In verschiedenen Vorhaben forschen das Heer und die Luftwaffe an der Vernetzung bemannter und unbemannter Luftfahrzeuge. Die Fähigkeit wird als „Manned-Unmanned-Teaming“ (MUM-T) bezeichnet und meint Drohnen, die etwa im Vorausflug Kampfjets oder Hubschrauber bei der Aufklärung oder dem Angriff auf Bodenziele unterstützen. Die Anzahl der begleitenden Drohnen ist theoretisch unbegrenzt und wird vor allem durch die Rechenleistung des militärischen Kontrollsystems am Boden bestimmt.
Ab 2022 will die Europäische Verteidigungsagentur entsprechende Forschungen finanzieren. Das schreibt das Verteidigungsministerium in der Antwort auf eine Kleine Anfrage. Das geplante Vorhaben firmiert als „Autonomous, Reconfigurable Swarms of Unmanned Vehicles for Defense Applications“ (ACHILLES), die unbemannten Luftfahrzeuge sollen dabei Überwachungsaufgaben erledigen. Zu den Zielen gehört auch die mögliche Einbindung der vernetzten Drohnen in den von zivilen Fluglotsen kontrollierten Luftraum.
Drohnen vom Raketenhersteller
Auch die deutsche Luftwaffe will laut der Antwort weitere Erprobungen mit Drohnenschwärmen durchführen. Als Führungsflugzeug fungiert dabei ein Learjet, der von Zieldarstellungsdrohnen begleitet wird. Ähnliche Tests hatte die Rüstungssparte von Airbus bereits auf einem Truppenübungsplatz durchgeführt. Sie stehen im Zusammenhang mit dem europäischen „zukünftigen Luftkampfsystem“ (Future Combat Air System – FCAS), das Airbus ab 2040 mit dem französischen Rüstungskonzern Dassault Aviation produzieren will. Noch im Sommer soll der Bundestag über die nächste Stufe zur Entwicklung entscheiden.
Im Rahmen des FCAS werden die Drohnenschwärme als „Remote Carrier“ bezeichnet, die über eine „Gefechts-Cloud“ mit dem Kampfflugzeug und Anlagen am Boden vernetzt sind. Zuständig dafür ist den Plänen zufolge Airbus, der hierzu einen Unterauftrag an den europäischen Raketenhersteller MBDA erteilen will.
Wie die im FCAS eingesetzten „Remote Carrier“ aussehen könnten, hat MBDA mit dem RC100 und RC200 vor zwei Jahren auf der Luftfahrtausstellung in Le Bourget gezeigt. Sie wiegen um die 100 beziehungsweise 200 Kilogramm und verfügen über Tarneigenschaften. Gesteuert würden sie mithilfe von Künstlicher Schwarmintelligenz. Als eine der größten Herausforderungen nennt der Raketenhersteller die Fähigkeit, „durchweg schneller als der Gegner zu reagieren“.
Abwurf von Transportflugzeugen
Als Nutzlast könnten die MBDA-Drohnen Sensorik zur Aufklärung befördern, außerdem könnten sie mit Anlagen zur elektromagnetischen Störung und Täuschung gegnerischer Systeme ausgerüstet werden. Auch die Bewaffnung ist möglich, ein hochrangiger Angestellter bezeichnet dies als „integrierte kinetische Wirkung“. Nur dadurch würden die agilen Drohnen von Gegner:innen auch „als Bedrohung wahrgenommen“. Neben Drohnen könnten auch Lenkflugkörper in den tödlichen Schwarm integriert werden und zusammen „in geschützte Gebiete eindringen“.
Der Start der „Remote Carrier“ kann von Kampfflugzeugen, Transportflugzeugen oder auch Schiffen erfolgen. Zum Ende eines entsprechenden Forschungsprojekts hat Airbus erst kürzlich mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt den Abwurf eines Drohnenschwarms von einem A400-Transportflugzeug simuliert. Zu dem Vorhaben gehörte der Entwurf einer entsprechenden Halterung, mit der die Drohnen ähnlich wie Fallschirmlasten abgeworfen werden.
Die Koordination eines Drohnenschwarms stellt hohe Anforderungen an die Pilot:innen von Kampfjets. Deshalb führt die Luftwaffe schon jetzt mit allen Eurofighter- und Tornado-Besatzungen „Human-in-the-Loop“-Untersuchungen für zukünftige Einsatzkonzepte durch. In dieser Studie mit dem Titel OpFoKus („Operative Forderung Kooperation unbemannte Systeme“) sollen Drohnen den Luftkampf unter gegnerischen Kampfjets unterstützen. „Künftig zu erwartende Luftkriegsszenarien“ werden dabei in Simulatoren erprobt.
