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Kann Hetenfeindlichkeit enthalten: Einmal richtig machen

Das Selbstbestimmungsgesetz steht fast vor der Tür. Dabei sollten Behörden und andere auch früh genug an ihre Software denken, findet unser Kolumnist. Denn es gäbe nun die Möglichkeit, es einfach mal richtig zu machen.

Guten Tag!

Seit der ersten Ausgabe dieser Kolumne vor einem Monat wurde meine Twitter-Timeline von einem Thema beherrscht: Marie-Luise Vollbrecht und ihr Vortrag, der auf Schulniveau zu erklären versucht, warum es in der Biologie nur zwei Geschlechter gebe. Die transfeindliche, vermeintliche „Diskussion“ wird mit harten Bandagen geführt, aber ich spare mir eine weitere Zusammenfassung oder gar Analyse. Denn das haben andere bereits getan.

Ich möchte über etwas anderes sprechen: Ende Juni hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ein Eckpunktepapier für das Selbstbestimmungsgesetz vorgelegt. Es soll das in weiten Teilen menschenrechtswidrige Transsexuellengesetz ersetzen.

Diejenigen, die in diesem Kulturkampf eher auf Frau Vollbrechts Seite stehen, schreiben allerlei Unwahrheiten, welche Sachen durch dieses Gesetz möglich sein werden. Was damit wirklich möglich wird: Dass trans, inter und nicht-binäre Menschen einfacher ihren richtigen Namen und Geschlechtseintrag erhalten können. Es erleichtert auch keinen Zugang zu medizinischer Behandlung. Es ist wirklich nicht mehr und ich bin mir sehr sicher, dass 2023 das Selbstbestimmunggesetz kommen wird, egal wie Frau Vollbrecht und ihre Anhänger*innen das finden.

Alles gesagt?

Aber warum dieser Text? Es ist doch alles gesagt, oder? Nein, eine Sache fehlt noch. Es geht um Software und an die sollten Behörden, Unternehmen und sonstige Organisationen schon jetzt denken.

Viele Prozesse und auch Software beinhalten die „Falsehoods Programmers Believe About Names“. Eine der falschen Annahmen: Es gibt nur einen Namen. Und der ändert sich nie.

Klar, Menschen heiraten und ändern den Nachnamen, dafür gibt es – meistens – Prozesse. Bei der Vornamensänderung wird es direkt ein wenig schwieriger. Ich schaue da auf die Deutsche Bahn. Ich kann zwar heute auf der Website der Bahn meinen Nachnamen ändern, nicht jedoch meinen Vornamen. Dafür muss ich mich bei der Bahn melden.

Es ist noch viel zu tun

Wenn das Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet wird, darf es nicht nur bei Ämtern einfacher werden, Namen und Geschlechtseintrag zu korrigieren. Auch andere müssen sich darauf vorbereiten – und da ist noch viel zu tun.

Banken haben wegen des Geldwäschegesetzes und der Abgabenordnung recht hohe Anforderungen an die Identifizierung der Kontoinhaber*innen. Bei der ING konnte ich dennoch einfach meinen aktuellen Personalausweis zusammen mit meinen Ergänzungsausweis der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti) hochladen und zumindest meine Bankkarte wurde auf den von mir verwendeten Namen ausgestellt.

Das Konto läuft weiterhin auf meinen Deadname. Bei Briefen und Kontoauszügen, die ich digital bekomme, gibt es ein Vorsatzblatt mit meinem Namen. Dafür hat die ING in ihrem Online-Banking einen Prozess „Namensänderung“ und im Dokumentendropdown explizit den Ergänzungsausweis zur Auswahl gestellt. PayPal hat den Ergänzungsausweis ebenfalls akzeptiert und wenn ich jemanden Geld sende, steht auf der Empfangendenseite mein richtiger Name.

„Divers“ ist keine Anrede

Wenn Unternehmen und Behörden an den Namensfeldern ihrer Software arbeiten, denken sie hoffentlich auch an das Anrede-Feld. Meistens habe ich die Auswahl zwischen „Herr“ und „Frau“ und manchmal kann ich noch „divers“ auswählen. Das ist gut gemeint, aber nicht gut gemacht. Denn „divers“ ist keine Anrede, sondern ein amtlicher Geschlechtseintrag, genauso wie Herr kein Geschlechtseintrag ist, sondern nur eine Anrede. Ich frage mich schon lange, warum ich nicht mehr Mails mit „Hallo“ oder „Guten Tag“ erhalte. DHL und PayPal machen das neben einigen anderen Unternehmen bereits seit längerem so.

Leider muss die Bahn wieder als schlechtes Beispiel dienen, dort stehen bisher Herr und Frau zur Auswahl. Die Bahn wurde verurteilt, dass sie auch andere Anreden anbieten muss. (Warum die Bahn eine Anrede benötigt, um eine Fahrkarte zu verkaufen, ist eine andere Frage.) Und für was braucht der Onlineshop von zum Beispiel Thalia eigentlich eine Anrede bei der Rechnungsadresse?

Amazon hingegen verzichtet komplett auf die Anrede, es gibt schlicht ein Feld für Vor- und Zunamen. Ausgerechnet Amazon muss als ein gutes Beispiel herhalten – sehr bitter.

Natürlich müssen auch die Mitarbeitenden – egal ob in Behörden oder anderswo – geschult werden, wie Namensänderungen in einer Organisation ablaufen. Und natürlich müssen sie dafür sensibilisiert werden, dass Menschen ihren Namen ändern und auch Wünsche äußern, wie sie angesprochen werden sollen.

Keine Person, die ihren Namen und Geschlechtseintrag korrigiert, tut dies leichtfertig und möchte dann abwertende Kommentare hören oder in Frage gestellt werden, wenn sie ihre Identität mitteilt.

Denen zuhören, um die es geht

Bis zu Verabschiedung des Selbstbestimmungsgesetzes ist zwar noch Zeit, auch wenn Unternehmen sowieso schon Prozesse für soetwas bräuchten. Denn natürlich finden Namensänderungen bereits sowohl nach Personenstandsgesetz als auch nach dem Transsexuellengesetz statt – die Erfahrung zeigt aber, dass oft weder Prozesse noch Ansprechpartner*innen für die Änderung bekannt sind.

Die menschenverachtenden Hürden, die das Transsexuellengesetz bisher aufgebaut hat, werden fallen. Mehr Menschen werden endlich dazu in der Lage sein, ihre richtige Identität auch im Rechtsverkehr zu verwenden. Es ist also spätestens jetzt an der Zeit, Software und Prozesse darauf abzustimmen und Mitarbeitende zu schulen. Es werden sicherlich bei der Umsetzung Fehler passieren. Dabei ist am Wichtigsten, denjenigen zuzuhören, um die es geht: trans, inter und nicht-binäre Menschen.

Glaubt ihnen, wenn sie euch sagen, dass da noch etwas falsch läuft oder diskriminierende Formulierungen gebraucht werden. Nach den vielen Jahren des entwürdigenden Umgangs mit geschlechtlicher Vielfalt können jetzt Behörden, Unternehmen und Organisationen zeigen, dass sie zu Recht zum CSD die Regenbogenfahne hissen – und es einmal richtig machen.


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