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Zweckentfremdung: Brandenburgs Justizministerin will Luca-Daten für Ermittlungen nutzen

Leute tanzen im Club
Mit der Luca-App checken sich Nutzer:innen in Restaurants, Bars oder Diskotheken ein und sind deswegen nachverfolgbar. Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Pim Myten

Nur eines von 18 brandenburgischen Gesundheitsämtern hat Luca überhaupt regelmäßig zur Kontaktverfolgung genutzt. Seinen ursprünglichen Zweck, nämlich die Pandemiebekämpfung, erfüllt die App schon lange nicht mehr. Die Gesundheitsministerium des Landes Brandenburg hatte angedeutet, dass der Vertrag mit Luca gekündigt werden soll. Das hindert die brandenburgische Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) laut einem Bericht des RBB allerdings nicht daran, jetzt zu fordern, Kontaktdaten der Luca-App auch für die Verfolgung von Straftaten zu nutzen. Die Justizministerin nannte laut dem Bericht „gewaltsame Auseinandersetzungen in einer Lokalität, die in einem Tötungsdelikt endet“ oder eine „Vergewaltigung in einem Restaurant“ als Beispiele für eine Nutzung der Luca-Daten. 

Bislang haben Staatsanwaltschaften in Brandenburg noch nicht auf Luca-Daten zugegriffen, sagte der Innenminister des Landes kürzlich im Innenausschuss. Datenschützer:innen kritisieren seit Langem, dass zur Infektionsbekämpfung erhobene Daten für die Strafverfolgung zweckentfremdet werden. Das Infektionsschutzgesetz sieht eine Zweckentfremdung nicht vor. Schon bei der Einführung von Papierlisten in Bars und Restaurants hatten Ermittlungsbehörden auf diese zugegriffen, dies setzt sich nun bei der digitalen Kontaktverfolgung mit Luca fort. Luca hat sensible Daten, wer sich wann an welchem Ort eingecheckt hat.

Kritik auch aus der eigenen Koalition 

Kritik an der Haltung gab es laut dem RBB von den Freien Wählern und der FDP. Matti Karstedt von der FDP bezeichnete das Vorhaben gegenüber dem Sender als „Präzedenzfall gegen ihre eigene Glaubwürdigkeit“. Nachdem sich herausgestellt habe, dass die Luca-App zum Zwecke der Pandemiebekämpfung völlig ungeeignet war, sollten die Daten nun bei erster Gelegenheit zweckentfremdet werden.

Doch nicht nur bei der Opposition stößt der Vorschlag auf Kritik, sondern auch beim grünen Koalitionspartner: „Wenn der Staat Daten zur Kontaktnachverfolgung Daten erhebt und deren Nutzung auf die Bekämpfung der Pandemie begrenzt, dann sollten Bürger:innen auch darauf vertrauen können, dass die Daten nicht zweckentfremdet werden“, sagt die grüne Landtagsabgeordnete Marie Schäffer gegenüber netzpolitik.org. Sie empfiehlt den Menschen darüber hinaus, die Luca-App zu löschen und stattdessen auf die Corona-Warn-App zu setzen. Die Corona-Warn-App hält keine so sensiblen Daten und kann nicht von Ermittlungsbehörden genutzt werden.

Ob die von der Justizministerin geäußerte Rechtsauffassung sich irgendwie auswirkt, ist allerdings fraglich. Es ist wahrscheinlich, dass auch Brandenburg seinen Vertrag mit Luca demnächst kündigt und wenn die Löschfristen durch die Luca-Betreiber eingehalten werden, gibt es die Daten, welche die Justizministerin nutzen will, bald gar nicht mehr.

Andere Geschäftsmodelle geplant

Neben Brandenburg haben nur noch Hamburg und Niedersachsen das Ende von Luca noch nicht besiegelt. Die Begründung für die Kündigung in den meisten Bundesländern war, dass der Nutzen der App bei der Kontaktverfolgung nicht mehr sichtbar sei. Oftmals hatten auch die Gesundheitsämter die Kontaktverfolgung aufgegeben und die Luca-Daten nicht mehr genutzt.

Kürzlich hatten die Betreiber der Luca-App, offenbar in Vorwegnahme der Kündigungswelle, neue Geschäftsmodelle angekündigt. Zuvor hatten sie konkrete Fragen von netzpolitik.org zu diesem Thema weder dementiert noch bestätigt. Unsere Recherchen hatten einen wahrscheinlichen Ausbau von der Kontaktverfolgung hin zu einer Gastro- und Event-App beschrieben, der Chaos Computer Club hatte schon im Frühling 2021 vor diesem Szenario gewarnt.

In einer Pressemitteilung des Unternehmens heißt es, Luca wolle sich „stärker als Digitalisierungs-Partner der Gastronomie und Kulturbranche positionieren“. Weiter kündigt Luca an, dass die bisherige Integration von Speisekarten in die App „nur der Anfang“ sei. Der Schritt ist umstritten, weil Luca als App gegen die Pandemiebekämpfung angetreten ist und Millionen von Nutzer:innen quasi über Corona-Verordnungen gewinnen konnte. Diese Nutzer:innen könnten nun, wenn sie die App nicht löschen, neuen Geschäftsmodellen zugeführt werden, die mit der Pandemiebekämpfung nichts zu tun haben.

Zuletzt hatte der Identitätsdienstleister IDNow eine Zusammenarbeit mit Luca angekündigt. Mit dieser solle es zukünftig den Nutzer:innen ermöglicht werden, ihre Ausweisdaten zusätzlich zum digitalen Impfnachweis in der Luca App lokal auf dem Smartphone zu speichern. Damit sei es laut den Betreibern möglich, ein Restaurant, Café oder eine Bar nur über die Luca App und ohne manuelle Ausweiskontrolle zu besuchen.


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