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Staatliche Vorzeigeprojekte: Wer profitiert von Digitaler Souveränität?

Eine weiße Wolke über einer Wasserfläche
Die Cloud und digitale Souveränität tauchen oft gemeinsam auf. Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com sendi gibran

Digitale Souveränität ist zu einem Schlagwort der Digitalpolitik geworden. Es fällt häufig, wenn es um europäische IT-Infrastruktur geht. Die einen begrüßen die Idee und sehen sie als Emanzipation aus der Abhängigkeit von großen Tech-Konzernen. Andere sehen darin die Gefahr, dass sie für Nationalismus und gegen die Interessen der Nutzer:innen missbraucht werden könne. Doch wie genau definiert die Regierung eigentlich „Digitale Souveränität“?

Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin für die Bundestagsfraktion der Linken, hat nachgefragt. Als Antwort bekam sie eine Basis-Definition aus der Datenstrategie der Bundesregierung. Dort heißt es: „Digitale Souveränität beschreibt die Fähigkeit sowohl von Individuen als auch der Gesellschaft, die digitale Transformation – mit Blick auf Hardware, Software, Services, sowie Kompetenzen – selbstbestimmt zu gestalten. Digital souverän zu sein bedeutet im Rahmen des geltenden Rechtes, souverän zu entscheiden, in welchen Bereichen Unabhängigkeit erwünscht oder notwendig ist.“

Nationalstaaterei oder individuelle Unabhängigkeit?

Nach Nationalstaaterei klingt diese Antwort mit ihrer Betonung von Individuen und Gesellschaft erstmal nicht. Blickt man jedoch auf die sechs in der Antwort genannten Vorzeigeprojekte der Bundesregierung zu digitaler Souveränität, wird ein anderer Fokus gelegt. Da nennt die Regierung etwa Gaia-X, das „die europäische digitale Souveränität und den Wettbewerb im Bereich Daten und Cloud“ stärken soll. Dafür sollen gemeinsame Anforderungen an eine europäische Dateninfrastruktur entwickelt werden, mit offenen Schnittstellen und Standards. Große US-Datenkonzerne sind zwar an Gaia-X beteiligt, gleichzeitig soll Gaia-X aber auch für mehr Unabhängigkeit von ihnen sorgen.

Als anderes wichtiges Projekt für digitale Souveränität nennt die Regierung die „Deutsche Verwaltungs-Cloud-Strategie“. Mit dem Vorhaben soll ein Problem angegangen werden: Föderale Systeme sind nur begrenzt kompatibel, Anwendungen können kaum von mehreren Stellen aus Bund, Länder und Kommunen genutzt werden. Das soll sich etwa durch Standardisierung ändern. Außerdem sollen so „kritische Abhängigkeiten von Anbietern durch standardisierte, modulare IT-Architekturen“ reduziert werden.

Bereits in der Liste, aber noch in Planung, ist das „Zentrum für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung“. Dessen Ziel: „Europäische Lösungen und Open-Source-Software-Ansätze“ sollen Abhängigkeiten in der Verwaltung auflösen. Das geplante Zentrum soll ein „Bindeglied“ zwischen Verwaltung und Open-Source-Akteur:innen sein.

Viel Wirtschaft, wenig Nutzer:innen

Um einzelne souveräne Nutzer:innen geht es in den Projekten kaum. Im Vordergrund stehen Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft. Domscheit-Berg kritisiert das: „Es ist gut, dass sich die Bundesregierung auch die Förderung von Open Source auf die Fahnen geschrieben hat, aber vor allem scheint sie das Thema Digitale Souveränität mit einer Förderung von Cloud-Infrastrukturen zu verbinden, denn drei der sechs genannten Projekte befassen sich damit“, so die Digitalpolitikerin. Das geplante Zentrum zur Digitalen Souveränität begrüßt sie, wünscht sich aber auch „eine allgemeine Förderung von Open-Source-Entwicklungen“. Diese könnten Nutzer:innen auch außerhalb der öffentlichen Verwaltung mehr Unabhängigkeit von dominanten Plattformen und mehr Selbstbestimmung bringen.

Zwischen der Definition der Bundesregierung und den priorisierten Projekten sieht Domscheit-Berg einen Widerspruch. Die Definition umfasse zu Recht die digitale Befähigung und Selbstbestimmung von Individuen und der Gesellschaft. Aber die genannten größten Maßnahmen und Projekte „fokussieren auf eine wirtschaftliche und/oder staatliche Unabhängigkeit, etwa von dominanten Cloud-Anbietern aus den USA.“ Ihr fehlt die Perspektive der Zivilgesellschaft und der Nutzer:innen. „Mit dieser Sichtweise der Bundesregierung sehe ich nicht, wie das in der Definition beschriebene Ideal der Digitalen Souveränität für Individuen und Gesellschaft erreicht werden soll.“

Domscheit-Berg will nun noch einmal nachfassen, denn nicht all ihre Fragen wurden beantwortet, etwa zur Förderhöhe und zum Förderzeitraum der Projekte. Eine Fortsetzung folgt.


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