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Neuer Report: Facebook kocht eigenes Daten-Süppchen zur Imagepflege

Vor allem in den USA genießt Facebook den zweifelhaften Ruf, nicht viel mehr als eine rechte Empörungsmaschine voller Verschwörungserzähler:innen zu sein. Mit einem neuen Report-Format versucht nun das soziale Netzwerk, dem etwas entgegenzusetzen.

Eine vierteljährlich erscheinende Übersicht soll Statistiken dazu liefern, welche Inhalte, Domains und Links am meisten auf Facebook in den USA gesehen werden. Demnach seien eine Mehrheit von 57 Prozent Postings, die von Freunden oder der Familie in das Netzwerk gestellt wurden. Weniger als 13 Prozent der gesehenen Inhalte enthielten einen Link, und die am meisten eingeblendeten Domains würden nur 0,31 Prozent aller Inhalte im News Feed ausmachen.

Facebook will neues Narrativ

Damit will das Unternehmen eine Abgrenzung zu bisher öffentlich bekannten Statistiken schaffen, die eine ganz andere Interpretation der Blackbox Facebook nahelegen. Forscher:innen und Journalist:innen nutzen dazu vor allem den Analysedienst Crowdtangle, den Facebook 2016 aufgekauft hatte.

Crowdtangle bietet Publikationen und Marketingabteilungen eine Übersicht, welche Art von Inhalten in sozialen Medien am meisten Resonanz erzeugen. Sogenanntes „Engagement“ spiegelt sich in der Anzahl an Kommentaren, Shares oder Likes wider. Üblicherweise handelt es sich dabei um besonders polarisierende Inhalte, etwa QAnon-Verschwörungsmythen oder Desinformation rund um die Coronapandemie. Friedliche Katzenfotos führen hingegen nur selten zu echten Grabenkriegen.

So dokumentiert etwa der Journalist Kevin Roose täglich auf Twitter, was auf Facebook besonders populär ist. In der Regel lesen sich die Top 10 wie ein Who is Who rechtskonservativer US-Prominenz, oft tauchen darin beispielsweise der TV-Sender Newsmax oder der Kommentator Ben Shapiro auf.

Wenig Platz für unabhängige Analyse

Diese Auslegung wurde zunehmend zu einem Problem für Facebook – zumal sie von anderen Auswertungen regelmäßig bestätigt wird und sich obendrein aus Facebook-eigenen Zahlen speist. Nach unzähligen Krisenmeetings brach Facebook im Juli schließlich das Crowdtangle-Team auf, entmachtete den Gründer und Chef Brandon Silverman und organisierte den ganzen Bereich neu.

Kurz danach drehte Facebook die Account unabhängiger Forscher:innen einer New Yorker Universität ab, die die Ausbreitung von Desinformation auf der Plattform untersucht hatten. Das Projekt AlgorithmWatch wiederum sah sich jüngst gezwungen, eine Auswertung des Newsfeed-Algorithmus von Instagram zu beenden. Facebook gefiel das Ergebnis und die Methodik der Untersuchung nicht, es drohte „formellere Schritte“ an, sollte sich dies nicht ändern. In beiden Fällen beruft sich Facebook auf den Datenschutz, der von den Teams verletzt worden wäre.

Vor diesem Hintergrund ist nun der neue Spin Facebooks zu verstehen: Die am meisten gesehenen Inhalte seien völlig harmlos, so das Unternehmen, und drehten sich vor allem um Haustiere, Kochen und Familie. Zudem gebe es so viele Postings auf der Plattform, dass selbst das am meisten Angesehene nur einen Bruchteil aller Inhalte ausmache.

Aussagekraft begrenzt

Skepsis bleibt jedoch angebracht. Wenig aussagekräftig ist etwa, dass der Videodienst Youtube die am meisten gesehene Domain im zweiten Quartal 2021 war. Das könnten Links zu harmlosen Reparaturvideos gewesen sein – oder zu wirren Echsenmenschen-Erzählungen. Ähnlich nichtssagend sind Verweise auf Twitter, Google Docs oder Etsy.

Stutzig macht zugleich der auf Platz 1 liegende Link auf die „Green Bay Packers Hall of Fame Inductee Class of 2013“, offenbar einer Vernetzungsseite für ehemalige American-Football-Spieler. Genauer unter die Lupe genommen gibt es Hinweise darauf, dass es sich schlicht um Spam handelt, den Facebook nicht aus seinen Zahlen herausgefiltert hat. Der Verdacht stellt sich auch bei anderen angeblich populären Links, etwa zu einem christlichen Bekleidungsshop.

Langjährige Facebook-Beobachter:innen wie den Netzaktivisten Ethan Zuckerman lässt der Report einigermaßen ratlos zurück. Wirklich Erhellendes lasse sich daraus nicht entnehmen, so Zuckerman: „Er teilt einige wenige interessante Zahlen, die das Narrativ verstärken, dass es auf Facebook mehr um Postings von Freunden gehe als um News. Aber der Report teilt nicht genug Daten, damit wir selbst aussagekräftige Schlüsse ziehen können“, schreibt Zuckerman.

Um die tatsächliche Funktionsweise des sozialen Netzwerks zu untersuchen, bleibt bis auf Weiteres also nur eine gesetzlich vorgeschriebene Verpflichtung auf einen Zugang zu den Daten des Unternehmens. Diesen sieht das zuletzt im Mai überarbeitete Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) vor. Auch der derzeit in Brüssel verhandelte Digital Services Act macht großen Online-Diensten solche Vorgaben. Allerdings mit einem Haken: In beiden Fällen gelten die Rechte nur für die Wissenschaft und nicht für Medien.


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