Los ging es schon vor Wochenbeginn mit Eingriffen von Polizei und Staat. Am vergangenen Wochenende kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Zivilist*innen. Auf einer Großdemonstration in Düsseldorf protestierten mehrere tausend Menschen gegen das umstrittene Versammlungsgesetz in NRW. Dabei kam es zu gewaltsamen Übergriffen, bei denen Polizist*innen einen Journalisten mehrfach mit einem Schlagstock angriffen.
Die Polizeigewalt auf der Demonstration könnte nun auch parlamentarische Folgen haben. CDU-Innenminister Herbert Reul schiebt die Schuld auf Demonstrierende. Die Gewalt gegen den Journalisten scheint ihn hingegen zu ärgern – möglicherweise auch, da der Übergriff bundesweit viral ging, vermutet Markus Reuter.
Auf Schritt und Tritt
Derweil beschäftigten sich die EU-Innenminister*innen mit Änderungen der Europol-Verordnung. Nach dem Entwurf würde die EU-Polizeiagentur zum Quasi-Geheimdienst ausgebaut. Europol dürfte Milliarden personenbezogene Massendaten erhalten und verarbeiten, wovon viele aus staatlichen Hacks oder geheimdienstlichen Quellen stammen.
Von staatlicher Verfolgung zu staatlicher Überwachung. Die kambodschanische Regierung hat im Februar eine Regelung erlassen, mit der sie verstärkt die Internetaktivitäten ihrer Bürger*innen kontrollieren will. Die in Südostasien tätige Organisation DigitalReach hat nun ein Papier veröffentlicht, das über mögliche Zensur- und Überwachungstaktiken des Staates aufklärt und sich speziell an potentiell Betroffene richtet. Die Organisation vermutet auch, dass die Regulierungsmaßnahmen sich stark an Chinas Zensurpraktiken der „Great Firewall“ orientieren.
Über Überwachungssysteme hatten diese Woche auch Abgeordnete im Innenausschuss des EU-Parlamentes diskutiert. Alexander Fanta berichtet, dass die Abgeordneten sich gegen die zunehmend automatisierte Überwachung im öffentlichen Raum ausgesprochen hatten. Es gäbe viele Bedenken wegen möglicher Grundrechtsverletzungen, ein komplettes Verbot sei trotzdem nicht geplant. Piraten-Abgeordneter Patrick Breyer betrachtet den Bericht des Parlaments dennoch als „wichtigen Meilenstein im Kampf gegen biometrische Massenüberwachung in Europa“.
Die Sammlung biometrischer Daten wie Gesichter und Stimmen ist auch maßgeblich für KI-Technologie, die als „emotionale KI“ menschliche Emotionen erkennen soll. Pia Stenner hat recherchiert, was hinter der Forschung steckt und für welche Anwendungsgebiete die Technologie einsetzbar ist. Dabei geht es auch um auftretende Probleme und Gefahren, wenn man versucht, menschliche Emotion berechenbar zu machen.
Macht(entzug)
Digitalkonzerne wie Microsoft, Facebook und Google lobbyieren seit Jahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit Vertreter*innen der EU-Kommission bezüglich eines geplanten Handelsvertrags zwischen Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation (WTO), schreibt Alexander Fanta. Der Handelsvertrag könnte einen gravierenden Effekt auf die Zukunft des Internets haben. Die Konzerne wünschen sich bei dem Thema eine verstärkte Zusammenarbeit von EU und USA, um Datenflüsse global möglichst uneingeschränkt zu belassen.
Auf der anderen Seite des Atlantik versuchen die großen Tech-Konzerne, die mal als Start-Ups im Silicon Valley angefangen haben, die Politik zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Denn in Washington wird gerade an gleich sechs Gesetzen gearbeitet, die Amazon, Apple, Google und Co. nicht gefallen: Die US-Demokrat*innen wollen die Macht der Konzerne einschränken.
Bisher sind die Konzerne so mächtig, dass sie nicht datenschutzkonform arbeiten, aber trotzdem von Bundesbehörden genutzt werden. Der Bundesbeauftragte für Datenschutz fordert nun, dass die Behörden und Ministerien ihre Facebook-Auftritte bis Ende des Jahres abschalten, weil Facebook nicht bereit sei, seine Datenpraktiken zu ändern.
Macht haben die großen Digitalkonzerne auch, indem sie beeinflussen, wie wir online miteinander kommunizieren. Jahr für Jahr wurden die Emojis immer vielfältiger, nun führt Apple im neuen Betriebssystem-Update offenbar den Gender-Doppelpunkt ein. Laut einem Sprachwissenschaftler könnte das dazu beitragen, dass der Doppelpunkt „zum Leitzeichen der Inklusivität im geschriebenen Deutsch“ wird.
Löschen und Verschlüsseln hilft
Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hat digitale Werkzeuge zur Pandemiebekämpfung untersucht. Markus Reuter hat sich das neue Diskussionspapier angeschaut und meint: „Es bleibt leider weitgehend bei einer Bestandsaufnahme“. Kritik an der Luca-App, der Corona-Warn-App und der Digitalisierung der Gesundheitsämter äußert sich im Papier nur zurückhaltend.
Ganz andere Werkzeuge gibt es, um sich selbst vor Datenlecks durch entsorgte oder verkaufte Festplatten zu schützen. Und das ist gar nicht so schwierig: Richtiges Löschen und standardmäßige Verschlüsselung helfen, damit Daten nicht in fremde Hände gelangen.
Kleine Schritte in Richtung Informationsfreiheit
Auch die österreichische Regierungspartei ÖVP tut viel, damit Informationen über ihr Regierungshandeln nicht in andere Hände gelangen. Eine Initiative sammelt jetzt Unterschriften für ein Volksbegehren, in dem unter anderem ein starkes Informationsfreiheitsgesetz gefordert wird. Außerdem fordert die Initiative umfassende Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung und zur Stärkung der Justiz.
Und zum Schluss noch ein kleiner Lichtblick: Etwas zugänglicher als bislang möchte sich die deutsche Bundesregierung zeigen. Tomas Rudl berichtet, dass sie den Zugang zu Gesetzen, Erlassen und Vorschriften über ein einheitliches Portal vereinfachen möchte. Auch umfangreiche Metadaten sollen öffentlich gemacht werden – auf Wunsch über eine Programmierschnittstelle.
Auf der Liste unerfüllter Wünsche bleibt der Zugang zum Internet bei Gläubigen in der katholischen Kirche – jedenfalls im Bistum Augsburg. Das Bistum fürchtet „soziale Brennpunkte“ und will deswegen offene WLAN-Netze in seinen Einrichtungen abschaffen.
Wir verabschieden uns an dieser Stelle mit Wünschen für ein erholsames Wochenende ohne WLAN-Abschaltungen – bis zum nächsten Mal!
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