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Digitale-Dienste-Gesetz: Pornoseiten werden strikte EU-Regeln erfüllen müssen

Für die Porno-Riesen XVideos, Pornhub und Stripchat gelten in Zukunft ähnliche Auflagen in der EU wie für Google oder Facebook. Sie werden strenger gegen illegale und nicht-einvernehmliche Inhalte vorgehen müssen. Allerdings drohen auch Alterskontrollen, die die Anonymität aller Nutzer:innen gefährden.

Eine Ecke eines Laptopscreens ist zu sehen, darauf das Logo von Pornhub
Pornhub soll bald in der EU das Alter seiner Nutzer:innen überprüfen. – Alle Rechte vorbehalten Adrien Fillon / Imago

Drei große Pornoseiten werden in Zukunft wesentlich strengere Regeln befolgen müssen. Die nachdem EU-Kommission hat heute erklärt, dass sie unter das Digitale-Dienste-Gesetz fallen. Mit der Verordnung will die EU Nutzer:innenrechte auch im Internet besser schützen und gegen illegale Inhalte vorgehen.

Die Pornoseiten XVideos, Pornhub und Stripchat gelten damit als „sehr große Online-Plattformen“. Den Titel erhalten Onlinedienste mit mehr als 45 Millionen monatlichen Nutzer:innen in der EU, egal ob es sich um soziale Medien, Online-Händler oder App-Stores handelt.

Für solche Plattformen gelten seit August besonders strikte Regeln in der EU. Unter anderem werden sie verpflichtet, regelmäßige Risikoberichte zu verfassen und das Alter ihrer Nutzer:innen zu überprüfen, um Minderjährige von pornografischen Inhalten fern zu halten. Bisher hat die EU-Kommission in einer ersten Runde Ende April rund 20 solche „Riesen“ bekannt gegeben. Google Maps, Facebook, TikTok sind dabei, auch Onlinehändler wie Amazon und Zalando.

Notorisch schwer zu regulierende Branche

Diese haben anschließend vier Monate Zeit, um Auflagen zu erfüllen. Bereits im September hatten Recherchen von netzpolitik.org öffentlich gemacht, dass XVideos laut eigener Aussage ein solcher Riese ist: Die Seite mit Sitz in Tschechien gibt an, 160 Millionen monatliche Nutzer:innen in der EU zu haben. Pornhub hat bislang allerdings behauptet, es habe lediglich 33 Millionen Nutzer:innen. Damit wäre die Pornoseite, die zum Konzern Aylo (ehemals Mindgeek) gehört, unter der Schwelle geblieben. Dieser Einschätzung ist die EU-Kommission offensichtlich nicht gefolgt. Nach der offiziellen Erklärung haben die Plattformen nun vier Monate Zeit, um die Auflagen zu erfüllen.

Das Statement der Kommission markiert eine Premiere: Erstmals werden nun Seiten für sogenannte Erwachsenenunterhaltung die neuen Auflagen der EU erfüllen müssen. Pornoseiten gelten als notorisch schwer zu regulieren, die größten sogenannten Tube-Sites mit nutzergenerierten Inhalten gehören einigen wenigen Konzernen, die sich oft hinter Briefkastenkonstrukten verstecken.

Die „systemischen Risiken“, wie die Verordnung sie in den Blick nimmt, sind in ihrem Fall vor allem bildbasierte Gewalt. So nennen es Fachleute, wenn etwa intime Aufnahmen oder pornografische Deepfakes ohne das Einverständnis der Gezeigten veröffentlicht werden. Auch Darstellungen von Minderjährigen in Pornos sind ein Problem, mit dem die Seiten seit Langem kämpfen.

