitet nach eigener Aussage „für ein gleichberechtigtes Zusammenleben Aller, ungeachtet ihrer Herkunft – gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus“.
So unterstützte sie beispielsweise die baskische Aktivistin und Asylsuchende Nekane Txapartegi, die 17 Monate lang in der Schweiz in Auslieferungshaft saß. Durch eine große Solidaritätswelle kam die politisch Verfolgte schließlich frei. Auch die SOSF schrieb einen Artikel über diesen Fall. Diesen verzeichnet der Nachrichtendienst des Bundes nun im „Internetmonitoring Linksextremismus“.
Eine Frage der Legitimität
Es ist fragwürdig, woher der NDB die Notwendigkeit sieht, diese Information zu dokumentieren. Schließlich benötigt die staatliche Institution konkrete Anhaltspunkte, dass die zu prüfende Organisation gewalttätig-extremistische Tätigkeiten vorbereitet oder durchführt. Das ist im Artikel 5 des Nachrichtendienstgesetz verankert. Der NDB stand schon im Jahr 2010 in der Kritik, irrelevante Informationen von mehr als 200.000 Menschen in einer Datenbank gesammelt zu haben.
Mit dem neuen Gesetz, das 2017 in Kraft trat, bekam der Nachrichtendienst des Bundes noch mehr Überwachungsrechte, die auch die Überwachung in „vagen Bereichen“ erlauben.
Eine Analyse des Vereins grundrechte.ch zeigt, dass die Bespitzelung der migrationspolitischen Organisation durch die NDB kein Einzelfall ist. Aus den vorliegenden Dokumenten zieht Solidarité sans frontières die Schlussfolgerung:
Der Geheimdienst bespitzelt die politischen Gegner*innen – und die stehen im Allgemeinen links. Dabei ist ihm offensichtlich vollkommen egal, ob Aktionen legal und gewaltfrei waren und die Fichierung damit illegal.
Der NBD hingegen rechtfertigt seine Macht mit der unabhängigen Prüfung seiner Arbeit durch verschiedene Instanzen.
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