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Hinweisgeberschutzgesetz: Zweigleisig zum Ziel

Sachverständige im Bundestag berieten erneut über das Hinweisgeberschutzgesetz. Das war bereits verabschiedet, doch der Bundesrat blockierte. Nun sind aus einem Gesetz zwei geworden. Nicht alle finden das gut.

Bunte Pfeifen in Vogelform
Der Bundesrat soll nur noch einen Teil des Hinweisgeberschutzgesetzes blockieren können. Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Maksym Kaharlytskyi

Einige der Sachverständigen, die heute im Bundestag waren, sprachen bereits letzten Oktober zum gleichen Thema: dem Hinweisgeberschutzgesetz. Doch erneut beschäftigte sich der Rechtsausschuss mit den Regelungen, die Whistleblower:innen besser schützen sollen. Und zwar, nachdem ein erstes Gesetz bereits vom Bundestag beschlossen worden war.

Was ist passiert? Und warum geht es nun um zwei Gesetze? Dass aus einem Gesetz plötzlich zwei wurden, hat mit dem Bundesrat zu tun. Denn der ließ das Hinweisgeberschutzgesetz im Februar durchfallen.

Wenn sich die Ländervertreter und der Bundestag uneinig sind, kommt normalerweise ein Vermittlungsausschuss ins Spiel, um Differenzen zu klären und einen Kompromiss zu finden. Doch die Ampel ging einen ungewöhnlichen Weg. Sie löste die Teile aus dem Gesetz heraus, denen der Bundesrat zustimmen muss. Das ist etwa der Fall, wenn die Regelungen auch die Länder betreffen – hier ihre Beamt:innen. Diese Regelungen steckte sie in ein eigenes Gesetz. Der Rest blieb unverändert: Darin geht es vor allem um Hinweisgebende in Wirtschaft und Bundeseinrichtungen.

Dieser Zug hat zwei Effekte: Zum einen wäre der nicht zustimmungspflichtige Teil dann mit der Abstimmung im Bundestag erledigt – der Schaden durch eine Ablehnung also begrenzt; zum anderen nimmt es denen die Argumente, die im Bundesrat gegen das Gesetz gestimmt hatten. Sie hatten vor allem auf die Belastungen für Unternehmen abgestellt – im neuen Teilgesetz geht es aber nur um die Erweiterung für die Bediensteten der Landesstellen.

„Argumentatives Neuland“

Dass ein Gesetz nach seinem Scheitern im Bundesrat kurzerhand aufgesplittet wird, ist neu in der bundesdeutschen Gesetzgebung. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls der Sachverständige Gregor Thüsing in der heutigen Anhörung. Dass es einen solchen Fall noch nicht gab, hieße zwar nicht, dass es nicht gehe. Man betrete jedoch „argumentatives Neuland“, sagte der Rechtswissenschaftler, der an der Universität Bonn das Institut für Arbeitsrecht leitet.

Thüsing ist in diesem Fall skeptisch, denn eine Teilung eines Gesetzes dürfe nicht willkürlich erfolgen. Daher sei das Vorgehen der Ampel-Regierung risikobehaftet und stehe „unter dem Damoklesschwert der Verfassungswidrigkeit“. Thüsing empfahl, lieber den Vermittlungsausschuss anzurufen und dort nach einem Kompromiss zu suchen.

Ähnlich äußerte sich der Verfassungsrechtler Winfried Kluth. Es gebe keine Sachgründe für die Aufsplittung außer den Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat. Außerdem sei es ein Problem, wenn der Bundesrat dem Gesetz für die Landesebene erneut die Zustimmung verweigere. Es sei ein „materieller Rechtsfehler“, wenn beide Seiten unterschiedlich geregelt würden. Gute Gesetzgebung schließe „die Suche nach Kompromissen ein, wo es Divergenzen gibt“. Er würde das „Sich-Verschließen“ vor einer Kompromissuche nicht als gute Gesetzgebung bezeichnen.

„Wahl zwischen Pest und Cholera“

David Werdermann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte hingegen hält eine getrennte Verabschiedung für zulässig. Ab wann eine Gesetzgebung willkürlich erfolge, sei nicht klar durch Kriterien definiert, und es gebe einen sachlichen Grund für die Teilung.

Kosmas Zittel vom Whistleblower-Netzwerk nannte die Aufteilung des Gesetzes „ein bisschen wie die Wahl zwischen Pest und Cholera“. Wenn nur eines der Gesetze durchkomme, hätte man ein Zwei-Klassen-Recht bei Bundes- und Landesbeamten. Das wäre zum einen nicht mit der EU-Richtlinie konform, zum anderen sende es auch „nicht so ein gutes Signal an die eigenen Mitarbeiter“, wenn man sie schlechter stelle als ihre Bundeskollegen.

Klar ist: Wird nur der erste Teil des Gesetzes verabschiedet, hat Deutschland die EU-Richtlinie weiterhin nicht vollständig umgesetzt. Dabei ist die Regierung bereits in Verzug, bis 2021 hätten die Regelungen bereits fertig sein müssen. Deswegen läuft derzeit ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik samt einer Klage.

Es drohen also Geldstrafen, falls Deutschland die Richtlinie weiterhin nicht oder nur unvollständig umsetzt. Und weiterhin sind Hinweisgebende, die Missstände melden wollten, zu schlecht geschützt.


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