Über Monate haben Ermittlungsbehörden das offizielle Pressetelefon der Klima-Protestgruppe abgehört. Davon waren viele Journalist:innen betroffen. Die Abhörmaßnahme hat nun ein gerichtliches Nachspiel.
Die bayerische Polizei hat, wie nach einer Recherche der Süddeutschen Zeitung (Paywall) bekannt wurde, seit Oktober 2022 insgesamt 13 Telefonanschlüsse abgehört, welche die Klimagruppe Letzte Generation nutzt. Unter den abgehörten Anschlüssen war auch das offizielle Pressetelefon der Gruppe. Gegen diese Abhörmaßnahme reichen heute die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) gemeinsam mit Reporter ohne Grenzen (RSF) und drei Journalisten einen Antrag ein, um das Vorgehen der Generalstaatsanwaltschaft München gerichtlich überprüfen zu lassen.
Die GFF schreibt, dass die Letzte Generation die Telefonnummer gezielt bereitgestellt habe, um journalistische Anfragen und Pressekontakte entgegenzunehmen. Die Staatsanwaltschaft und das anordnende Gericht hätten daher wissen müssen, dass die Ermittler:innen laufend Gespräche von Journalist:innen mit der Organisation abhören würden. GFF und RSF wollen nun gerichtlich feststellen lassen, dass dieses gezielte Abhören die Pressefreiheit verletzt.
„Recherchen zu Protestgruppen und das Auftun von Quellen sind elementarer Ausdruck der Pressefreiheit. Wenn Journalist:innen befürchten müssen, dass ihre Gespräche abgehört werden, ist die freie Berichterstattung in Gefahr“, kritisiert Benjamin Lück, Jurist und Verfahrenskoordinator bei der GFF. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Generalstaatsanwaltschaft und das Amtsgericht die Pressefreiheit offensichtlich komplett außer Acht gelassen haben.“
Zahlreiche Journalist:innen betroffen
Im konkreten Fall wehren sich nun die drei Journalisten Ronen Steinke (SZ), Henrik Rampe (frei) und Jörg Poppendieck (rbb) gegen die Abhörmaßnahme. Sie alle hatten sich laut der Pressemitteilung über das Telefon mit der Klimagruppe ausgetauscht. Ronen Steinke, rechtspolitischer Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, sagt: „Journalistengespräche abhören, ununterbrochen, monatelang, und die Abgehörten auch hinterher darüber im Dunkeln lassen – ein solcher Übergriff des Staates höhlt die Pressefreiheit aus. Vertrauliche Gespräche sind für unabhängigen Journalismus essenziell.“
„Diese drei Fälle sind nur die Spitze des Eisbergs. Angesichts der medialen Präsenz der Letzten Generation im Überwachungszeitraum ist die Zahl der potenziell betroffenen Medienschaffenden unüberschaubar groß“, bekräftigt RSF-Geschäftsführer Christian Mihr.
Umstrittene Ermittlungen
Hinter dem abgehörten Pressetelefon steht das Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder der Letzten Generation wegen des Vorwurfs, sie hätten eine „kriminelle Vereinigung“ gebildet. Ende Mai gab es wegen dieser Vorwürfe in mehreren Bundesländern Razzien gegen die Klima-Aktivist:innen. Das Vorgehen passt zum Image des Paragrafen zur kriminellen Vereinigung. § 129 des Strafgesetzbuches gilt auch als „Schnüffelparagraf“. Zu entsprechenden Verurteilungen kommt es recht selten, dafür eröffnet er den Behörden ein breites Überwachungsarsenal.
Das Abhören des Pressetelefons sei ein weiterer Beleg für das repressive Vorgehen der Sicherheitsbehörden im Kontext von Klimaprotesten, schreiben GFF und RSF. Rechtsstaatliche und grundrechtliche Grenzen würden dabei immer wieder bewusst überschritten. Das Verfahren von RSF und der GFF ziele darauf ab, die grundrechtlichen Grenzen für das Abhören von Pressetelefonen solcher Organisationen gerichtlich klären zu lassen und Rechtssicherheit für Journalist:innen zu schaffen.
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