In der gestrigen 20 Uhr-Ausgabe im Fernsehen zeigte die Tagesschau zur Meldung „Corona-Notbremse soll Ende Juni auslaufen“ im Hintergrund ein Foto aus der Stadt Marburg. Ganz klein auf einem Haus in diesem Bild war der Schriftzug „FCK AFD“ (Fick die AfD) zu sehen. Das fiel einerseits Menschen positiv auf, aber es gab auch eine Beschwerde eines AfD-Abgeordneten auf Twitter.
Diese Reaktion wiederum löste bei der Tagesschau offenbar hektische Betriebsamkeit aus. In einem Akt falsch verstandener Neutralität tauschte die Redaktion das Hintergrundbild in der Webversion (ab 9:15) aus und zeichnete den Beitrag sogar neu auf, wie man im Vergleich der Videos erkennen kann. Die Version mit Gebärdensprache änderte die Tagesschau auch. Hier retuschierte die Sendung den Schriftzug „FCK AFD“ im Hintergrundbild selbst mit grauer Farbe weg, wie Twitter-Nutzer bemerkten.
Monstranz der Objektivität
Nun wäre es eine Sache, wenn die Tagesschau ständig in der Bildauswahl bestimmte Parteien attackieren würde und man der Redaktion Absicht unterstellen könnte. Niemand will, dass die Hauptnachrichtensendung dauerhaft über die Bildauswahl dermaßen Partei ergreift. Das tut die Tagesschau auch nicht.
Es ist aber auch eine falsch verstandene Auffassung von Neutralität, wenn man anfängt ohne Kennzeichnung Bilder zu retuschieren und damit journalistische Grundsätze verletzt. Man kann nicht die vermeintliche Objektivität seines Journalismus wie eine Monstranz vor sich hertragen, aber dann Bilder rausnehmen oder retuschieren. Es zeugt auch von Angst gegenüber der Meinungsmacht der rechtsradikalen und rechtspopulistischen Szene, wenn man in Antizipation eines möglichen Shitstorms vorauseilend deren Willen exekutiert.
Und genau das hat die Tagesschau doch nicht nötig, nur weil sie ein Stück bundesdeutsche Realität zeigt. FCK AFD ist ein Graffiti, das so in jeder deutschen Großstadt vielfach zu finden ist. Und erst recht in einer alternativ geprägten Universitätsstadt wie Marburg.
Die Tagesschau hätte gut daran getan, das Bild einfach stehen zu lassen.
Eine kurzfristige Presseanfrage hat die Tagesschau noch nicht beantwortet. Wir reichen diese später nach.
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