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Aufruf: Hochschulen aller Länder ins Fediverse!

Während viel über ein mögliches Engagement öffentlich-rechtlicher Medien im Fediverse diskutiert wird, sind die Potenziale von Fediverse-Instanzen von Hochschulen bislang kaum Thema. Dabei wäre es höchste Zeit, dass sich gerade Hochschulen ins Fediverse begeben. Ein Aufruf.

Mastodon Artwork
Dieses Bild ziert die Mastodon-Instanz des Massachusetts Institute of Technology (MIT). MIT

Eine Sache haben alle Studierenden gemeinsam, sobald sie an einer Hochschule zugelassen sind: eine offizielle Uni-Mailadresse. Während die Uni-Mailadresse heute für die meisten Studienanfänger:innen wahrscheinlich eine Zweit-, Dritt- oder Viertadresse ist, war es in der Frühzeit des Internets für viele die erste Mailadresse ihres Lebens.

Das Spannende an der Entscheidung für E-Mail als primärem Kommunikationskanal war aber, dass E-Mail ein offener Standard ist. Über die Uni-Mailadresse werden Studierende eben nicht nur mit offiziellen Informationen ihrer Hochschule versorgt, sie können diese auch für jeden anderen Zweck benutzen. Gleichzeitig gehört E-Mail niemandem, Universitäten betreiben in der Regel ihre eigenen Mailserver.

Uni-E-Mail-Adressen waren und sind dabei kein Silo, sondern ein Tor zur digitalen E-Mail-Welt. Und das mit gutem Grund: Wissenschaft ist ein internationales Unterfangen, die Möglichkeit zur Kommunikation über Hochschulgrenzen hinweg ist dafür essenziell. Wie absurd wäre es, ein Mail-System zu etablieren, das nur innerhalb einer Hochschule funktioniert?

Wo bleiben die Universitäten im Fediverse?

Schematische Darstellung des Fediverse
Dienste und Protokolle des Fediverse - CC-BY-SA 4.0 Imke Senst, Mike Kuketz

Das meiste, was für E-Mail gilt, gilt auch für Mastodon und andere Fediverse-Dienste. Und deshalb stellt sich die Frage, warum Universitäten nicht schon längst zusätzlich zu eigenen E-Mail-Servern eigene Mastodon-Instanzen betreiben – und zwar nicht nur für Organisationseinheiten und Lehrende, sondern auch für Ihre Studierenden? Warum bekommen Studierende nicht mit der Inskription neben einer Mailadresse auch einen Mastodon-Handle? Warum hosten Universitäten Vorlesungsvideos nicht über PeerTube im Fediverse?

Es gibt einiges, das für ein stärkeres Engagement von Universitäten im Fediverse spricht:

  • Dezentralität: Dezentrale soziale Netzwerke entsprechen dem dezentralen Charakter von Forschung und Lehre an Hochschulen. So wie das Internet zunächst vor allem ein Netzwerk von Universitätsnetzwerken war, könnten auch Hochschulen dazu beitragen, das Fediverse von der Nische in den Mainstream zu bringen, und dabei eine ideale Kommunikationsinfrastruktur für wissenschaftlichen Austausch schaffen.
  • Nicht-Kommerzialität: Hochschulen tun gut daran, zentrale Kommunikationsinfrastruktur nicht an profitorientierte Unternehmen auszulagern – am besten lässt sich das am (Negativ-)Beispiel des wissenschaftlichen Publikationsmarktes im Allgemeinen und Großverlag Elsevier im Speziellen beobachten. Dass das auch für wissenschaftlich-soziale Netzwerke gilt, zeigen wiederum (Negativ-)Beispiele wie ResearchGate oder Academia.edu, die vor allem durch Intransparenz und Spam auffallen.
  • Sozialität: Universitäten waren immer schon viel, viel mehr als das, was im Hörsaal passiert. Im Austausch untereinander, zwischen „Peers“, passiert wahrscheinlich genauso viel an Wissenstransfer wie in den Lehrveranstaltungen selbst – ganz abgesehen von lebenslangen Freundschaften und Netzwerken.
  • Die lokale Timeline als lokale Studierenden-Community: Bei großen Instanzen wie Mastodon.social ist der Mehrwert der lokalen Timeline begrenzt – zu divers sind die Nutzer:innen. Bei einer Hochschul-Instanz mit automatischer Mitgliedschaft sämtlicher Studierender und Lehrender wäre die lokale Timeline eine eigene Social-Media-Öffentlichkeit der Hochschule.
  • Die lokale Timeline als Alumni-Netzwerk: Gleichzeitig kann die Instanz auch eine niedrigschwellige Möglichkeit sein, mit Absolvent:innen der Hochschule in Kontakt zu bleiben – ein Social-Alumni-Netzwerk quasi. Angesichts dessen, dass Hochschulen immer mehr Ressourcen in den Aufbau und die Pflege von Alumni-Netzwerken investieren, würde sich eine eigene Hochschulinstanz schon allein aus diesem Grund anbieten.

Herausforderung Moderation

Natürlich gibt es auch Herausforderungen, die mit universitären Fediverse-Angeboten verbunden sind:

  • Moderationsaufwand: Mit Sicherheit der erste und wichtigste Einwand gegen eigene Mastodon-Instanzen von Hochschulen ist die Notwendigkeit zur Moderation. Und wahrscheinlich ist das auch der größte Kostenpunkt: Ohne professionelles Community-Management wird es nicht gehen. Allerdings spricht sehr viel dafür, diese vor allem zur Ausbildung und Betreuung von ehrenamtlichen Moderator:innen einzusetzen, die unter Studierenden und Lehrenden rekrutiert werden könnten.
  • Spam: Spam-Probleme gibt es nicht nur bei E-Mail, sondern auch im Fediverse. Gleichzeitig gibt es auch etablierte Werkzeuge, um Spam einzudämmen. Und da Hochschul-Instanzen primär (ehemaligen) Hochschulangehörigen offenstehen, dürfte das Spam-Problem eher geringer als bei völlig offenen Instanzen sein.
  • (De-)Föderierungsentscheidungen: Entscheidungen darüber, mit welchen Instanzen im Fediverse (nicht) föderiert wird, sind immer politische Entscheidungen. Das gilt natürlich auch für die Instanzen von Hochschulen. Es wird also transparenter Regeln und Entscheidungsprozesse bedürfen, wer wie solche Entscheidungen treffen kann und soll. Aber auch das ist nicht unlösbar, sondern eine Frage universitärer Selbstverwaltung.
  • Kosten: Die Kosten für den Betrieb einer Mastodon-Instanz an einer Hochschule sind überschaubar. Vor allem größere Hochschulen verfügen in der Regel über gut ausgestattete, interne Informatikdienste, die problemlos Fediverse-Instanzen hosten können. An den Kosten sollte es also am allerwenigsten scheitern.

Fazit

Universitäten und Hochschulen sind prädestiniert für ein Engagement im Fediverse. Erste vorsichtige Gehversuche mit Mastodon-Instanzen von Hochschulen wie dem MIT oder außeruniversitären Forschungsverbünden wie der Helmholtz-Gemeinschaft weisen bereits den Weg. Das volle Potenzial dezentral-sozialer Netzwerke wird aber erst dann deutlich werden, wenn die Hochschulen auch die Studierenden mit ins Fediverse nehmen.


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