Ein Zusammenschluss von zivilgesellschaftlichen Organisationen hat die Kommission deswegen bereits im Oktober aufgefordert, auch Pornoseiten in den Blick der Verordnung zu nehmen, darunter Access Now, European Digital Rights und der Dachverband von Sexarbeiter:innen ESWA. Die Nutzerzahlen von Pornhub kritisierten sie als unglaubwürdig, Pornoseiten gehörten zu den meistbesuchten im Internet. Sie wiesen auf die Risiken von bildbasierter Gewalt hin, die überwiegend Frauen und Mädchen sowie marginalisierte Personen beträfen.

XVideos wird erste Pornoplattform in der Liga der Riesen

Was die neuen Auflagen für Pornoseiten bedeuten

Solche Risiken werden XVideos, Pornhub und Stripchat in Zukunft nicht nur selbst benennen müssen. Sie müsste auch Lösungen präsentieren, wie die Risiken abzufedern seien und in jährlichen Berichten darüber Rechenschaft ablegen, wie sie solche Inhalte moderieren. Für die Seiten dürfte das eine große Herausforderung sein. Schon heute haben sie Schwierigkeiten in der Masse von nutzergenerierten Inhalten zu erkennen, ob Darsteller:innen etwa minderjährig sind oder ob Darstellungen von Gewalt einvernehmlich und gestellt oder echt sind.

Fachleute weisen auf einen weiteren Vorteil der neuen Regeln hin: Durch die Rechenschaftsberichte hätte man erstmals statistische Daten über das Ausmaß geschlechtsspezifischer Gewalt auf solchen Plattformen, ein neuer Blick hinter die Kulisse.

Sollten die EU-Kommission die Maßnahmen für zu lasch befinden, kann sie auch Strafen verhängen: bis zu sechs Prozent des globalen Umsatzes. Sie könnte die Plattformen auch dazu verdonnern, mehr zu tun und schneller zu handeln. Für Betroffene würde das Entlastung bringen, sagt Elizabeth Ávila González vom Bundesverband der Frauenberatungstellen und -notrufe bff: „Insbesondere in Fällen von bildbasierter sexualisierter Gewalt geht es häufig darum, die Inhalte so schnell wie möglich von der Plattform zu entfernen und Täter-Accounts zu sperren, um Re-Uploads und somit auch eine weitere Verbreitung zu verhindern.“

Alterskontrolle birgt Gefahren für alle Nutzer:innen

Die Designation der Kommission zwingt die Plattformen allerdings auch zu Maßnahmen, die in der Kritik stehen. Plattformen, die als sehr große Online-Plattformen gelten, müssen auch für besonders strikte Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen sorgen. Für Pornoseiten bedeutet das, dass sie in Zukunft gezwungen sind, das Alter ihrer Nutzer:innen zu überprüfen, um sicherzustellen, dass Minderjährige keine Pornos zu sehen bekommen. Welche Technologien sie dabei einsetzen, bleibt erst mal den Betreibern überlassen – sie könnten etwa von allen Nutzer:innen Ausweisdokumente verlangen oder auf das System eines Drittanbieters zurückgreifen.

Um die Altersverifikation tobt derzeit in gleich mehreren Staaten eine Auseinandersetzung: Auch in Großbritannien haben Gesetzgeber Pornoseiten vor Kurzem zu Alterskontrollen verpflichtet. Kritiker:innen weisen darauf hin, welche Gefahren mit der Maßnahme verbunden sind. Ein anonymer Besuch auf den Seiten wäre dann nicht mehr möglich. Nutzer:innen wären gezwungen, ihre persönlichen Daten in die Hände von wenig vertrauenswürdigen Unternehmen zu geben. Betroffen wären nicht nur Jugendliche, sondern viele Millionen Nutzer:innen, die Pornoseiten täglich aufrufen.

Eine Untersuchung im Auftrag der australischen Regierung kam vor Kurzem zu dem Schluss, keine der bisher existierenden Technologien zu Alterskontrolle sei ausgereift genug, um Minderjährige mit Sicherheit von Seiten fernzuhalten. Dort hat sich die Regierung deswegen gegen die Einführung von Alterskontrollen entschieden.


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