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USA: Bibliothekspersonal soll nicht mehr über Abtreibungen sprechen

Eine Frau steht zwischen Bücherregalen und schaut über den Buchrücken in die Kamera.
Die Abtreibungs-Zensur erreicht in Oklahoma auch Bibliotheken. (Symbolbild) Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Maia Habegger

Nach dem Ende des bundesweiten Rechts auf Abtreibung in den USA wird es für ungewollt Schwangere zunehmend schwerer an Informationen zu Abtreibungen zu kommen. Wir haben bereits darüber berichtet, dass digitale Plattformen wie Instagram und Facebook Hinweise über Schwangerschaftsabbrüche löschen.

Jetzt kommt es auch im Analogen zu einer vergleichbaren Zensur: Bibliotheken im US-Bundestaat Oklahoma sollen Kund:innen Informationen zum Thema Abtreibung vorenthalten. Missachtet das Personal diese Warnung, droht den Verantwortlichen neben einer Geldstrafe auch eine Gefängnisstrafe. Eine Person, die für eine Bibliothek dort arbeitet, bezeichnet diese Entwicklung gegenüber dem Magazin Motherboard als „sehr dystopisch“.  

„Abtreibung“ aus Wortschatz streichen

Seit wenigen Tagen ist das größte Bibliothekssystem in Oklahoma, das Metropolitan Library System (MLS), dazu angewiesen, keine Informationen über Abtreibungen an seine Kund:innen weiterzugeben. Das geht aus internen Mitteilungen hervor, die dem US-amerikanischen Magazin Motherboard vorliegen. „Wenn ein Mitarbeiter Informationen darüber gibt, wie man eine Abtreibung erwirken kann, kann diese Person persönlich haftbar gemacht werden und macht auch das MLS haftbar“, warnt eine Mitteilung aus Kreisen der MLS auf Englisch. Das Memo wurde diese Woche per Mail an Mitarbeiter:innen der Bibliotheken verschickt. 

Konkret bedeutet das, das Personal dürfe den Besucher:innen nicht helfen, Informationen zum Thema Abtreibung auf Bibliothekscomputern oder ihren eigenen Geräten zu finden. Außerdem hält die Mitteilung die Mitarbeiter:innen dazu an, das Wort „Abtreibung“ zu vermeiden. Auch das Leitungspersonal hat die Anweisung bekommen, das Thema Schwangerschaftsabbruch offenbar aus seinem Wortschatz zu streichen. „Sprechen Sie nicht darüber“, steht in einem Sitzungsprotokoll, welches Motherboard veröffentlicht hat. 

Die Bibliothekar:innen sollten sich außerdem bewusst sein, dass Kund:innen sie mit Absicht auf die Probe stellen können. Das Memo warnt: 

Es könnte Leute geben, die in öffentliche Bibliotheken gehen und das Personal darauf ansprechen, nur um zu sehen, ob sie Informationen darüber geben. 

Schließlich erlaubt das Abtreibungsgesetz von Oklahoma, wie auch das von Texas, dass Bürger:innen sich gegenseitig verklagen können. Das heißt, Zivilpersonen können an Strafverfolgungsbehörden melden, dass Bibliotheken und Mitarbeiter:innen Informationen zu Abtreibungen bereitgestellt haben und somit Abtreibungen unterstützen. Damit wären Institution und Personal in einem Zivilprozess haftbar. Aus der Mitteilung geht hervor, dass die Verantwortlichen dann ihren Arbeitsplatz verlieren würden und eine Gefängnisstrafe erhalten würden. Außerdem müssten sie 10.000 US-Dollar Strafe zahlen.  

Angriff auf geistige Freiheit

Die American Library Association (ALA) kritisiert die Anordnungen an die MLS den Zugang zu bestimmten Informationen einzuschränken. Als älteste und größte Bibliothekenvereinigung der Welt macht sie darauf aufmerksam, dass solche Anweisungen im Konflikt zu ihren Grundsätzen stehe, die geistige Freiheit zu schützen. Die American Library Association sagt auf Englisch gegenüber Motherboard:

Der Zugang zu Informationen in einer Bibliothek ist eine durch den ersten Verfassungszusatz geschützte Tätigkeit, und die ALA wird dieses Recht verteidigen.

Larry White, der Geschäftsführer der MLS, stellt dagegen in einer gestrigen Mail an Mitarbeiter:innen klar, dass das Rechtsteam die Anweisungen überprüft habe. Die Anleitungen sollen demnach eine Balance darstellen: Auf der einen Seite sollten sie erlauben, Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen zu geben, auf der anderen Seite müssten sie mit den aktuellen Abtreibungsgesetzen konform gehen. 

Nach der aktuellen Version der Richtlinien sei es den Mitarbeiter:innen nur verboten, Meinungen zu Abtreibungen zu geben. Der Zugang zu faktischen Informationen, etwa zu medizinischen Datenbanken oder staatlichen Gesetzen, solle weiterhin erlaubt bleiben. Die Stellungnahme von White lässt allerdings die Frage offen, inwiefern das Bibliothekspersonal über Schwangerschaftsabbrüche informieren können und dabei das Wort „Abtreibung“ vermeiden können. 

Es ist wohl noch unklar, wie die Bibliotheken in Oklahoma letztendlich mit dem Thema Schwangerschaftsabbruch umgehen. Die MLS gibt sogar selbst in ihrem Sitzungsprotokoll zu: „Wir wissen nicht, wie das ‚Leben nach dem Gesetz‘ derzeit aussieht.“ 

Nachdem der Oberste Gerichtshof der USA im Juni das Grundsatzurteil Roe v. Wade gekippt hat, sind Abtreibungen in Oklahoma ganz verboten. Oklahoma hat bereits im Mai diesen Jahr ein sogenanntes „Trigger-Gesetz“ erlassen, welches Abtreibungen in dem US-Bundesstaat ab dem Zeitpunkt der Empfängnis verbieten soll und nach dem gekippten Roe-Urteil automatisch in Kraft getreten ist. Auch in anderen US-Bundesstaaten kam es zu verschärften Abtreibungsgesetzen. Die New York Times bietet eine Übersicht.

YouTube entfernt gesundheitsgefährdende Abtreibungsanleitungen

Der Meta-Konzern hat bereits auf die Post-Roe-Realität reagiert und ihren Zugang zu Informationen über Abtreibungen deutlich eingeschränkt. Nun zieht YouTube nach. Die Videoplattform hat gestern auf Twitter angekündigt, „Anleitungen für unsichere Abtreibungsmethoden“ und „falsche Behauptungen über die Sicherheit von Abtreibungen“ zu entfernen.

Die neue Reglung von YouTube fällt unter die „Richtlinien zu Fehlinformationen“, die Inhalte verbietet, die nach Angaben des Unternehmen „ein ernsthaftes Risiko für Schäden darstellen“. 

YouTube spielt damit offenbar auf Abtreibungsmethoden an, die mit pflanzlichen Mitteln aus dem Bereich der alternativen Medizin arbeiten. Diese sind meist unzuverlässig und können der Gesundheit schaden. Noch ist unklar, welche Inhalte von dieser neuen Regelung betroffen sein werden, etwa ob Videos über Abtreibungspillen darunter fallen. In den USA gelten Abtreibungspillen generell als sichere Methode für den Schwangerschaftsabbruch. Für US-Bürger:innen, die von Abtreibungsverboten betroffen sind, ist das Bestellen von Abtreibungspillen oft eine der wenigen noch verbleibenden Möglichkeiten. 


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