Was muss geschehen, damit Open-Source-Projekte nicht als gute Idee im Sand verlaufen, sondern nachhaltig weiterentwickelt werden? Warum gibt es immer noch viel weniger Frauen als Männer, die offene Software gestalten? Und wie können Nutzende dazu bewegt werden, souveräner mit Technologien umzugehen? Das sind zentrale Fragen, die ein Zwischenbericht des Prototype Fund genauer unter die Lupe genommen hat.
Der Prototype Fund ist ein Förderprogramm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und richtet sich an Software-Entwickler:innen in Deutschland, die gemeinwohlorientierte Open-Source-Projekte entwickeln. Über sechs Monate können sie durch das Programm finanzielle Unterstützung bekomme und werden von der Open Knowledge Foundation Deutschland betreut. Gleichzeitig wertet der Prototype Fund aus, welche Probleme es bei Open-Source-Projekten in den verschiedenen Förderrunden gibt und wie sie sich lösen lassen.
Oft fehlt bei Entwickler:innen der lange Atem
So nahm die Begleitforschung in den Blick, warum Open-Source-Projekte oft kurzfristig aufblühen, sich langfristig aber nicht halten können: Wenn der Quellcode öffentlich zugänglich ist, fühle sich unter Umständen niemand verantwortlich, das Projekt konstant aufrecht zu erhalten. Zudem sei der Reiz für Entwickler:innen häufig größer, etwas komplett neu zu entwickeln als Vorhandenes weiterzuentwickeln. Außerdem stellen die Autorinnen des Reports fest, dass bestehende Förderungen für Gründungen im Bereich gemeinwohlorientierter Open-Source-Projekte oft gar nicht greifen.
Der Bericht stellt einzelne, vom Fund geförderte Projekte heraus, die Strategien fanden, sich dennoch nachhaltig auszurichten. So habe sich bei UwaziML, einer Open-Source-Lösung für die Organisation, Analyse und Veröffentlichung von Dokumenten, die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Forscher:innen, Journalist:innen und Menschenrechtler:innen bewährt. In diversen Teams sei es leichter, neues Personal zu finden und zu integrieren.
Ein anderes Positiv-Beispiel aus dem Bericht ist das Projekt Datenguide. Hier sei der Wissenstransfer in andere Bereiche das Erfolgskriterium. Das Tool von Datenjournalist:innen bereitet Statistiken verständlich auf – ursprünglich für andere Journalist:innen. Mittlerweile beraten sie aber auch Verwaltungen, wie sie ihre Daten öffnen können.
Mehr Genderdiversität in der Männerdomäne
„Die Anwendung und Umsetzung technologischer Produkte wird bisher weitgehend von Männern betrieben“, heißt es in dem Bericht zur dritten Förderrunde. Aber warum? Schon an Schulen und später an Universitäten gebe es wenig weibliche Vorbilder und Unterstützung für Frauen im Tech-Bereich. Die vorhandenen Unterstützungsstrukturen seien häufig eher den privilegierteren Schichten zugänglich. Bei der Analyse der im Prototype Fund eingereichten Bewerbungen fiel zudem auf, dass Frauen im Bereich von Infrastrukturprojekten besonders unterrepräsentiert waren.
Es zeigte sich, dass besonders viele Frauen am Berufsanfang oder vor einem Quereinstieg in die Branche stehen. Daher schraubte der Prototype Fund den Eigenanteil, den Teilnehmende für Projekte aufbringen müssen, in der dritten Programmphase von 40 auf 5 Prozent herunter. „Damit wird das Programm attraktiver für Personenkreise ohne große finanzielle Rücklagen“, so der Bericht. Außerdem empfehlen die Autorinnen Weiterbildungsmaßnahmen im Bereich Diversity, agile Arbeitsmethoden und Internationalisierung von Projekten, um sie attraktiver für Frauen zu machen.
Offene Technologien brauchen souveräne Nutzer:innen
Offene Software ermöglicht Anwender:innen zwar theoretisch, Systeme zu prüfen und nach Datenschutz und Sicherheit zu entscheiden, wie sie die Anwendungen nutzen möchten. „Diese informierte und handlungsstarke Position ist aber nicht allen Nutzer:innen gleichermaßen möglich“, so der Bericht zur vierten Förderrunde. Digitale Teilhabe, digitale Kompetenz sowie digitale Mündigkeit und Selbstermächtigung seien wichtig, um Souveränität der Nutzer:innen zu fördern.
Konkret kann das so aussehen wie beim Projekt Mein.Luftdaten.info. Es setzt auf möglichst breite Beteiligung von Schüler:innen bis zu Rentner:innen, die selbst offene Umweltdaten produzieren können. Ein einfacher und kostengünstiger Bausatz animiere auch nicht-Technik-affine Menschen dazu, einen Feinstaub-Sensor zu bauen und in der eigenen Lebensumgebung einzusetzen.
Ein anderes Beispiel für digitale Teilhabe ist das Projekt Freigeist. Es ermöglicht Menschen mit kognitiven Schwächen, selbstständig Aufgaben im Arbeitsalltag zu erledigen, die ihnen ohne die Hilfestellung verwehrt bleiben. In einem ersten Teilprojekt verfolgen Bewegungssensoren die einzelnen Arbeitsschritte bei der Zubereitung von Speisen. Interaktive Videoprojektionen blenden dann Hilfestellungen ein, sodass die Menschen in einem Bistro eigenständig arbeiten können.
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