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Überwachung: China sammelt massenhaft DNA in Tibet

Forscher*innen der Universität von Toronto untersuchen in einer Studie, wie chinesische Behörden massenhaft DNA-Daten der tibetischen Bevölkerung sammeln. Die Erfassung bildet einen wichtigen Baustein der chinesischen Repressions- und Überwachungspolitik.

DNA-Doppelstrang
China sammelt massenhaft DNA-Proben – in Tibet und darüber hinaus Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com https://ift.tt/itcRqsA

Die Forscher*innen untersuchen unter anderem das Ausmaß der DNA-Sammlung. Sie schätzen, dass die chinesischen Behörden über die genetischen Fingerabdrücke von bis zu 32 Prozent der tibetischen Bevölkerung verfügen. Für die Studie werteten die Forscher*innen 100 öffentlich zugängliche Quellen aus dem Zeitraum von 2016 bis 2022 aus.

Demnach erstellen die Behörden nicht nur DNA-Profile von Personen, die einer Straftat verdächtigt werden, sondern vielmehr von einem Querschnitt der tibetischen Gesellschaft. Die Maßnahmen sind eine neue Form der sozialen Überwachung und Repression, die sich gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen der tibetischen Bevölkerung richtet. Seit der chinesischen Annexion Tibets im Jahr 1951 hat die dortige Bevölkerung Repressionen erlebt – sie wird überwacht, in ihrer Religionsfreiheit eingeschränkt und ist der Willkür von Polizei und Behörden ausgeliefert.

Die Erhebung der Daten begründen die chinesischen Behörden unterschiedlich. So nutzt die Polizei die DNA-Profile nach eigenen Angaben dazu, um Kriminalität und Terrorismus zu bekämpfen. „In anderen Fällen hat die Polizei gesagt, dass die DNA-Sammlung dabei helfen wird, den Menschenhandel zu bekämpfen und verschollene Menschen wiederzufinden“, so die Forscher*innen.

Die Argumentation erinnert an jene westlicher Sicherheitsdiskurse: Mit Bezug auf mehr Sicherheit rechtfertigen auch hiesige Regierungen weitreichende Überwachungsmaßnahmen wie etwa die Vorratsdatenspeicherung, die Chatkontrolle oder auch die Videoüberwachung.

DNA-Sammlung als Teil der Repressionsstrategie

Die DNA-Daten bilden indes nur einen Baustein der chinesischen Repressionspolitik. Neben der DNA erfassen die chinesischen Behörden auch weitere (biometrische) Daten: Sie nehmen Fingerabdrücke, scannen Gesichter und Iris und zeichnen Stimmen auf. Die Daten fließen in eine zentrale Datenbank und werden dort von den Behörden miteinander verknüpft.

Unter all den gesammelten Daten ist die Erfassung der DNA besonders problematisch. Sie gibt nicht nur Auskunft über einen einzelnen Menschen, sondern die Behörden können mit ihrer Hilfe auch die genetischen Verwandten und Nachkommen einer Person bestimmen.

Die chinesischen Überwachungsmaßnahmen umfassen darüber hinaus Kameraüberwachung mit Gesichtserkennung. Teilweise sind die Kameras auch mit Mikrofonen zur Stimmerkennung ausgestattet. Außerdem durchleuchten die Behörden die Internetaktivitäten der Bürger*innen.

Sammeln der DNA-Daten wird auf ganz China ausgeweitet

Die umfassende Datensammlung beschränkt sich allerdings nicht auf Tibet, wo die chinesische Regierung im Jahr 2014 mit der systematischen Erfassung der DNA begonnen hat. Seit 2016 wenden sie diese Repressionen auch in der Region Xinjiang an, in der die muslimische Minderheit der Uiguren lebt. So müssen die Bewohner*innen in Xinjiang etwa DNA-Proben einreichen, wenn sie Reisedokumente beantragen .

Mithilfe unterschiedlicher staatlicher Maßnahmen wie dem Programm „Ärztliche Untersuchung für alle“ oder dem „System zur Untersuchung männlicher Vorfahren“ weiten die Behörden das Sammeln von DNA-Daten zudem mehr und mehr auf das ganze Land aus. Dies zielt allerdings laut der Forscher*innen nicht darauf ab, Proben von der Gesamtbevölkerung zu erhalten. Vielmehr will Peking auf diese Weise eine repräsentative Stichprobe der chinesischen Gesamtbevölkerung erhalten.

Es ist offenbar zu aufwändig, DNA-Profile von der Gesamtbevölkerung zu erstellen. Die chinesische Regierung versucht daher Rückschlüsse aus den den gesammelten Stichproben zu ziehen – was durchaus möglich sei: „Zum Beispiel kann Chinas ‚männliches Abstammungsuntersuchungssystem‘ DNA-Proben von 35 bis 70 Millionen Männern enthalten“, so die Forscher*innen, was etwa 5 bis 10 Prozent der männlichen Bevölkerung Chinas entspreche. In Kombination mit den „generationsübergreifenden Stammbäumen“ kann die Polizei die männliche Gesamtbevölkerung Chinas erfassen, die rund 700 Millionen Bürger umfasst.


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