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Afghanistan: Die ganze Verlogenheit der Bundesregierung

Menschen an Flughafenmauer

Ich kämpfe seit Jahren für Grund- und Menschenrechte im digitalen Zeitalter. Das heißt für mich nicht nur Überwachung, Datenschutz und Freiheitsrechte, Facebook, Apple oder der nächste große Datenskandal.

Es geht um Menschenrechte. Und damit auch um das, was in Afghanistan gerade passiert. Oder nicht passiert. Es geht um die Fassungslosigkeit, wenn man hört, wie Soldat:innen von der Bundesregierung allein gelassen werden, die ehrenamtlich versuchen, die Ausreise von afghanischen Verbündeten zu organisieren. Die Wut, die in einem aufsteigt. Die zugeschnürte Kehle.

Deutschland hätte mit frühzeitiger Planung tausenden Menschen zu ihren Menschenrechten und einem Leben in Würde verhelfen können, indem man sie aus Afghanistan ausfliegt und ihnen bei uns Asyl gewährt. Vor allem auch solche Menschen, die als Verbündete – oder wie man in Deutschland sagt: Ortskräfte – bei dieser zwei Jahrzehnte währenden, vollkommen erfolglosen Militäroperation geholfen haben. Deutschland hat nicht einmal ihre Visa bearbeitet, sagt der Soldat, der mit seiner gemeinnützigen Organisation helfen wollte.

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Und wer steckt hinter diesem Versagen: Es sind die gleichen Akteure, mit denen wir es bei Datenschutz, Grundrechten und Überwachung immer zu tun haben. Es ist der gleiche CSU-Innenminister, der keine Grundrechtsverletzung auslässt und noch vor zwölf Tagen bei der EU-Kommission forderte, dass Menschen nach Afghanistan abgeschoben werden sollen. Zu einem Zeitpunkt als die islamistischen Fanatiker der Taliban schon eine Stadt nach der anderen erobern.

Es ist der gleiche leidige CDU-Kanzlerkandidat, der in seinem Bundesland das Versammlungsrecht verstümmeln will und jetzt im Wahlkampf die Krise nutzt, um Ängste vor einer „Flüchtlingswelle“ zu schüren. Mit den Sprüchen der Rechtsradikalen. Der gleiche leidige Laschet, der jeden Termin absagt, wo er kein Feelgood bekommt, aber Anfang August noch Menschen ins Land der Taliban abschieben will

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Und dann stellt sich der SPD-Außenminister Maas hin und tut so, als seien alle überrascht worden. Wir haben ja nichts mitbekommen, wir hatten ja keine Zeit. Seit Jahren wird über das Problem der afghanischen Ortskräfte nach dem Abzug geredet – und dass man sie schützen muss. Das ist kein Thema, das erst gestern plötzlich aus dem Nichts auftauchte.

Der Zeitfaktor führt uns zum Geheimdienst: Mit dem neuen BND-Gesetz wurde dem Auslandsgeheimdienst alles erlaubt, was vorher illegal war. Ein Geheimdienst, der immer wieder argumentiert hat, dass Massenüberwachung so wichtig für die Informationsgewinnung sei. Der sich rühmt für seine Frühwarnfunktion. Heute kann man nur konstatieren: Entweder hat dieser Geheimdienst nichts drauf oder die Bundesregierung lügt uns ins Gesicht, dass sie nichts vom schnellen Vorstoß der Taliban gewusst hätte.

Hilflosigkeit, Scham und Wut

Es ist beschämend, dass die Regierungskoalition im Juni den Antrag der Grünen auf Rettung der Ortskräfte zusammen mit der AfD ablehnte und jetzt so tut, als würde sie alles für deren Rettung tun. Dafür scheint es jetzt zu spät zu sein, und allen, die mit Deutschland in Afghanistan zusammengearbeitet haben, droht der Tod durch die Taliban. Den Rest erwartet eine autoritäre islamistische Herrschaft, in der Frauen- und Menschenrechte schlicht nicht vorhanden sind.

Seit über zwanzig Jahren verkauft man uns den Krieg in Afghanistan als Akt der Demokratisierung und der Menschenrechte. Das war auch das Lied der Grünen, die 2001 für diesen Krieg gestimmt haben. Doch wenn es darauf ankommt, dann wird klar: Menschenrechte haben nicht einmal jetzt für diese Bundesregierung eine Bedeutung, wo man sie unbürokratisch mit staatlicher Fluchthilfe hätte gewähren können. Es bleibt ein Gefühl der Hilflosigkeit, der Scham und der Empörung, aber aus der Wut entstehen immerhin auch Protest und Aktionen.

Dass es in einer Situation, in der Millionen Menschen unter dem Regime der Taliban leiden werden, in der deutschen Debatte nur darum geht, wie man diese Geflüchteten abwehren kann, zeigt die Verkommenheit des menschenrechtlichen Diskurses in diesem Land. Asyl ist keine Gnade, sondern eine völkerrechtliche Verpflichtung und ein im Grundgesetz verbrieftes Recht. Und warum wir dieses Recht im Grundgesetz haben, daran sollten wir immer denken.

In dieser humanitären und politischen Krise zeigt sich die Verlogenheit von Union und SPD noch einmal mit einer Deutlichkeit, die hoffentlich niemand bis zur Bundestagswahl vergessen wird.


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