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Expertenanhörung zur Urheberrechtsnovelle: „Das Beste, das dem Urheberrecht passieren konnte“?

Schlimmer geht immer - Uploadfilter gegen Uploadfilter

Paul Keller ist Gründer von Open Future, einem „Think Tank for the Open Movement“. Er war als Vertreter von Communia bei einer Anhörung zur Urheberrechtsreform im Deutschen Bundestag als Sachverständiger dabei und berichtet davon.


Es war natürlich im vornherein klar, dass zwei Stunden viel zu wenig Zeit sind, um zehn Expert*innen zur deutschen Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie zu befragen. Aber genau das hatte sich der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Bundestages am Montag zwischen 14 Uhr und 16 Uhr vorgenommen. Am Ende reichte es statt zu der geplanten zwei Fragerunden nur zu einer und als um 16.10 Uhr die letzten Fragen beantwortet waren, hatten die meisten Abgeordneten den Raum (oder ihre remote zugeschalteten Wohnzimmer) schon wieder verlassen.

Alles in allem war der Erkenntnisgewinn aus der Anhörung dann auch eher bescheiden. Richtige neue oder überraschende Beiträge fanden sich nicht in den Eingangsstatements und Antworten der eingeladenen Expert*innen (Offenlegung: Der Autor dieses Beitrages war von der Linksfraktion als Experte eingeladen worden).

Den Ton gesetzt hatte schon am Morgen der CDU-Berichterstatter Ansgar Hevelingschon, der im Tagesspiegel von „einem hart errungenen Kompromiss“ gesprochen hatte und sich weiter mit den Worten zitieren ließ, dass es nicht mehr „viel Spielraum für grundlegende Änderungen im parlamentarischen Verfahren nach der Anhörung“ geben würde.

Wie grundrechtskonform sind Uploadfilter?

Die Anhörung drehte sich vor allem um die Umsetzung des Artikels 17 und im Großen und Ganzen zeichnete sich Unterstützung für den Gesetzentwurf der Bundesregierung ab. Die Einschätzungen zum neuen Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz reichten von „das Beste, was dem Urheberrecht passieren konnte“ (die Bonner Urheberrechtlerin Louisa Specht Riemenschneider, ab 00:43:00 in der Videoaufnahme) bis „verfassungsrechtlich sehr problematisch“ (der Berliner Verfassungsrechtler Christoph Möllers, ab 00:27:25 in der Videoaufnahme).

Das Gros der Expert*innen beurteilte den Regierungsentwurf als einen mehr oder weniger gelungenen Versuch, die inhaltlich sehr widersprüchlichen Vorgaben aus Artikel 17 der EU-Richtlinie ins deutsche Rechtssystem zu übertragen. Julia Reda von der Gesellschaft für Freiheitsrechte verwies in ihrem Eingangsstatement (ab 00:33:45 in der Videoaufnahme) darauf, dass „Deutschland nun zur Umsetzung der Richtlinie verpflichtet sei“ und dass der Bundestag dennoch beachten müsse, „dass die Vereinbarkeit des Artikels 17 mit der EU-Grundrechtecharta akut infrage steht“. Sie verwies hiermit noch einmal auf die polnische Klage gegen Artikel 17 der Richtlinie, die momentan vor dem Europäischer Gerichtshof (EuGH) verhandelt wird.

Insbesondere der für den 22. April erwartete Schlussantrag des Generalstaatsanwalts am EuGH schwebt somit weiterhin wie ein Damoklesschwert über dem deutschen (und allen anderen) Umsetzungsverfahren.

Bis dahin ist es allerdings nicht wahrscheinlich, dass die Detailkritik der meisten Expert*innen noch zu wesentlichen Anpassungen am Entwurf für das Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz führen wird. Eine mögliche Ausnahme bildet hier das sogenannte „Red-Button“-Verfahren. Die Bundesregierung hatte dieses Verfahren ganz zum Ende in ihren Entwurf aufgenommen, um es so „vertrauenswürdigen Rechtsinhabern nach Prüfung durch eine natürliche Person“ zu ermöglichen, Uploads bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens zu blockieren, sofern diese die „die wirtschaftliche Verwertung des Werkes erheblich beeinträchtigen“.

