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Netzpolitik der Parteien: Das wackelige Fundament der Digitalpolitik

Ein Faxgerät druckt ein Papier mit dem Titel "Digitale Agenda".

In einer heute veröffentlichten Analyse nimmt die Stiftung Neue Verantwortung (SNV) die Wahlprogramme der Parteien unter die Lupe. Dabei konzentriert sich der Think Tank auf die Bereiche „Digitale Verwaltung“ und „Breitbandinfrastruktur“, dem „Fundament erfolgreicher Digitalpolitik“.

Neben einem inhaltichen Vergleich geht es vor allem um die zeitliche Entwicklung der Positionen. Die Analyse stellt die Wahlprogramme von 2017 neben die von 2021 und prüft, wie die Parteien ihre digitalpolitischen Forderungen weiterentwickelt haben. In der Regel fehle diese Perspektive in der Diskussion über Wahlprogramme, schreibt die SNV.

Wenig überraschend sei die Erkenntnis, dass sich alle Parteien eine gut ausgebaute Digitale Verwaltung wie Breitbandinfrastruktur wünschen. Allerdings fänden sich auch mit Blick auf konkrete Maßnahmen und Forderungen viele Gemeinsamkeiten, so die Analyse. Selbst im Wahlprogramm der Union tauchen inzwischen Schlüsselbegriffe wie offene Standards und offene Software auf – ein Novum für die langjährige Kanzlerinnenpartei.

Im Vergleich zum Wahlkampf im Jahr 2017 beziehen die SPD und FDP in ihrem aktuellen Wahlprogramm überwiegend ähnliche Positionen. Die Union und Grüne schenken dagegen der Digitalen Verwaltung deutlich mehr Aufmerksamkeit als vier Jahre zuvor. Insgesamt hat das Interesse an Breitbandinfrastruktur nachgelassen, wie sich an sogenannten Heatmaps ablesen lässt. Die AfD fällt aus dieser Beobachtung heraus, da diese „zu wenig Substanz“ für digitalpolitische Themen liefere, so die SNV.

Hohe Luftschlösser auf einem wackeligen Fundament 

Seit Jahrzehnten ist in der deutschen Politik die Kluft zwischen den „technologischen Ambitionen“ und der bitteren Realität gigantisch. Da wäre zum Einen die Tatsache, dass Deutschland im europäischen Vergleich der Breitbandabdeckung hinterherhinkt. Zum Anderen geht die Digitalisierung der Verwaltung nur schleichend voran. Aus der Analyse des SNV geht hervor, dass das politische Berlin diese Schwachstellen zwar grundsätzlich anerkenne, es aber „ein Umsetzungsproblem“ gebe.

Doch beginnen wir mit einer positiven Entwicklung im Bereich der Verwaltungsdigitalisierung. Endlich erkennen die Parteien an, dass eine „grundsätzliche Modernisierung und Strukturreformen im öffentlichen Sektor“ benötigt werden. So pocht die FDP beispielsweise auf einen „Mentalitätswandel“, die SPD äußert sich im aktuellen Wahlprogramm mit den Worten: „Denken außerhalb alter Muster ist gefragt“. Auch bei den übrigen Parteien soll der Wille vorhanden sein, verkrustete Strukturen aufzubrechen. Diese Entwicklung ist ein klarer Fortschritt im Vergleich zum Jahr 2017. Klar ist aber auch, dass die konservative Union diesen Wandel weitaus zurückhaltender gestalten möchte als eine progressive Linkspartei.

Einen weiteren Fortschritt gab es im Bereich von Open Source, also quelloffener Software, die beispielsweise mehr digitale Unabhängigkeit von Softwareherstellern bietet. Die Linke fordert in ihrem Wahlprogramm 2021, dass in der öffentlichen Verwaltung freie Software und offene Datenformate eingesetzt werden solle. Nach der Analyse des SNV beziehen die andere Parteien ähnliche Positionen. Sogar die CDU/CSU erkennt die Potentiale von quelloffener Software für eine effektive Digitalisierung der Verwaltung inzwischen an. Zumindest auf dem Papier ist der Wille also da – warten wir auf die Umsetzung im angekündigten „Modernisierungsjahrzehnt“ (CDU/CSU).

Die Wahlprogramme vernachlässigen die Breitbandinfrastruktur

Aus dem Blickfeld der Parteien ist hingegen die löchrige Breitbandinfrastruktur geraten. Die SNV schreibt in ihrem Papier, dass etwa „konkrete Angaben zu Investitionssummen oder Zeiträumen zur Zielerreichung“ im Unterschied zu 2017 fehlen würden. Hier scheint man sich auf die bereits abgesegneten Fördermaßnahmen des Verkehrsministeriums zu verlassen und bleibt lieber unscharf. Die Parteien zeigen sich ebenso zurückhaltend im Bereich der Netzneutralität. Leider geht damit die Debatte um diskriminierungsfreien Zugang zum Netz unter. Stattdessen setzen sie in ihren Programmen auf den Ausbau des Mobilfunks. Der Fokus liegt hierbei auf flächendeckendem 5G-Ausbau.

Die Versprechen der Parteien bleiben vage 

Ebenfalls als Dauerbaustelle gilt das Thema „Digitale Identität“. Da es weiterhin nicht erfolgreich umgesetzt wurde, stehe es 2021 erneut auf der Agenda. „Die Parteien reagieren auf den mangelnden Fortschritt vor allem mit der Wiederholung ihrer bereits bekannten Forderungen, führen diese aber viel detaillierter aus“, so die SNV. Zwar seien die Visionen teils ambitioniert, etwa die Kampagne „Digital First“ der Grünen, es mangle aber auch hier an konkreten Vorschlägen.

Dabei tickt die Uhr, denn das Onlinezugangsgesetz (OZG) verpflichtet Bund, Länder und Kommunen, bis Ende 2022 ihre Verwaltungsleistungen über Verwaltungsportale auch digital anzubieten. Die Große Koalition trägt die Verantwortung für diese langwierige Einführung und Problematik des eID-Gesetzes. Zuletzt hatte sie es erst im Mai überarbeitet, allerdings nicht umfangreich genug.

Allgemein wird deutlich, dass die Parteien dem Thema „Digitale Verwaltung“ mehr Aufmerksamkeit mit tieferen Details schenken als dem Ausbau der Breitbandinfrastruktur. Aus der SNV-Untersuchung geht hervor, dass selbst diese entscheidenden Vorhaben nur sehr vage formuliert sind und damit an Aussagekraft verlieren. Es bleibt also abzuwarten, wie stark der Wille für eine zukunftsträchtige Vision des E- und Open Government und der Aufbau einer „Gigabit-Gesellschaft“ (CDU) tatsächlich ist. Der erste Schritt ist zumindest schon einmal getan: Die Bundestagsverwaltung möchte zur neuen Wahlperiode seine 1600 Faxgeräte abschaffen. Ist das der große Aufbruch in die digitale Welt oder ein Armutszeugnis der Digitalisierung Deutschlands? 


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