Mensch gibt „Kontrolle an die Maschine ab“
Auch das deutsche Heer arbeitet seit einigen Jahren an Drohnenschwärmen. Sie sollen einen Helikopter begleiten, Anfang der Zehnerjahre startete die Universität der Bundeswehr in München hierzu das Projekt CASIMUS („Cognitive Automated Sensor Integrated Unmanned Mission System”) zur „semi-autonomen Missionsführung” von Drohnen. Inzwischen werden die Untersuchungen als CASIMUS II fortgesetzt.
Die Universität der Bundeswehr entwickelt außerdem Anwendungen zur „Einsatz- und Führungsplanung aus dem Cockpit“. Über ein solches System können die Helikopterpilot:innen einer Drohne Aufträge für bestimmte Einsatzszenarien erteilen. Laut der Projektbeschreibung gibt der Mensch dabei auch „Kontrolle an die Maschine ab“. Das Assistenzsystem wird mithilfe Künstlicher Intelligenz verbessert, dazu werden die Manöver der Pilot:innen im Simulator mit Blickbewegungsmess-Systemen erfasst und ausgewertet.
In der ersten Phase wurden die Ergebnisse von CASIMUS noch simuliert, zum Vorhaben gehörten laut der Antwort des Verteidigungsministeriums auch Flugversuche mit einem Airbus-Helikopter H145 und einer LUNA NG. Dabei sollte unter anderem die „Gefechtsaufklärung“ erprobt werden.
Hoher Grad an Automatisierung
2017 hat die Firma ESG Elektroniksystem- und Logistik, die regelmäßig Studien für die Bundeswehr durchführt, Verfahren zur Steuerung einer Helikopterdrohne aus einem Hubschrauber heraus untersucht. Die Forschungen erfolgten im Rahmen des Projekts MiDEA („Missionsbegleitung durch Drohnen zur Erkundung und Aufklärung“), das vom Verteidigungsministerium gestartet wurde.
Ein Jahr später hat die ESG die Ergebnisse zusammen mit der Wehrtechnischen Dienststelle der Bundeswehr öffentlich vorgeführt. Dabei erledigte der unbemannte Senkrechtstarter der Firma verschiedene Aufträge, darunter „liefere Aufklärungsdaten“, „erkunde die Waldkante“ und „kläre mögliche Landezonen auf“. Die Versuchsdrohne sei dabei mit einem „hohen Grad an Automation“ geflogen. Im gleichen Jahr hat die Helikopter-Sparte von Airbus ein „Manned-Unmanned-Teaming“ mit einem Hubschrauber H145 und einem Camcopter S-100 des österreichischen Drohnenherstellers Schiebel demonstriert. Laut einem Airbus-Manager soll das System vor allem für Szenarien genutzt werden, bei denen der Abschuss droht.
Airbus zufolge fliegen die Drohnen mit einem hohen Grad an Automatisierung. Dieser wird gemäß internationaler Standards in fünf Stufen eines sogenannten „Level of Interoperability“ (LoI) beschrieben. Die Interaktion eines bemannten und unbemannten Hubschraubers soll das höchste Level 5 erreicht haben. Dabei wird der gesamte Flug, einschließlich Start- und Landevorgang, durch eine Routine erledigt. Airbus will dies zukünftig auch im zivilen Bereich nutzen.
„Übersättigungsangriffe“ mit großer Anzahl von Drohnen
Konkrete Beschaffungen von Drohnenschwärmen sind beim Heer im Moment nicht geplant, der Bedarf ist allerdings bereits formuliert. Ein Positionspapier des Amtes für Heeresentwicklungen hat dazu vor zwei Jahren Szenarien für den zukünftigen Einsatz von vernetzten „Taktischen Unmanned Aerial Systems“ (TaUAS) beschrieben. Diese könnten „von der Aufklärung über Sperren bis hin zu offensiven Wirkmitteln“ verschiedene „Teilaufträge“ erledigen.
Die Heeresdrohnen mit einer Reichweite bis zu 40 Kilometern sollen dem Papier zufolge kaum geschützt sein. Diese hohe Verwundbarkeit könnten sie durch „Übersättigungsangriffe“ einer großen Anzahl von Luftfahrzeugen kompensieren. Die Bundeswehr soll dafür einen Container entwickeln, der 100 solcher Drohnen enthält. An dieser Basisstation sollen sich die TaUAS automatisch aufladen können.
Mithilfe Künstlicher Intelligenz würden die Drohnen weitgehend autonom operieren. Das betrifft explizit auch den Kampfeinsatz. Als unbemannte Waffensysteme sollen sie über die „Fähigkeit zum Schleichen/Einsickern“ verfügen und „in mehreren Wellen zum gezielten schrittweisen Ausschalten von wichtigen Fähigkeiten“ des Gegners eingesetzt werden. Als mögliche Ziele nennt das Amt den Angriff auf „Gefechtsfahrzeuge oder empfindliche Komponenten von leichten gepanzerten Fahrzeugen“.
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