Weihnachten ist das Fest der Liebe, der Familie, der Zusammenkunft, der langen Bahnfahrten. Viele Menschen aber verbringen ihr Weihnachten alleine unter dem Baum und fühlen sich, im schlimmsten Fall, einsam. Hier können Spiele helfen – zumindest ein bisschen.
Die letzte Linksklick-Kolumne des Jahres könnte sich vielen Themen widmen: Ein Rückblick auf eines der wohl besten Spielejahre überhaupt, in dem so viele höchstbewertete Titel wie schon lange nicht mehr erschienen sind. Oder eine Analyse der Ursachen für die vielen tausend Entwickler*innen, die dieses Jahr – trotz großer Verkaufserfolge ihrer Studios – ihren Job verlieren mussten. Oder ein Text über den ersten Trailer des nächsten GTA-Spiels, der innerhalb von Stunden mehrere Millionen Mal angesehen wurde.
Stattdessen will ich in dieser Kolumne eine Mail aufgreifen, die mich vor einigen Tagen erreicht hat. Ein Leser schrieb mir einen langen Brief, in dem er vom anstehenden Weihnachtsfest erzählte und wie er, kurz nach dem Ende einer langen Beziehung und ohne Kontakt zu seinen Eltern, erstmals ganz alleine unter dem geschmückten Baum sitzen wird. Und er bat mich um Rat, genauer: um Spielempfehlungen, die ihm durch die einsame Zeit helfen würden.
So sehr mich diese Nachricht rührte, so lange musste ich über meine Antwort nachdenken. Welche Spiele empfehle ich einem Menschen, den ich nicht kenne? Spiele, die auf jeden Menschen ganz anders wirken können? Ich kramte auf meiner Festplatte, ich fragte im Freundeskreis und stellte schließlich eine kleine Auswahl zusammen, mit der ich sehr zufrieden bin.
Weil ich weiß, dass dieses Weihnachten nicht nur er, sondern auch viele anderen Menschen aus welchem Grund auch immer alleine bleiben werden, möchte ich diese Sammlung mit euch teilen. Vielleicht ist ja etwas dabei, das euch Kraft, Zuversicht oder mindestens ein paar schöne Stunden in den nächsten Wochen bescheren kann.
Ablenkung in anderen Welten
Zunächst der offensichtliche Weg, den ihr da draußen gehen könnt: Ablenkung suchen in ganz anderen Welten, die vollgestellt sind mit eigenen, faszinierenden, wendungsreichen Geschichten. So können die eigenen Sorgen zumindest ein paar Stunden lang beiseite geschoben werden, um sich ganz auf jeden Zentimeter einer ganz anderen, fiktiven Spielwelt einzulassen. Hier gilt es, natürlich, zuallererst Baldur’s Gate 3 zu nennen: Ein umfangreiches, gigantisches Rollenspiel, das nicht ohne Grund von vielen zum besten Spiel dieses Jahres gekrönt wurde.
Auch ich gehöre zu den Menschen, die von dieser Rollenspielwelt nicht nur verschluckt wurden, sondern laut „Ja!“-rufend freiwillig in den tiefen Schlund der Immersion gesprungen sind. Denn die vielen kleinen und großen Geschichten, die hier von ganz unterschiedlichen Figuren erzählt werden, sind durchgehend so ergreifend, unterhaltsam und unvorhersehbar, dass man nur zu gerne beim Spielen die Zeit vergisst – und ja, auch die Stille in den eigenen vier Wänden.
Wer mit Fantasy wenig anfangen kann und eher Richtung Sterne träumt, sollte einen Blick auf Warhammer 40.000: Rogue Trader werfen. Ein ebenso großes und umfangreiches Rollenspiel wie Baldur’s Gate, nur eben verankert in der Welt der Zukunftsdystopie des berühmten Tabletop-Franchises. Klar, die ist ziemlich düster und trostlos, aber gleichzeitig auch so einzigartig und tief ausgearbeitet, dass man leicht darin versinken kann.
Und schließlich noch ein dritter Vorschlag, der bereits ein paar Jährchen auf dem Buckel hat, aber ohne etwas an Faszination einzubüßen: Horizon: Zero Dawn, eine hoffnungsvolle Postapokalypse, in der eine fähige Kriegerin gegen Robo-Dinos und böse Post-Humanismus-Kulturen antreten muss. Ein Actionspiel, das in seinem Spektakel immer wieder Raum für liebenswerte Charaktere und ihre Geschichten findet.