Schlimmer geht immer

Die Rechteinhaber*innen sind hiermit offensichtlich immer noch nicht zufrieden und streben eine weitere Verschärfung an. Vor allem der Vorschlag, den „Red-Button“ auch automatisch (also ohne menschliche Prüfung) betätigen zu dürfen, ist brandgefährlich, da dadurch vollautomatisiertes Filtern selbst für offensichtlich nicht urheberrechtsverletzende Inhalte quasi durch die Hintertür ermöglicht würde. Hiermit würden alle Versuche, die negativen Effekte von Uploadfiltern auf die Kommunikationsgrundrechte einzuschränken, wieder zunichte gemacht.

An diesem Punkt besteht auch nach der Anhörung die Gefahr, dass sich der Gesetzentwurf noch einmal erheblich verschlechtern könnte.

Weitere Attacken der Vertreter [alles Männer] der Rechteinhaber*innen erscheinen eher chancenlos. So forderte Eduard Hüffer für die Presseverleger allen ernstes die Obergrenze für mutmaßlich erlaubte Nutzungen von Textfragmenten auf 50 (!) Zeichen abzusenken, “da in der deutschen Sprache die Essenz eines Artikels in 30 bis 35 Zeichen wiedergegeben werden kann” – ab 00:20:15 in der Videoaufnahme).

In der Anhörungen kamen noch zwei andere Konfliktfelder zur Sprache. Sowohl die Vertreterin von Google als auch die den Rechteinhaber*innen nahestehenden Experten [alles Männer] äußerten sich äußerst kritisch zum Direktvergütungsanspruch für Urheber*innen und ausübende Künstler*innen, der vor allem vom Vertreter der Initiative Urheberrecht vehement verteidigt wurde.

Wie kommen eBooks in die Online-Bibliothek?

Ein letzter Konflikt entspannte sich zu der Frage, ob dem Gesetzentwurf der Bundesregierungen noch Neuregelungen zum Ausleihen von eBooks durch Bibliotheken hinzugefügt werden sollen, um hier endlich Rechtssicherheit zu schaffen und die Blockadehaltung vieler Verleger zu brechen, die sich bisher oft weigern, populäre eBooks für den Verleih zu lizenzieren.

Die Linksfraktion hatte hierzu einen Antrag eingebracht und auch der Bundesrat regt in seiner am 26. März verabschiedeten Stellungnahme eine solche Regelung an, um diesem seit mehr als zehn Jahren vorgetragenen Anliegen der öffentlichen Bibliotheken entgegenzukommen.

Der Kölner Urheberrechtler Christian-Henner Hentsch erkannte zwar an, dass dieses Problem schon seit Jahren bestehe, um dann die Frage zu stellen, „warum es dann ausgerechnet jetzt“ angegangen werden müsse. Er schlug vor, „dem Ganzen noch ein bisschen mehr Zeit zu geben“ (ab 01:39:10 in der Videoaufnahme). Am Ende seines Beitrages verstieg er sich auch noch zu der aberwitzigen Behauptung, dass das Schaffen von Rechtssicherheit beim Verleih von eBooks dazu führen würde, dass Verleger eBooks nur noch nach Ablauf eines Erstverwertungsfensters für gedruckte Bücher auf den Markt bringen würden (offensichtlich ist das Verleihen von eBooks durch öffentliche Bibliotheken so gefährlich, dass Verleger dann lieber gar nichts an eBooks verdienen?).

Hier machte sich noch mal deutlich, dass gerade die Verlegerlobby das Urheberrecht immer noch als ihr exklusives Spielzeug betrachtet, das einzig und allein dazu besteht, ihre Geschäftsmodelle zu schützen – selbst wenn das auf Kosten des Zugangs zur Literatur mitten in eine globalen Pandemie geht.


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