Stefan Brink geht: Nach bald sechs Jahren im Amt steht der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (LfDI) Baden-Württemberg nicht für eine zweite Amtszeit zur Verfügung. Die Leitung der Aufsichtsbehörde im Ländle wird damit zum Ende des Jahres frei, die Runde der Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern verliert einen ihrer profiliertesten Köpfe.
Über die Gründe für Brinks Abschied, der für viele in der Datenschutzszene überraschend kommt, ist bisher nichts konkretes bekannt. Offenbar informierte der Jurist die Mitarbeiter:innen seiner Behörde am Mittwochnachmittag über den Schritt, noch während der internen Veranstaltung berichtete zunächst die Südwest-Presse. Demzufolge begründet Brink seine Entscheidung mit Uneinigkeit zwischen ihm und der Landesregierung über die Weiterentwicklung seines Hauses.
Durchsetzungsstarker Bürgerrechtler
Vor seiner Tätigkeit in Baden-Württemberg war Stefan Brink unter anderem als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesverfassungsgericht und in leitender Funktion beim Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz tätig. Der Jurist ist sowohl Mitglied der FDP als auch der Bürgerrechtsorganisation Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und wurde von der Grünen Landtagsfraktion für das Amt vorgeschlagen. Seinen Posten im Südwesten trat er zum 1. Januar 2017 an.
Aufsehen erregte der Datenschutzbeauftragte mit seinen Ermittlungen gegen den Fußballverein VfB-Stuttgart, bei dem im Zuge eines Machtkampfes um die Präsidentschaft eine „Datenaffäre“ um Mitgliederinformationen hochkochte. Brink drohte ein saftiges Bußgeld an, begnügte sich am Ende aufgrund der Kooperationsbereitschaft und Lernwilligkeit des VfB jedoch mit 300.000 Euro. Schwerer fiel da eine Strafe gegen die Krankenkasse AOK aus, die wegen erheblicher Datenschutzmängel unerlaubt Daten aus Gewinnspielen für den Vertrieb nutze. Mit einer Höhe von 1,2 Millionen Euro gehört das Bußgeld zu den höchsten bisher in Deutschland verhängten DSGVO-Strafen (die nicht später von Gerichten kassiert wurden).
Auch in einem Streit mit Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) bewies Brink Durchsetzungsvermögen. Nach einer öffentlich geführten Auseinandersetzung um eine Liste, die die Stadt über sogenannte „auffällige Geflüchtete“ führte, Verbot der LfDI die Datensammlung schließlich mit einer Anordnung.
Ein unermüdlicher Kommunikator
Sein Amt verstand Brink von Beginn an nicht nur als Verwaltungstätigkeit, sondern auch als politische und kommunikative Aufgabe. So erweiterte seine Behörde um ein Bildungszentrum für Bürger:innen und richtete eine Kulturstelle ein. Als erste Datenschutzbehörde in Deutschland veröffentliche der LfDI Baden-Württemberg umfangreiche Arbeitshilfen, die Zivilgesellschaft und Vereinen bei der Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung [PDF] helfen sollten.
Vor allem aber nahm Brink immer wieder kritisch Stellung zu Gesetzesvorhaben seiner Landesregierung und brachte sich in aktuelle politische Debatten ein, sei es mit Gastbeitrag auf netzpolitik.org zum Thema Corona-Contact-Tracing oder mit einem Kommentar zur Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition im Bund. Vor Widerspruch schien Brink sich nie zu fürchten.
Lange Zeit setzte der unermüdliche Kommunikator – häufig hält er Vorträge und diskutiert auf Podien, hat einen eigenen Podcast und veröffentlicht mit seinem Team auch schon mal Songs zum Thema Datenschutz – dabei stark auf das Medium Twitter. Doch inzwischen hat er dem Sozialen Netzwerk den Rücken gekehrt. Nicht etwa, weil er hier für seine Kritik an der Veröffentlichung des Ibiza-Strache-Videos im Mai 2019 einen veritablen Shitstorm kassierte. Sondern weil er nach ausgiebiger rechtlicher Prüfung zu dem Schluss kam, dass die Datenschutzverstöße des US-Unternehmens (wie auch anderer Social-Media-Plattformen) so groß sind, dass staatliche Stellen hier nicht vertreten sein dürfen.
Ärger für den Innenminister
Seitdem äußert sich der 1966 geborene Jurist im Netz vor allem auf der datenschutzfreundlicheren Plattform Mastodon. Bei der auf Twitter sehr aktiven Datenschutz-Community löste dies großes Bedauern aus, brachte Brink jedoch auch den Ruf ein, konsequenter als viele seiner Amtskolleg:innen in Bund und Ländern für den Datenschutz einzutreten.
Tatsächlich überzeugte der LfDI inzwischen auch die baden-württembergische Landesregierung von einem Umzug zu Mastodon. Mit der Grün-Schwarzen Regierung von Winfried Kretschmann verbindet Brink ansonsten ein durchaus spannungsreiches Verhältnis. Während der Ministerpräsident etwa gerne mal in Talkshows sitzt und den Datenschutz pauschal als Problem für die Digitalisierung beschreibt, betont Brink stets, dass beides zusammengehört: Gut gemachter Datenschutz sei kein Hemmschuh für die Digitalisierung, sondern die Voraussetzung für ihr grundrechtskonformes Gelingen.
In seiner Aufsichtspraxis jedenfalls machte Brink auch nicht vor der eigenen Landesregierung halt. Erst kürzlich eröffnete er ein Verfahren gegen den baden-württembergischen Innenminister und Vize-Regierungschef, Thomas Strobl von der CDU. Dieser hatte das anwaltliche Schreiben eines Polizisten, gegen den die Landesregierung wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz prozessiert, an die Presse durchgestochen.
Strobl hatte dies mit „maximaler Transparenz“ begründet, für die Brink sonst durchaus auch streitet. Schließlich ist er nicht nur Landesbeauftragter für Datenschutz, sondern auch für die Informationsfreiheit. Mit der Landesregierung ging er in dieser Rolle oft hart ins Gericht, forderte etwa vehement ein ordentliches Transparenzgesetz für Baden-Württemberg.
Landesregierung in der Pflicht
Ein schlechtes Verhältnis zur Landesregierung sei jedoch nicht der Grund, warum er keine zweite Amtszeit anstrebe, betonte Brink gegenüber dem SWR: „Die Zusammenarbeit hat in vielen Bereichen gut funktioniert, es gab keine ernsthaften Kollisionen.“ Es sei schließlich normal, dass jemand in seiner Funktion regelmäßig Auseinandersetzungen mit der Landesregierung habe.
Dass er sich mit der Landesregierung „nicht auf künftige Projekte einigen“ habe können, wie es die Badische Zeitung berichtet, wird in Datenschutzkreisen jedoch als Hinweis darauf gewertet, dass Grün-Schwarz nicht bereit war, Brink die finanziellen und personellen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, die er für die Weiterentwicklung der Behörde notwendig hielt. Dass Brink hieraus Konsequenzen zieht, ist nur folgerichtig. Die Landesregierung ist nun in der Pflicht, bei der Neubesetzung des Amtes zu zeigen, dass ihr nicht darum ging, einen unbequemen Aufseher loszuwerden.
Zur Ruhe setzen will sich Brink aber ohnehin nicht. Dem SWR sagte er, dass er das Thema Digitalisierung künftig „aus einer privaten Tätigkeit“ und von Berlin aus begleiten will.
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