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Transatlantische Massenüberwachung: Nimm das doch endlich ernst Ursula!

Die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen hat der Massenüberwachung von Europäer:innen durch die USA ein drittes Mal einen Freifahrtschein ausgestellt. Eine kurzsichtige Entscheidung, die der EU noch erheblichen Ärger bringen wird. Ein Kommentar.

Ursula von der Leyen, Joe Biden
EU-Kommissionspräsidentin Von der Leyen will es ihrem US-Kollegen Biden (l.) einfach machen – Alle Rechte vorbehalten European Union

Als US-Präsident Joe Biden im Ende März 2022 nach Brüssel kam, gab es ein Freundschaftsgeschenk von seiner Gastgeberin Ursula von der Leyen. Die EU-Kommissionspräsidentin hatte für ein leidiges Thema eine Lösung im Angebot: Statt weiter Ärger zu machen wegen der Massenüberwachung der US-Geheimdienste gegen Europäer:innen, sicherte Von der Leyen Biden einen Freifahrtschein zu.

Der „Transatlantische Datenschutzrahmen“ garantiert US-Konzernen wie Facebook, dass sie weiterhin Nutzer:innendaten aus Europa ungehindert in die USA übertragen können. Dass sie dort kaum rechtlichen Schutz vor dem anlasslosen wie massenhaften Zugriff der amerikanischen Behörden haben, daran ändert der neue Datenschutzrahmen ebenso wenig wie seine beiden gescheiterten Vorgänger Safe Harbor und Privacy Shield. Schon 2015 und 2020 erklärte der Europäische Gerichtshof diese Beschlüsse der EU-Kommission für ungültig, die eine Blankoerlaubnis für den Datentransfer in die USA geben. Doch allen Bedenken zum Trotz hat die EU-Kommission nun ein drittes Mal einen Blankoscheck ausgestellt – aus der Zusicherung Von der Leyens im Vorjahr wurde nun eine rechtsgültiger Beschluss. Die Garantien für den Schutz europäischer Daten, die die USA inzwischen abgegeben haben, sehen Datenschützer wie Max Schrems als reinen Taschenspielertrick.

Kern des Problems ist kulturell: Für Von der Leyen sind Datenschutz und Privatsphäre bloß Verhandlungsmasse im transatlantischen Austausch, sie misst ihnen ganz offensichtlich keine größere politische Bedeutung bei. Die oben erwähnte Grundsatzeinigung zwischen der Kommissionspräsidentin und dem US-Präsident kam kurz nach der russischen Invasion in der Ukraine, andere bilaterale Themen wie gemeinsame Aufrüstung gegen Russland galten dann als viel wichtiger.

Politische Kurzsichtigkeit

Die übergroße Nachgiebigkeit gegenüber den USA mag geopolitisch nachvollziehbar sein, ist aber dennoch ein Fehler der Kommissionspräsidentin. Zum einen sollte der Grundrechtsschutz von Europäer:innen, ihre Rechte auf Privatsphäre und Datenschutz, nicht verhandelbar sein. Vor zehn Jahren haben die Enthüllungen Edward Snowdens die Skrupellosigkeit der allgegenwärtigen Überwachung im Netz offenbart. Wenn die EU mit den Achseln zuckt, macht sie sich mitschuldig.

Aber selbst darüber hinaus verrät der Blankoscheck der EU für den transatlantischen Datentransfer kurzfristiges, kurzsichtiges Denken. Schon nächstes Jahr könnte der neue Datenschutzrahmen wieder vor dem Europäischen Gerichtshof landen. Denn Schrems und seine Mitstreiter:innen bereiten schon die nächsten Klagen vor. Werden die Richter:innen, die schon zwei ähnliche Beschlüsse aufgehoben und immer wieder gegen die Unzulässigkeit anlassloser Massenüberwachung gestimmt haben, dieses Mal wegsehen, um der EU-Kommission einen Gefallen zu tun? Jedes Unternehmen, das sein Geschäftsmodell auf den reibungslosen Datentransfer über den Atlantik aufbaut, muss nun abermals Rechtsunsicherheit fürchten.

Mit ihrer Entscheidung, kein grundsätzliches Verbot der Massenüberwachung gegen Europäer:innen mit den USA zu verhandeln, hat Ursula von der Leyen den politisch bequemen Weg gewählt. Die Grundrechtsverletzungen, der rechtliche Ärger, der daraus noch entstehen wird, ist ihr offenbar egal. Für die Möchtegern-Autokraten in Budapest und Warschau, die die EU-Kommission immer wieder für ihre rechtsstaatlichen Verfehlungen kritisiert, wird Von der Leyen damit nachgerade zum Vorbild.


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