Die große Koalition hat sich auf mehrere Gesetzesverschärfungen in der Strafprozessordnung geeinigt, wie aus einem Änderungsantrag hervorgeht, den wir veröffentlichen (PDF). Mit dem Gesetz wollen die Regierungsparteien unter anderem die Kennzeichenfahndung, die in vielen Bundesländern nach Landesgesetzen und teilweise in der Grauzone stattfand, legalisieren und auf eine rechtliche Basis stellen.
Kennzeichenscanner fotografieren alle vorbeifahrenden Fahrzeuge und erkennen Text und Zahlen auf Kennzeichen. Bei der Kennzeichenfahndung werden Listen mit Nummernschildern in die Lesegeräte eingespeist und abgeglichen. Das Gerät schlägt Alarm, wenn ein Kennzeichen aus der Liste erkannt wird.
Auto-Vorratsdatenspeicherung vom Tisch
Auch wenn das Gesetz die Kennzeichenscanner – „automatisierte Kennzeichenlesesysteme“ wie sie euphemistisch genannt werden – bundesweit einführt, so verbietet es in Zukunft eine Speicherung der Nummernschilder. Für eine solche Auto-Vorratsdatenspeicherung hatten im Bundesrat aber noch viele Bundesländer gestimmt.
Manche Bundesländer speichern bereits seit vielen Jahren alle Kennzeichen in Datenbanken. Allein Brandenburg betreibt eine Auto-Vorratsdatenspeicherung mit 40 Millionen Kennzeichen, jeden Tag kommen 55.000 neue dazu. Das neue Gesetz wird diese Praxis der Auto-Vorratsdatenspeicherung illegal machen. Eine spätere Ausweitung des Gesetzes auf eine Vorratsdatenspeicherung ist damit natürlich nicht ausgeschlossen, auch wenn eine solche anlasslose Speicherung von Mobilitätsdaten verfassungswidrig sein könnte.
Hausdurchsuchungen rund um die Uhr
Die Änderung in der Strafprozessordnung führt weitere Verschärfungen ein: Weil Internetkriminelle angeblich zu Nachtzeiten besonders aktiv sind, erlaubt die StPO in Zukunft auch nächtliche Hausdurchsuchungen zwischen 21 und 6 Uhr. Begründet wird dies damit, dass man so an Festplatten gelangen könne, die nicht verschlüsselt sind.
Der Paragraf 104 StPO wird nächtliche Durchsuchungen in Zukunft erlauben
wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass während der Durchsuchung auf ein elektronisches Speichermedium zugegriffen werden wird, das als Beweismittel in Betracht kommt, und ohne die Durchsuchung zur Nachtzeit die Auswertung des elektronischen Speichermediums, insbesondere in unverschlüsselter Form, aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
Da heute fast jeder Mensch verschiedene Endgeräte und Speichermedien hat, die auch verschlüsselt sein könnten, dürfte der Paragraf auf eine Vielzahl von Hausdurchsuchungen anwendbar sein und den Zeitraum, in dem diese stattfinden dürfen, deutlich erweitern.
Das Gesetz wird voraussichtlich in der laufenden Legislaturperiode vor der Sommerpause im Bundestag beschlossen werden. In dieser Woche steht es noch nicht auf der Tagesordnung.
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