Etwa seit der Einführung von Handys mit Kamerafunktion berichten Frauenberatungsstellen von diesem Phänomen: Nacktaufnahmen, die gegen den Willen der Gezeigten auf Pornoplattformen veröffentlicht werden – zu betrachten und leicht herunterzuladen für jede Person mit einem Internetzugang. Mal sind es Selfies, mal wurden Fotos aus der Cloud geklaut oder jemand hat heimlich gefilmt. Für die Betroffenen ist es oft eine persönliche Katastrophe. Denn sind die Bilder einmal im Netz, tauchen sie immer wieder auf. Der Versuch sie löschen zu lassen wird zu einer ewigen Jagd.
Umgangssprachlich nennt man das „Racheporno“. Fachleute sprechen lieber von bildbasierter sexualisierter Gewalt, um klar zu machen: Solche Bilder zu machen und ohne Zustimmung zu teilen, hat mit Pornografie wirklich gar nichts zu tun.
Über die Verantwortung der Pornoplattformen in dieser Sache haben wir schon an anderer Stelle berichtet. Gerade weil es aber nach wie vor so einfach ist, solche Bilder anonym hochzuladen, stellt sich die Frage: Was tut eigentlich der Staat, um Betroffene vor diesen neuen Spielarten von Gewalt zu schützen? Was droht einer Person, die sich das Recht heraus nimmt, jemand anderen einfach ohne Erlaubnis nackt einer Weltöffentlichkeit zu präsentieren? Müsste das nicht eine Straftat sein?
Das ist es. Aber es ist ziemlich kompliziert – wie so oft, wenn wir über Phänomene sprechen, die erst mit der Kombination aus „Internet plus X“ so richtig zum Problem wurden. Denn an die verheerende Kombination von Handykameras, versteckten Spycams und Online-Pornografie hat noch niemand gedacht, als das deutsche Strafrecht geschrieben wurde.
Wie zersplittert die Rechtslage rund um bildbasierte Gewalt gerade aussieht und wie man es besser machen könnte, darüber sprechen wir in dieser Folge mit Dr. Anja Schmidt. Sie forscht und unterrichtet an der Universität Halle-Wittenberg zu Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Und sie hat einen sehr konkreten Vorschlag, wie man das deutsche Sexualstrafrecht so reformieren könnte, dass es tatsächlich den Betroffenen und der Schwere dieser Taten gerecht wird.
Shownotes:
- Weltgrößte Pornoseite: So wenig tut XVideos gegen sexualisierte Gewalt
- NPP 223 zu Gewalt auf Pornoplattformen: Ungewollt nackt im Netz
- Die weltweit erste Untersuchung zu bildbasierter sexualisierter Gewalt wurde 2019 in Australien, Neuseeland und Großbritannien durchgeführt (und ist leider irre teuer). Ein Paper zur Verbreitung in Australien ist hier frei zugänglich. Für Deutschland oder die EU gibt es derzeit keine solchen Studien.
- Interview zu bildbasierter sexualisierter Gewalt mit der Anwältin Jacey Kan (Gunda-Werner-Institut)
- Rat und Hilfe für Betroffene sexualisierter Gewalt gibt es in Deutschland bei bundesweiten Frauenberatungsstellen und Frauennotrufen, in der Schweiz bei der Frauenberatung, in Österreich beim Frauennotruf.
- Selbsthilfe von Betroffenen: Anna Nackt
Hier ist die MP3 zum Download. Es gibt den Podcast wie immer auch im offenen ogg-Format.
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