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Kann Hetenfeindlichkeit enthalten: Phrasendrescher

Als queerer Mensch ist es nicht sehr unwahrscheinlich, irgendwo Queerfeindlichkeit zu begegnen – sei es bei einem Spaziergang durch die Stadt, beim Lesen der Zeitung (hybrid) oder irgendwo online. Das Spektrum dieser Feindlichkeit reicht von Mikroaggression über Beschimpfungen und Beleidigungen bis hin zu tätlichen Angriffen und Mord. Das Problem ist so schlimm, dass bei den Behörden Statistiken über queerfeindliche Straftaten geführt werden, die seit Jahren nach oben gehende Zahlen aufweisen. Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland LSVD führt dazu eine Chronik über homophobe und transfeindliche Vorfälle.

In sozialen Netzwerken werden diese Angriffe immer öfter publik gemacht, auch Nachrichtenseiten berichten über besonders krasse Fälle von Queerfeindlichkeit. Mit jeder Veröffentlichung eines solchen Falles äußern sich oft auch Menschen, selbst nicht queer sind. Aber die für die Rechte von queeren Menschen eintreten und ihrer Solidarität Ausdruck verleihen wollen.

Der Sammelbegriff für nicht queere Menschen in dieser Kolumne lautet „Hete“ (Singular) und „Heten“ (Plural).

Sie kommunizieren ehrliche Empörung über die Tat und schieben noch der Hashtag #LoveisLove hinterher – um sich selbst und anderen zu sagen, dass sie an der Seite queerer Menschen stehen. Nachdem in London ein lesbisches Paar brutal zusammengeschlagen wurde, bekamen sie auf ihrer Facebook-Seite ein ermutigendes „Love is Love“ in die Kommentare geschrieben. Auf Berichte von Opfern kommt ein ermutigendes „Lieb doch, wen Du willst“.

„Das ist doch heutzutage gar kein Problem mehr“, bekommen queere Menschen oft nach dem Outing zu hören. Gleichzeitig ist es „so toll, dass ihr offen dazu steht“, wenn sich ein queeres Paar irgendwo zeigt. Es sind so viele Phrasen, dass es schon seit Jahren schwules Bullshit-Bingo gibt.

Die Realität sieht anders aus

So sehr ich mich über Solidarität von Heten freue, so sehr ich mich darüber freue, dass Heten den queeren Kampf mitkämpfen und unterstützen – diese Phrasen machen mich sauer. Strukturelle Queerfeindlichkeit lässt sich nicht mit Phrasen aus den Köpfen dreschen, die ignorieren, dass die queere Realität anders aussieht. Damit ich diese Phrasen also nie wieder hören muss, erkläre ich euch jetzt, was genau das Problem damit ist.

Jede Liebe ist gleich. Es ist doch egal, wer wen liebt. „Love is Love!“

Das ist falsch. Liebe ist eben nicht Liebe. Denn wenn es so wäre, müsste es niemand sagen. Wenn ein homosexueller Mann erzählt, dass er mit einem anderen Mann zusammen ist, sind die Reaktionen anders, als wenn Menschen von ihrer Heteroliebe berichten. Sobald der Homosexuelle sagt, dass er mit einem Mann zusammen ist, den er liebt, kommt sehr oft: „Es ist mir ja egal, was im Schlafzimmer passiert, so lange es nicht illegal ist oder Kinder involviert sind.“

Niemand käme auf die Idee, das bei Heten zu sagen, die ihre Liebe öffentlich bekunden. Ein wichtiger Punkt bei Queerfeindlichkeit ist, dass es den Leuten zwar wirklich egal ist, wen jemand liebt. Es ist allerdings überhaupt nicht egal, wie es jemand tut.

Anstatt dafür zu sorgen, dass queere Menschen im öffentlichen Raum genauso wie Heten ihre Liebe zueinander zeigen können, kommt warme Luft mit Sprechblasen. Queerfeindlichkeit wird von vielen Menschen verurteilt und im Versuch der Solidarität direkt reproduziert. „Das ist doch heutzutage gar kein Problem mehr.“ Das bekommen queere Menschen gesagt, wenn sie von Ängsten berichten. Etwa dass sie Opfer von Angriffen werden könnten, wenn sie sich offen queer zeigen.

Natürlich ist es ein Problem, denn wenn es keins wäre, müssten wir gar nicht darüber sprechen.

Wenn es kein Problem wäre, würden homosexuelle Männer nicht andauernd von Heten hören, dass ihr Arsch aber in Ruhe gelassen wird. Es würden lesbische Frauen nicht ständig von hetero Frauen erzählt bekommen, dass sie ja auch schon mal eine andere Frau geküsst haben. Und vor allem müssten sich queere Menschen nicht ständig so eine Sülze anhören.

Wenn die Heten nicht damit aufhören, muss ich sie auch weiterhin fragen, ob sie die eine Heteroperson in meinem Bekanntenkreis kennen und ob sie sich nicht mal treffen wollen, denn sie würden so gut zusammen passen. Und wehe, die sind dann davon genervt. Ich meine es doch nur gut.


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