Bauen, werkeln, hübsch machen
Ein anderer Weg, mit der weihnachtlichen Tristesse umzugehen, führt zu den Spielen, die uns mit motivierenden Aufgaben und To-Do’s überhäufen. Klingt erst mal ironisch, in der freien Weihnachtszeit zu arbeiten, aber vertraut mir: Diese Spiele haben verstanden, wie Arbeit Spaß machen kann. Neben dem Dauerbrenner Stardew Valley, das immer eine gute Idee ist, will ich euch hier zum Beispiel das etwas unbekanntere Coral Island empfehlen: Auch hier übernehmt ihr die Kontrolle über eine Farmlandschaft, die an einem idyllischen Küstenstreifen gelegen ist und euch freie Hand überlässt, was ihr zuerst machen wollt: Nutzpflanzen anbauen? Den heimischen Tierbestand stärken? Einen Beziehungspartner suchen? Korallenriffe säubern? Es gibt viel zu tun – genau richtig also.
Wer großen Respekt vor noch größeren To-Do-Listen hat, aber sich dennoch gerne der „Schaffe, schaffe, Häusle bauen“-Fantasie hingeben will, ist womöglich bei Pioneers of Pagonia besser aufgehoben: eine wuselig-entspannte Aufbausimulation vom „Die Siedler“-Erfinder höchstpersönlich. Es spielt sich zwar extrem konservativ, macht aber genau damit die Fans von damals glücklich. Und euch ja vielleicht auch.
Wer den Aufgabenkatalog noch eine Spur kleiner haben und trotzdem nicht auf eine einnehmende Spielwelt verzichten möchte, sollte einen Blick auf Unpacking werfen: Ein Rätselspiel, in dem wir einer Frau dabei helfen, in die verschiedenen Wohnungen einzuziehen, die sie im Laufe ihres Lebens bewohnt. Zuerst geht’s da vor allem ums logische und kluge Einräumen von Gegenständen, bis dann ein kleiner Twist eine ganz neue Bedeutungsebene eröffnet. Mehr will ich nicht verraten.
Ein bisschen mit Gefühl
Und dann gibt es sicherlich auch noch die Menschen, die sich gar nicht ablenken wollen, sondern sich mit dem unschönen Gefühl unter dem Weihnachtsbaum bewusst auseinandersetzen wollen: Reflektion, aber dank eines Videospiels in Watte gepackt. Auch für euch habe ich drei Empfehlungen, die direkt von meiner persönlichen Festplatte stammen.
Zuerst wäre da Outer Wilds, ein Abenteuerspiel in einem winzig kleinen Sternenkosmos, der ein großes Geheimnis birgt – was genau, das müsst ihr herausfinden. Während eurer Reise erwarten euch nicht nur einige wirklich schöne Twists und Wendungen, sondern eine Vielzahl von Charakteren, die euch ans Herz wachsen werden: Wanderer, Abenteurer, Alleingelassene und Alleingebliebene, die irgendwo im Weltall ihren Platz gefunden haben und nur darauf warten, euch ihre Geschichten erzählen zu können.
Ähnlich rätsellastig, aber doch sehr viel ruhiger und entspannter kommt die Spielwelt von The Spirit and The Mouse herbei, in der ihr als kleine, süße Maus ein idyllisch-französisches Dorf erkunden dürft. Neue Freundschaften wollen geschlossen und Licht ins Dunkle der Nacht gebracht werden. Spielmechanisch nicht allzu herausfordernd, aber das wollen wir in dieser Kategorie ja auch gar nicht haben.
Wer Raum zum Nachdenken will, aber keinen Nerv für Rätseleinlagen hat, sollte sich schließlich einmal A Short Hike ansehen. Eine simulierte Wanderschaft in einer Pastellfarbenwelt, in der es kein Zeitlimit, keine Dringlichkeit, keine Bitten, Flehen oder Sorgen gibt. Einfach nur ein Fuß vor dem nächsten und dabei die schöne Landschaft genießen. Auch das können Spiele.
Und schließlich: Ihr seid nicht alleine.
Auch wenn es sich so anfühlt – alleine seid ihr nicht. Wenn ihr das nicht glauben könnt, empfehle ich euch eine Nachricht an eure Freunde und Freundinnen oder einen Anruf bei der Telefonseelsorge, die mittlerweile auch via Chat-Feature erreichbar ist). Dort wartet ein freundliches, empathisches Team nur darauf, mit euch zu sprechen.
Ich wünsche euch viel Kraft, viele schöne Spielstunden und ein gutes, nächstes Jahr.
Die Arbeit von netzpolitik.org finanziert sich zu fast 100% aus den Spenden unserer Leser:innen.
Werde Teil dieser einzigartigen Community und unterstütze auch Du unseren gemeinwohlorientierten, werbe- und trackingfreien Journalismus jetzt mit einer Spende.
0 Commentaires