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Irgendwas mit Internet: Fördert endlich Anti-Zensur-Tools!

Täglich erreichen uns Bilder, Videos und Augenzeugenberichte von den Protesten im Iran. Möglich machen das Tools und Programme zur Umgehung der Zensur. Eine menschenrechtsbasierte Außenpolitik muss die Entwicklung und Verbreitung dieser Werkzeuge der digitalen Selbstverteidigung fördern. Wir brauchen endlich Taten statt Worte.

Werkzeuge verpixelt
– Cesar Carlevarino Aragon / Montage: netzpolitik.org

Seit Wochen stehen vor allem Frauen im Iran auf und wehren sich gegen Unterdrückung durch das autoritäre islamistische Regime. Mutige Frauen sterben auf der Straße und in Gefängnissen, weil sie für Freiheit und Selbstbestimmung demonstrieren.

Aus früheren Protesten wie auf dem Tahrir-Platz Kairo wissen wir, wie wichtig solche Bilder und Videos sind. Sie zeigen Anderen, dass man nicht alleine ist. Sie schaffen Mut und bewirken, dass sich immer mehr Menschen trotz Repression auf die Straße trauen, um für ihre Rechte einzustehen.

Das alles würde wahrscheinlich fernab unserer Aufmerksamkeit passieren, wenn es nicht das Internet, Kameras und Smartphones gäbe. Dabei bemüht sich das iranische Regime seit vielen Jahren, eine umfassende Kontroll- und Überwachungsinfrastruktur zu betreiben, um gerade solche Bilder und Videos zu verhindern. Bei früheren Aufständen hat man einige Zeit das Netz laufen lassen, um über eine Vorratsdatenspeicherung genau zu beobachten, wer die wichtigen und relevanten Knotenpunkte innerhalb der Freiheitsbewegung waren.

Wer telefoniert mit wem, wer leitet die wichtigsten Informationen an viele Menschen weiter? Die Vorratsdatenspeicherung bot und bietet ein perfektes Werkzeug für solche Analysen. Die Menschen hinter den Knotenpunkten nahm man dann fest und steckte sie ins Gefängnis, die Bewegung wurde entschieden gelähmt, effektiv kann man das zynisch nennen.

Ebenso wird häufig das Netz runtergedrosselt. Bei 128 KB/s ist das Teilen von Videos und Fotos kaum möglich. Landbewohner:innen bei uns kennen das als Edge-Netz, Internet wird suggeriert, funktioniert aber fast gar nicht. Zusätzlich wird der Zugang zu wichtigen Kommunikations-Plattformen und Webseiten im Netz per DNS-Sperre zensiert. Twitter.com ist per Browser oder App dann nicht mehr ohne technische Umwege erreichbar.

Und trotzdem können viele Menschen aus dem Iran heraus kommunizieren, sich informieren und vor allem ihre Stimme erheben. Sie können Augenzeug:innenberichte senden. Sie können über gestorbene Menschen berichten und Aufmerksamkeit auf sie lenken, damit ihr Tod nicht vollkommen unnötig war. Sie können sich abseits staatlicher Propaganda im Netz informieren und mit der Welt kommunizieren.

Nur digitale Werkzeuge machen es möglich!

Seit mehr als zwei Jahrzehnten gibt es ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen dem Aufrüsten von Kontroll- und Zensurinfrastrukturen auf staatlicher Seite in vielen repressiven Systemen. Und einer globalen Bewegung, die Infrastrukturen und Werkzeuge schafft, um Löcher in die Zensurmauern zu reißen und Menschen Informations-, Presse- und Meinungsfreiheit zu ermöglichen.

Neben VPN-Diensten, sofern sie nicht auch gesperrt sind, ist eine der wichtigsten Infrastrukturen das Tor-Netzwerk, das einerseits anonymisierte Kommunikation schafft und die Umgehung von Zensur ermöglicht. Constanze Kurz hatte vergangene Woche bei netzpolitik.org das Browser-Plugin Snowflake vorgestellt. Aktuell ist es die einfachste Möglichkeit, von unserem Sofa aus Menschen im Iran zu unterstützen, indem wir mit wenigen Klicks etwas Rechenleistung unserer Computer zur Verfügung stellen und damit eine Brücke bauen, um unzensiertes Netz und Anonymität zu spenden. Und das machen viele Tausende: Im internationalen Vergleich liegt die Nutzung von Snowflake bei uns mit Abstand ganz weit vorne. Aber Snowflake baut wiederum nur eine Brücke ins Tor-Netz und genauso wichtig ist, dass es starke Ausgangspunkte im Tor-Netz gibt.

Das Tor-Netzwerk schafft unzensierte Brücken ins Netz

Hier wiederum unterstützen Oranisationen wie der Chaos Computer Club, die Zwiebelfreunde, Digitalcourage und zahlreiche Einzelpersonen mit der Bereitsstellung von sogenannten Exit-Nodes, die den Datenverkehr ins bekannte Internet lenken. Sie gehen damit das persönliche Risiko ein, Besuch von deutschen Ermittlungsbehörden zu bekommen, die sämtliche Hardware konfiszieren.

Andere Alternativen sind derzeit sogenannte Proxy-Server für den Signal-Messenger bereitzustellen, weil dieser wiederum als Einzel-Infrastruktur häufig blockiert wird. Verschlüsselte eMails sind mit GnuPG möglich, auch wenn der Austausch von sogenannten Public Keys als Grundlage der vertrauenswürdigen Kommunikation immer noch nicht so einfach ist, wie er sein sollte. Weil nicht alle Mailprovider mitspielen – auch wenn es positive Beispiele, vor allem in Deutschland, mit posteo.de und mailbox.org gibt.

Aber vor allem basiert der Betrieb dieser Infrastrukturen und die Entwicklung zahlreicher Open-Source-Werkzeuge in der Regel auf vorbildliches ehrenamtlichem Engagement. Zahlreiche Menschen arbeiten in den jeweiigen Communities mit, schreiben Code, reviewen ihn, schreiben Anleitungen, administrieren Infrastrukturen oder klären einfach nur andere Menschen darüber auf.

Der Staat muss diese Werkzeuge fördern!

Und hier könnte, nein müsste eine menschenrechtszentrierte Außenpolitik ansetzen. Indem diese Communities besser finanziell unterstützt werden und nicht in den meisten Fällen vom Zeitaufwand im Privatleben der meisten Beteiligten abhängen. Indem bestimmte Open-Source-Werkzeuge in die Richtung weiterentwickelt werden, dass sie einfacher von vielen Menschen zu nutzen sind. Und Werkzeuge zur digitalen Selbstverteidigung nicht nur privilegierten und gebildeten Menschen zur Verfügung stehen, sondern möglichst allen, die sie in solchen Krisensituationen benötigen.

Symbolische Worte gibt es viele. Es ist Zeit, ihnen Taten folgen zu lassen. Die Zivilgesellschaft geht schon lange vor. Eine menschenrechtsbasierte Außenpolitik muss ihr endlich folgen und sie dabei besser unterstützen.


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