Ticker

6/recent/ticker-posts

Ad Code

Responsive Advertisement

Telekommunikationsgesetz: Messenger-Dienste sollen Breitbandausbau mitbezahlen

Breitbandausbau Messenger Umlage

Am Donnerstag soll es so weit sein: Mit mehrmonatiger Verspätung will der Bundestag die Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) beschließen, gerade noch rechtzeitig vor der Sommerpause und der im Herbst anstehenden Bundestagswahl.

Im zuständigen Wirtschaftsausschuss, der heute über das TKG abstimmt, gab es noch einige beachtliche Änderungen an dem gut 500 Seiten langen Entwurf der Bundesregierung. Zustimmen muss auch noch der Bundesrat – alles in letzter Sekunde.

Neue Umlage für Glasfaseranschlüsse

So findet sich das sogenannte Nebenkostenprivileg wieder im Gesetz. Ursprünglich hatte die Bundesregierung die Umlagefähigkeit von Anschlüssen als Betriebskosten auf die Miete abgeschafft. Neu errichtete Glasfaserleitungen sollen sich nun doch fünf bis neun Jahre lang umlegen lassen, die Regelung gilt bis Ende 2027.

Das soll Anreize für Hausbesitzer:innen schaffen, möglichst rasch zeitgemäße Leitungen in die Wohnungen zu legen: „Es ist eine einmalige Gelegenheit, den Gebäudebestand mit Glasfaseranschlüssen auszustatten“, heißt es aus Unionskreisen.

Freilich lassen sich solche Kosten nach der Modernisierung eines Gebäudes ohnehin auf die Miete umlegen, kritisierten etwa Sachverständige bei einer Anhörung. Diese Modernisierungsumlage sei jedoch an weitere Bedingungen geknüpft, etwa an Klimaschutzauflagen, sagt der SPD-Berichterstatter Gustav Herzog, und sei insgesamt teurer für Mieter:innen.

Gezielte Investitionen in Glasfaser seien billiger, zudem sei die Umlage an Bedingungen wie „Höhe, Dauer und Open Access“ gebunden, sagt Herzog. Im Regelfall sind die monatlichen Kosten auf fünf Euro gedeckelt, die Anbieterwahl muss frei sein. Der CDU-Abgeordnete Hansjörg Durz sieht die Lösung als „Förderinstrument für den Glasfaserausbau in Gebäuden“. Die bisherige Regelung für Kabelinternetleitungen läuft mit Juni 2024 aus.

Universaldienst bleibt schwach

Einige Änderungen gab es beim so genannten Universaldienst, der ein zahnloser Tiger bleibt. Eigentlich hatte die Regierung bei Amtsantritt ein „Recht auf schnelles Internet“ versprochen, letztlich jedoch nur die EU-Vorgaben umgesetzt. Koalitionspolitiker wiegeln ab: Für den Ausbau „weißer Flecken“, also unterversorgter oder gar nicht erschlossener Gebiete, sei das Breitbandförderprogramm zielführender.

Hier spielt EU-Recht eine Rolle: Das Förderprogramm wird aus Steuergeldern finanziert. Das ist beim Universaldienst so nicht möglich, bei dem kommt ein Umlageverfahren zum Zug. In den Topf, aus dem ein etwaiger Ausbau finanziert werden soll, könnten künftig aber nicht nur Netzbetreiber einzahlen, sondern gegebenenfalls auch sogenannte Over-the-Top-Anbieter wie WhatsApp oder Signal.

Solche Anbieter besitzen keine eigene Leitungen, nutzen aber die Netze deutscher Anbieter. Schon in der Netzneutralitätsdebatte kamen diese Modelle auf, um Internetdienste an der Finanzierung der Infrastruktur zu beteiligen. Dieser Ansatz könnte nun erstmals Realität werden. Darüber entscheiden wird die Bundesnetzagentur. An die Stelle des Jahresumsatzes, aus dem sich die Einzahlung der Netzbetreiber errechnet, soll die Anzahl der monatlich aktiven Nutzer:innen im Inland treten.

Fokus auf Videokonferenzen

In der Sache bleibt der Universaldienst praktisch unverändert. Allerdings wurde die schwammige Formulierung, dass „die von mindestens 80 Prozent der Verbraucher im Bundesgebiet genutzte Mindestbandbreite“ als Anforderung gelten soll, sicherheitshalber noch weiter abgeschwächt.


