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Innenministerkonferenz: Polizei setzt ohne Rechtsgrundlage Handy-Blitzer ein die allen ins Auto filmen und das auswerten

Eine neue Überwachungstechnik im Straßenverkehr deutet sich im bundesweiten Einsatz an. Rheinland-Pfalz geht mit Kamera und Computerauswertung gegen Smartphonenutzer am Steuer vor. Doch ist dieser Eingriff wegen einer Ordnungswidrigkeit gerechtfertigt?

Innenminister schaut von Brücke auf Autobahn, vor ihm eine Kamera.
In Rheinland-Pfalz überwacht der damalige Innenminister Roger Lewentz (SPD) persönlich mit der Monocam die Autofahrer:innen. (Archivbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Einsatz-Report24

Die Polizei in Rheinland-Pfalz setzt ohne Rechtsgrundlage seit mehr als einem Jahr sogenannte „Handy-Blitzer“ ein, die eine verbotene Nutzung des Smartphones im Straßenverkehr dokumentieren sollen. Dabei wird mit einer Kamera anlasslos in alle vorbeifahrenden Autos hineingefilmt. Eine Software wertet die Aufnahmen aus und speichert dann die Fahrer:innen, die angeblich ihr Smartphone benutzen.

Die Polizei überprüft dann diese maschinell überführten Autofahrer:innen und leitet gegebenenfalls Bußgeldbescheide ein. Bei der Innenministerkonferenz will Rheinland-Pfalz nun diese neue Überwachungstechnik vorstellen, das Land Brandenburg prüft den Einsatz schon jetzt.

In einem Artikel im Spiegel wird die Technik folgendermaßen beschrieben:

Das System, die Monocam, besteht aus einem leistungsfähigen Laptop, einer Kamera und einer KI-gestützten Software, die sogenannte Ablenkungsverstöße voll automatisiert erkennt, also wenn jemand am Steuer ohne Freisprechanlage telefoniert oder in sein Handy tippt. Das Programm wurde vorher mit rund 20.000 Fotos von Fahrzeugführern gefüttert, die das taten. Die Kamera filmt dann den fließenden Verkehr, die Software gleicht das Geschehen auf der Straße mit den Bildern der Handysünder ab. Ist da ein Mobiltelefon im Bereich des Fahrers? Und falls ja, wird es von einer Hand umschlossen? Trifft das zu, signalisiert das Programm einen Treffer. Den schauen sich dann Kontrollkräfte vor Ort an. Am Ende entscheidet immer der Mensch, ob ein Verstoß vorliegt oder nicht.

Keine Rechtsgrundlage

Doch das Verfahren ist derzeit noch umstritten. Laut einem Bericht des ADAC dürfen nach geltender Rechtslage für Verkehrsverstöße verwertbare Foto- und Videoaufnahmen nur bei konkretem Tatverdacht, also nicht verdachtsunabhängig erstellt werden. Genau das passiert aber mit der neuen Überwachungstechnik aus den Niederlanden, bei der alle Autos gleichermaßen und verdachtsunabhängig überwacht werden. Rheinland-Pfalz will deswegen demnächst dafür eine Rechtsgrundlage schaffen.

Juristisch unklar ist auch, ob das bloße in der Hand Halten eines Smartphones ausreicht oder ob das Handy auch bedient werden muss, damit es strafbar ist. Klar ist: Wer kurz auf die Messenger-Nachricht antwortet oder mal eben mit einer Freundin telefoniert, dem drohen 100 Euro Bußgeld und ein Punkt in Flensburg. Bislang konnte die Polizei diese Art der Verkehrssünder nur überführen, wenn sie es selbst sah und dann einschritt. Mit der neuen Technik dürfte die Zahl der überführten Autofahrer:innen deutlich steigen.

Klar ist allerdings, dass die neuen Blitzer die Dichte der Überwachung im Straßenverkehr weiter erhöhen. Während für den Einsatz der Kennzeichenerfassung enge rechtliche Grenzen gelten und diese Fahndung nur bei schweren Straftaten eingesetzt werden darf, filmt der neue Handy-Blitzer grundrechtsinvasiv ins Auto hinein und wertet dann aus, was wir dort tun. Und das zur Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit. Hinzu kommen andere Überwachungsmethoden, wie die Section Control, bei der Kennzeichen erfasst werden und auf einer Strecke die Durchschnittsgeschwindigkeit ermittelt wird. Durch all diese Technologien wird das Netz der Überwachung auf den Straßen immer enger – die Überwachung, die in modernen Autos selbst und meist ohne unser Wissen stattfindet mal ganz außen vor.

Digitalcourage warnt vor Ausweitung

Die Datenschützer:innen von Digitalcourage lehnen das Vorhaben ab, so Konstantin Macher, ein Sprecher der Organisation: „Damit wird eine technische Infrastruktur installiert, die sich einfach auf andere Zwecke anpassen lässt.“ Während jetzt noch nach Handys gesucht werde, könnten mit einem Update auch nach anderen Gegenständen gesucht werden. Auch sei, wenn Kameras und „KI“ schon vorhanden seien, die automatisierte Gesichtserkennung nicht weit.

„Es ist besonders problematisch, so einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ohne Rechtsgrundlage umzusetzen. Das macht eine demokratische Kontrolle der eingesetzten Überwachungstechnik schwierig“, so Macher weiter. Man sei zwar dagegen, dass Menschen durch unaufmerksames Fahren andere Menschen gefährden, eine anlasslose Massenüberwachung sei aber keine verhältnismäßige Maßnahme, um dagegen vorzugehen.


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