Die portugiesische Firma Tekever kann ihre Drohne „AR5“ mittlerweile mit Rettungsinseln für acht Personen ausrüsten. Die neue Fähigkeit wurde bereits in mehreren Tests über dem Atlantik erprobt, der Hersteller zeigt dies nun in einem Video.
Mithilfe von Bordcomputern berechnet das System den optimalen Abwurfpunkt. Das Rettungsmittel soll dabei in einer ausreichenden Entfernung zum Seenotfall abgesetzt werden, sodass die Betroffenen nicht zusätzlich gefährdet werden.
Flüge im Mittelmeer und Ärmelkanal
Nach Angaben der Firma soll die neue Ausstattung künftig nach Europa und Afrika geliefert werden. Um welche Länder es sich dabei handelt, bleibt aber unklar.
Zehntausende Menschen sind bereits auf dem Weg nach Europa auf dem Mittelmeer ertrunken. Auch im Ärmelkanal kommen immer wieder Menschen auf seeuntüchtigen Booten zu Tode. In beiden Meeresgebieten könnte die „AR5“ von Tekever nun Leben retten.
Tekever fliegt die „AR5“ für Mittelmeeranrainer wie Spanien, Portugal und Italien, dies erfolgt im Auftrag der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA), die auch die Kosten übernimmt. Für die unbemannte Migrationsabwehr im Ärmelkanal gehört das britische Innenministerium seit 2019 zu den Kund:innen von Tekever. Die dabei aufgenommen Videos werden dem Hersteller zufolge auch an die französische Küstenwache übermittelt.
Rettungsinseln statt Raketen
Zuvor hatte bereits der israelische Rüstungskonzern Elbit Flüge seiner „Hermes 900“ mit Rettungsinseln über dem See Genezareth demonstriert. Während die „AR5“ das Rettungsmittel in ihrem Rumpf transportiert und mit geöffneter Klappe abwirft, hängen bis zu vier Rettungsinseln bei der „Hermes 900“ an den eigentlich für Raketen oder Sensoren vorgesehenen Aufhängepunkten unter den Flügeln.
2020 hat die Firma zusammen mit der Küstenwache in Wales die mögliche Integration dieser „Seepatrouillen-Konfiguration“ in den britischen Luftraum nachgewiesen. Diese Version sei bereits an einen ungenannten Kunden in Südostasien geliefert worden.
Keine Seenotrettung für Frontex
Demnächst sollen auch Aufklärungsflüge mit Elbit-Drohnen für Frontex im Mittelmeer beginnen. Derzeit fliegt die EU-Grenzagentur dort mit einer „Heron 1“ von Israel Aerospace Industries vom Internationalen Flughafen in Malta. Hauptauftragnehmer ist der deutsche Ableger des Rüstungskonzerns Airbus, der auch für die Steuerung und Reparatur der Drohnen verantwortlich ist.
Die Ablösung der „Heron 1“ durch die „Hermes 900“ erfolgt nach Erledigung der in der Ausschreibung geforderten 1.200 Flugstunden, beziehungsweise 180 Einsatztage. Eine Ausstattung der Drohnen zur Seenotrettung war dort aber nicht gefordert.
Noch ist unklar, wo die „Hermes 900“ im Frontex-Auftrag stationiert wird. Möglich ist dies in Malta, Italien oder Griechenland. Hauptauftragnehmer für die Flüge, Logistik und Wartung ist die britische UAS Tactical Systems Ltd. (U-Tacs), ein Gemeinschaftsunternehmen von Elbit mit dem französischen Rüstungskonzern Thales.
Forschungen für bessere Sichtung und Ortung
Im Projekt „Such- und Rettungshilfe mit hochpräzisem EGNSS“ (SARA) ließ auch die EU-Kommission den Einsatz von Drohnen bei einer konkreten Rettungsmaßnahme erproben. Ein Quadrokopter war dabei über ein dehnbares Kabel mit einem Schiff verbunden, um das in Seenot befindliche Boot auf Zentimeter genau zu orten und aus der Luft zu beobachten. Die vorwiegend italienischen Beteiligten des SARA-Konsortiums sollen von der italienischen Küstenwache für die Forschungen gewonnen worden sein. Die Kommission bezeichnet das Projekt als „Antwort auf die Migrationskrise“ von 2015.
Zudem experimentieren auch private Seenotretter:innen mit Drohnen, damit wollen sie die Sichtung von Booten in Seenot verbessern. Mitglieder des an der Hochschule Augsburg angesiedelten Projekts „SearchWing“ haben hierzu eine wasserdichte Selbstbaudrohne entwickelt, die von einem Schiff gestartet und im Salzwasser gelandet werden kann. Tests erfolgten bereits in der Nord- und Ostsee sowie zusammen mit dem Verein Sea-Eye im Mittelmeer.
Mit ähnlichem Ziel, aber erheblich mehr Mitteln forscht auch die Bundespolizei mit der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger an der Seenotrettungsdrohne „LARUS“. Sie soll aber erst aufsteigen, wenn ein Notruf eingeht, und anschließend Lageinformationen an Rettungseinheiten übermitteln. Die Position der Schiffbrüchigen wird dabei mit einem Lasermarkierer angezeigt.
Völkerrechtswidrige Pullbacks
Auch wenn die EMSA oder Frontex zukünftig Drohnen zur direkten Seenotrettung einsetzen, würde das Problem einer abgeschotteten Festung Europa nicht grundsätzlich gelöst. Seit 2017 baut Frontex einen Flugdienst aus bemannten und unbemannten Luftfahrzeugen auf und bietet diese Flüge den Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen an. Vielleicht hat die Grenzagentur dabei Informationen geliefert, die völkerrechtswidrige Zurückweisungen durch die kroatische Grenzpolizei zur Folge hatten.
Eine solche Mit- oder Beihilfe an sogenannten Pushbacks übernimmt Frontex auch im zentralen Mittelmeer, Flüge erfolgen seitdem vor allem in der libyschen Seenotrettungszone. De facto übernimmt die EU damit die Luftaufklärung für Libyen, das vermutlich erst in einiger Zeit über solche Mittel verfügt. Frontex übermittelt sämtliche Koordinaten von Seenotfällen an die libysche Küstenwache, damit diese die Geflüchteten nach Nordafrika zurückholt.
Damit ist die Grenzagentur zwar nicht an Pushbacks beteiligt, leitet aber sogenannte Pullbacks nach Libyen ein, so internationale Jurist:innen. Frontex oder die EU-Mitgliedstaaten dürften die auf dem Meer entdeckten Schutzsuchenden gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention nicht nach Libyen zurückbringen. Wenn stattdessen die libysche Küstenwache damit beauftragt werde, verstoße auch dies gegen das Völkerrecht – insbesondere wenn sich die Betroffenen bereits in europäischen Gewässern befanden.
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