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EU-Parlament: Staatstrojaner bedrohen Grundrechte in der EU

In seinem aktuellen Bericht zur Lage der Grundrechte in der EU verweist das EU-Parlament weiterhin auf die Gefahr, die von Staatstrojanern ausgeht, und fordert Schutzmaßnahmen. Sie sollen das Ausspähen von Journalist:innen, Opposition und Aktivist:innen verhindern.

Die Grundrechtecharta der EU als Buch im Miniaturformat
Grundrechte müssen verteidigt werden, damit sie nicht bloß Papier bleiben. CC-BY-SA 2.0 Jean-Etienne Minh-Duy Poirrier

Wie ist es um die Grundrechte bestellt in der EU? Alle zwei Jahre verabschiedet das EU-Parlament dazu einen Bericht, zuständig dafür ist der Innenausschuss (LIBE). Den neuesten dieser Berichte nutzt der Ausschuss jetzt auch dafür, um auf den Umgang mit Staatstrojanern in Europa hinzuweisen.

Mehr als ein Jahr lang hatte ein Untersuchungsausschuss im Parlament versucht, die Überwachungsskandale in den EU-Staaten Ungarn, Polen, Spanien und Griechenland aufzuklären. Staaten mitten in der EU, die Trojaner eingesetzt haben, um die Geräte von Journalist:innen, Anwälte, Vertreter:innen der Opposition ins Visier zu nehmen. Es war ein wahrhaftes europäisches Watergate. Passiert ist seitdem fast nichts.

Trojaner als Gefahr für die Demokratie

Vermutlich auch deswegen nutzt das Parlament den Grundrechtsreport dazu, um abermals Druck aufzubauen. In gleich drei Absätzen zum Thema betont es seine „Besorgnis über die Verletzung der Grundrechte im Zusammenhang mit der Verwendung von Pegasus und gleichwertiger Spionagesoftware“. Der unrechtmäßige Einsatz von Staatstrojanern, um Politiker:innen, Journalist:innen oder Menschenrechtsaktivist:innen auszuspähen sei eine Bedrohung. „Solche Praktiken sind äußerst alarmierend und unterstreichen die Gefahr des Missbrauchs von Überwachungstechnologien zur Untergrabung der grundlegenden Menschenrechte, der Demokratie und der Wahlprozesse.“

Ungarn, Polen, Griechenland, Zypern und Spanien fordert der aktuelle Bericht dazu auf, die Forderungen des Pegasus-Untersuchungsausschusses umzusetzen und Empfehlungen für gemeinsame EU-Standards zu befolgen, „da die Rechte des Einzelnen nicht dadurch gefährdet werden dürfen, dass ein ungehinderter Zugang zur Überwachung zugelassen wird“.

Der Ausschuss hatte im Mai 2023 seine Arbeit mit einer Reihe von Empfehlungen beendet. Darauf, ein EU-weites Verbot von Staatstrojanern zu fordern, konnten sich die Parlamentarier:innen nicht einigen. Sie wollten allerdings striktere Auflagen für den Einsatz von Staatstrojanern und eine Aufklärung der Vorfälle.

Auch der aktuelle Grundrechte-Bericht erwähnt diese Forderungen: Der Einsatz von Trojanern müsse auf eine Liste von schwerwiegenden Straftaten begrenzt sein, er muss von einer unabhängigen Justizbehörde vorab genehmigt werden und unabhängig beaufsichtigt werden.

In Polen hat das im Dezember neu gewählte Parlament gestern angekündigt, einen Untersuchungsausschuss gründen zu wollen, um die Vorfälle in der Amtszeit der populistischen Vorgängerregierung zu untersuchen. Ungarn verweist dagegen auf seine nationale Sicherheit und behauptet nach wie vor, der Einsatz von Staatstrojanern gegen Journalistinnen, Anwält:innen und Politiker:innen sei völlig legal gewesen. Die dortige Justizministerin nannte die Untersuchung der EU eine „Brüsseler Farce“.

Zieht die Samthandschuhe aus

Rechtsverletzung an den EU-Außengrenzen

Alarm schlägt der Bericht auch zu Einschränkungen der Versammlungsfreiheit und dem Einsatz von Polizeigewalt und Massenverhaftungen bei Demonstrationen. Ein besonderer Fokus liegt außerdem auf Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen: übermäßige Gewalt, der Einsatz von Pushbacks und menschenunwürdige Unterbringung. Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssten dafür sorgen, dass Grundrechte eingehalten werden. Von der EU-Kommission fordert der Ausschuss, „dass die Personen, deren Daten in den Datenbanken der groß angelegten Informationssysteme der EU gespeichert sind, über ihre Rechte informiert werden und Zugang zu verfügbaren Rechtsmitteln haben“.

In einem sehr allgemein gehaltenen Abschnitt zu sogenannter Künstlicher Intelligenz erinnert der Bericht daran, dass beim Einsatz neuer Technologien dafür gesorgt sein soll, dass sie bestehende Diskriminierung nicht verstärken. Wie das geschehen soll, steht dort nicht. Die EU arbeitet derzeit mit dem AI Act an ihrem größten Wurf zu Regulierung von Künstlicher Intelligenz.

Am heutigen Donnerstag wird das Plenum des Parlaments über den Bericht abstimmen. Er ist eine nicht-bindende Resolution, wie bereits der Abschlussbericht aus dem Pegasus-Untersuchungsausschuss. Er hat also keine unmittelbaren rechtlichen Auswirkungen. Die EU-Kommission ist allerdings dazu verpflichtet, innerhalb von drei Monaten auf die Forderungen des Parlaments zu antworten und klar zu machen, welche Maßnahmen sie ergreifen will, um die genannten Grundrechtsverletzungen anzugehen.


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