Wenn bestimmte Anwendungen, etwa Videokonferenzen über eine verschlüsselte VPN-Verbindung, auch mit geringeren Bandbreiten funktionieren, dann kann der Wert einfach darauf abgesenkt werden. In der Gesetzesbegründung ist die Rede von 30 MBit/s. Darüber entscheiden soll nicht mehr, wie ursprünglich geplant, die Bundesnetzagentur, sondern das Verkehrsministerium.

Ein „politischer Placebo“, sagt die Infrastrukturexpertin Susanne Blohm vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Ähnlich die Kritik der Opposition: „Der von uns seit Jahren geforderte rechtliche Anspruch auf einen Internetzugang im Rahmen des Universaldienstes wird zwar umgesetzt, aber der Gesetzentwurf der Ministerien entpuppt sich als Minimalversion der EU-Vorgaben, die im Alltag bei weitem nicht ausreichen“, sagt die grüne Infrastruktursprecherin Margit Stumpp.

Stattdessen müsse die Bundesnetzagentur verpflichtet werden, jährlich eine angemessene Mindestbandbreite konkret vorzugeben, „die jederzeit und überall zur Verfügung stehen muss und angepasst wird“, sagt Stumpp – „orientiert an den tatsächlichen Nutzungsgewohnheiten.“ Ähnliches hatten auch Verbraucherschützer:innen gefordert.

Regulierungserleichterungen für Branche

Aus der Branche ist jedenfalls ein Aufatmen zu vernehmen. Wie die Koalition sieht sie den Universaldienst nicht als Ausbaubeschleuniger, sondern will das Tempo selbst vorgeben. „Der eigenwirtschaftliche Ausbau, flankiert von einer umsichtigen Anreiz- und Förderpolitik, bringt uns schneller ans Ziel als jede staatliche Ausbauverpflichtung, die die eh schon knappen Tiefbaukapazitäten bindet“, sagt Stephan Albers, Geschäftsführer des Branchenverbands Breko (Bundesverband Breitbandkommunikation).

Dem erwünschten eigenwirtschaftlichen Ausbau legt das Gesetz jedenfalls nur wenige Steine in den Weg. Wie im EU-Kodex angelegt, auf den die umfassende Novelle zurückgeht, gibt es künftig Regulierungserleichterungen selbst für marktmächtige Anbieter wie die Telekom Deutschland – solange sie Hochgeschwindigkeitsnetze errichten und ihren Wettbewerbern einen fairen Zugang dazu ermöglichen.

Tatsächlich haben Ko-Investitionsmodelle in den vergangenen Jahren immer mehr Fuß gefasst. Der SPD-Abgeordnete Herzog sieht dies als richtigen Ansatz und will dies auch nicht als Deregulierung verstanden wissen. „Ich habe keine Bedenken, dass marktmächtige Unternehmen bevorzugt werden“, sagt Herzog. „Sie werden dazu gedrängt, mit Wettbewerbern zusammenzuarbeiten.“

Gemischtes Bild bei Verbraucherrechten

Positives kann die Verbraucherschützerin Blohm einigen Verbesserungen für Kund:innen abgewinnen, etwa dem Minderungs- und Kündigungsrecht bei zu geringer Bandbreite, den neuen Entstörungsregeln oder den nun vorgesehenen Entschädigungen bei verpassten Technikerterminen. „Alles in allem sind da sehr viele gute Neuerungen dabei“, sagt Blohm. Stressfreier werde der Markt für Verbraucher:innen aber nicht werden, sagt Blohm: „Anbieter lassen sich gerne was einfallen“.

Wie die Abgeordneten im Wirtschaftsausschuss: Die von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) gewünschte Regelung, neben Zweijahresverträgen auch solche mit einjähriger Laufzeit und gedeckelten Mehrkosten zur Pflicht zu machen, wurde aus dem Gesetz genommen. Laut Hansjörg Durz setze die Koalition auf mündige Verbraucher:innen, die selbst entscheiden sollen, welches Angebot sie wählen wollen. „Preisvorgaben des Gesetzgebers sind mit diesem Anspruch nicht vereinbar – und wurden deshalb gestrichen“, so der Unionsabgeordnete.


Hilf mit! Mit Deiner finanziellen Hilfe unterstützt Du unabhängigen Journalismus.

Enregistrer un commentaire

0 Commentaires